Gesundheitspolitik

Europäische Ressentiments

Dr. Benjamin Wessinger
Chefredakteur der AZ

Europa ist keine Zukunftsvision von Friede und gemeinsamem Wohlstand mehr, sondern der Hort allen Übels: kriselnder Euro statt starker D-Mark, giftige Energiesparlampen statt warmer Glühbirnen – und demnächst wird Deutschland im Staub versinken, weil die Leistung der Staubsauger zwangsgesenkt wird. Bürokratie und einengende Regelungen, wohin man schaut. Gleichzeitig weht aus Brüssel der kalte Wind der Deregulierung: Freihandelsabkommen bringen Chlorhühnchen und Gentech-Steaks, der Austeritäts-Kurs richtet Südeuropas Krisenländer endgültig zugrunde und überhaupt wird Europa von Lobby-Interessen großer Konzerne regiert.

Schuld ist immer „Brüssel“, also eigentlich niemand. Die nationale Politik muss ungeliebte Regelungen umsetzen, leider, leider. Europarecht, Sie wissen schon … Als ob der größte Geldgeber der EU keinen Einfluss auf Entscheidungen hätte.

Dass man Brüsseler Entscheidungen nicht wehrlos ausgeliefert ist, zeigt aktuell das Beispiel der Zuständigkeiten für Arzneimittel in der EU-Kommission. Der heftige Protest vieler Verbände aus vielen Mitgliedstaaten hat dafür gesorgt, dass auch weiterhin der Kommissar für Gesundheitsfragen dieses Ressort verantwortet – und nicht wie geplant die Industriekommissarin. Das ist gut so, nicht umsonst kümmert sich auch in den Mitgliedstaaten in der Regel der Gesundheitsminister um Arzneimittelfragen, nicht der Wirtschafts- oder Industrieminister.

Dieses Beispiel gibt Mut, sich gegen konkrete Fehlentscheidungen und -entwicklungen zu wehren. Dafür muss man diese aber erkennen. Blöd, wenn einem da Ressentiments den Blick verstellen.

Benjamin Wessinger

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