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INTERPHARM 2014 - Wirtschafts-Interpharm
Versand kostet jede Apotheke 20.000 Euro
Kritische Betrachtung des Versandhandels mit Arzneimitteln
„Der 1. Januar 2004 war ein pharmapolitischer ,Big Bang‘ in Deutschland“, so Diener. Im Kontext weiterer Neuregelungen sei von der damaligen Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) mit dem GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) der Versand von apothekenpflichtigen Arzneimitteln erlaubt worden. Das wäre gar nicht nötig gewesen. Denn damit sei der deutsche Gesetzgeber erheblich weiter als der Europäische Gerichtshof gegangen, der nur kurz später ausschließlich das Versandverbot für nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel beanstandete.
Zehn Prozent der Versender machen 90 Prozent Umsatz
Zehn Jahre später verfügen zwar knapp 3000 Apotheken über eine Versanderlaubnis: Aber nur etwa 150 Apotheken seien wirklich aktiv, so Diener. Und davon deckten 30 bis 40 „industrielle“ Versandapotheken etwa 90 Prozent der gesamten Versandhandelsumsätze ab. Der Rx-Versand habe heute mit rund fünf Millionen Packungen und etwa 300 Millionen Euro Umsatzvolumen einen Anteil von knapp einem Prozent des gesamten Rx-Marktes erreicht und liege damit deutlich hinter den hochtrabenden Prognosen. Ernster zu nehmen sei aber der OTC-Versand mit aktuell knapp 80 Millionen Packungen im Wert von rund einer Milliarde Euro und einem Marktanteil von rund 12 Prozent nach Umsatz und etwa zehn Prozent nach Absatz. „Hier ist für die nächsten Jahre ein weiteres, allerdings deutlich abgeschwächtes Wachstum zu erwarten“, so Diener.
Konjunkturprogramm für Anwälte und Gerichte
Laut Dieners Rechnung betragen die jährlichen Rohgewinneinbußen der Offizin-Apotheken durch den Versandhandel mit Arzneimitteln etwa 400 Millionen Euro im OTC-Bereich und circa 50 Millionen Euro im Rx-Bereich. Diener: „Je Offizinapotheke ist das ein entgangener Rohgewinn von etwa 20.000 Euro im Jahr.“ Rx-Arzneimittel würden von allen Versendern kostenfrei zugestellt. Bei OTC-Bestellungen fielen meist Kosten von drei bis vier Euro an. Dadurch verringere sich für die Versandapotheken gerade im OTC-Bereich der erreichbare Deckungsbeitrag aus diesem Segment. Bei Kunden, die nur eine OTC-Packung bestellten, könnten die Versender so gut wie nichts verdienen.
Allerdings habe die Zulassung von Versandapotheken zu einer Verhaltensänderung der Offizinapotheken in ihrer OTC-Preispolitik geführt: Zunächst seien alle möglichen Preisexperimente durchgeführt und „nicht selten teuer bezahlt“ worden. Das habe viele Klagen nach sich gezogen. So sei die Freigabe des Versandhandels mit Arzneimittel vor allem ein Konjunkturprogramm für Behörden, Anwälte, Gerichte und den Gesetzgeber geworden. Diener: „Jegliche rechtliche Grenzen wurden getestet und überschritten. Viele sind auch mittlerweile schon höchstrichterlich geklärt. Andere musste auch der Gesetzgebergeber nachbessern. Die Einhaltung des einheitlichen Rx-Abgabepreises ist dabei nur ein Beispiel.“
Mehr Arzneimittelfälschungen statt Entlastung für die GKV
Dieners Fazit lautete: Die OTC-Versanderlaubnis in Deutschland hat dazu geführt, dass etwa jede zehnte OTC-Packung via Versandapotheke zum Kunden kommt. Allerdings hat sich das Versandwachstum inzwischen deutlich abgeschwächt. Die meisten Apotheken haben in den letzten zehn Jahren gelernt, ihre OTC-Preisbildung flexibel anzupassen. Dieners Resümee zum RX-Versand: „Die Freigabe des Rx-Versandhandels war EU-rechtlich unnötig. Sie wird vom Patienten fast nicht genutzt, hat der GKV keine Entlastungen gebracht stattdessen aber Hasardeure, Goldgräbernaturen und Fälscher in den Rx-Markt gelockt.“
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