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- AZ 44/2015
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Management
Abwarten und Schweigen
Wie man mit Passivität Aktivitäten verursacht
Durch Schweigen entstehen Pausen zum Nachdenken, außerdem ermuntern sie den „Schweigepartner“ zum Reden. Ruhe und Entgegenkommen signalisieren wir mit einer Pause, wenn unser Gegenüber sich aussprechen möchte. In der Apothekenpraxis ist das z. B. der Fall, wenn ein Angehöriger von seinem zu pflegenden oder gerade verstorbenen Partner erzählen will. Wie oft stehen wir hinter dem „Tresen“, haben gleich bei der Begrüßung Beileid bekundet und wissen selbst nicht weiter. Entweder ist gemeinsames Schweigen beredt und hilft, oder der Kunde füllt die Pause. Ähnlich ist es, wenn jemand etwas reklamieren möchte. Unser Schweigen ist auch hier nützlich: Er kann sich in Ruhe seinen Ärger von der Seele reden und ist hinterher schon alleine dadurch besserer Stimmung – ohne dass wir etwas gesagt haben.
Die Kunst des Schweigens erlernen
Die Kunst des Schweigens zu erlernen, hat etwas Besonderes in sich: Müssen wir doch etwas sein lassen, anstatt etwas zu tun. Gewohnt, dauerhaft aktiv zu sein, uns mitzuteilen, zu beraten und uns zu unterhalten, empfinden wir das Schweigen als Manko, als Unwissen oder als verbotene Inaktivität, die uns wie Zeitverschwendung oder Faulheit vorkommt. Sogar wenn wir anderen eine Frage stellen, neigen wir manchmal dazu, sie selbst zu beantworten oder sie im Raum stehen zu lassen, anstatt unserem Kunden oder der Kollegin* die Zeit zum Antworten zu geben. Wer als Führungskraft nicht schweigen kann, bleibt unter seinen Möglichkeiten, strengt sich mehr an als nötig und überfordert andere Menschen mit zu hastigen Informationen. Wer monologisiert, signalisiert außerdem Desinteresse am Adressaten.
Die bewusst gesetzte Pause hat immer einen Inhalt, es kann ein beruhigendes, vielversprechendes, zustimmendes oder infrage stellendes Schweigen sein. Stellen Sie sich einen unverschämten Kunden vor: Er hat einmal mehr durch die Medien von negativ verlaufenden Apothekentests oder bestechlichen Ärzten und Apothekern gehört und macht diverse Anspielungen, während er Sie provozierend anblickt. Die Autorin Monica Schori empfiehlt als Selbstverteidigung unter anderem „Nur Schauen“: „Die unfreundliche Person einen Moment lang wortlos, mit fragendem Blick und ohne Lächeln anschauen, danach ruhig und sachlich zur Tagesordnung übergehen.“ Probieren Sie es aus, es ist sicher besser, als sich auf eine endlose Diskussion einzulassen oder die Bemerkung als persönliche Beleidigung aufzufassen und unfreundlich zu reagieren.
* Da die überwiegende Anzahl der Apothekenmitarbeiter weiblich ist,
schreibe ich in der weiblichen Form. Männliche Kollegen dürfen sich
gerne mit angesprochen fühlen.
PAUSE statt Feilschen mit dem Außendienst
Eine weitere Anwendungsmöglichkeit der Schweigekunst: Ihr Gespräch mit dem Außendienstmitarbeiter. Er hat gerade in gehörigem Tempo die Vorzüge eines neuen Produkts angepriesen und serviert Ihnen nun ein „Superangebot“. Er erwartet Ihr „Ja“, Sie schauen ihn an und sagen: „Für mich ist das nichts Neues“ oder „Für mich ist das kein guter Preis“. PAUSE. Er merkt, dass er noch etwas dazupacken muss und verbessert das „Superangebot“. Anstatt mit Feilschen Zeit zu verlieren, haben Sie geschwiegen und Ihr Ziel erreicht.
Manchmal ist das Schweigen einfach angenehm und entspannend. Sie müssen nicht gegen andere Sprecherinnen um das Wort kämpfen und sich durchsetzen. Sie sind aufmerksamer und hören besser zu, spinnen innerlich gute Ansätze der anderen weiter, anstatt auf eine Möglichkeit zum Einsatz zu lauern. Falls am Ende Ihre Meinung noch nicht dabei war, ist es früh genug, den Mund aufzumachen. Als Schlusswort hat Ihr Beitrag zudem mehr Gewicht.
Möchten Sie Ihre Mitarbeiterinnen mehr mit einbeziehen und nicht immer alles Aufwendige oder für Sie Schwierige alleinverantwortlich stemmen? Stellen Sie beispielsweise eine „Zwicksituation“ auf der Teamsitzung vor. Dann kommt Ihr „Ein-Satz“: „Das empfinde ich als schwierig“ oder ganz direkt „Da wünsche ich mir Hilfe“. Blickkontakt, PAUSE. Halten Sie durch, nach einiger Überlegung kommen erste Ideen und jemand signalisiert Bereitschaft, Arbeit zu übernehmen. Das passiert natürlich nur, wenn Sie es nicht ständig tun, ein gesundes Klima herrscht und Ihre Angestellten eine positive Einstellung zu Ihnen haben.
Eine schöne Errungenschaft ist die Schwester des Schweigens, das Abwarten und Nichtstun. Ein wunderbares Beispiel: das Qualitätsmanagement mit den unterschiedlichen Vorgaben, ob, wann und wie es zu bewältigen sei. Als alles neu war, gab es kaum helfende Dienstleister, man musste in einem gewissen Rahmen vieles selbst erstellen. Wer hier schnell agierte, handelte sich Unmengen an Arbeit ein. Wartete man ab, gab es immer mehr und besser gestaltete Vorlagen, die man nur noch auszufüllen brauchte. Was die Pflicht zur Zertifizierung anging, gab es zunächst Empfehlungen. Mittlerweile ist das Vorhandensein eines Qualitätsmanagements Pflicht, zertifiziert sein muss die Apotheke aber nicht. Das zeigt: Wenn Sie eine Sache nicht aus purer Überzeugung absolvieren möchten, sondern sich an den Vorschriften orientieren, sparen Sie durch das „Handeln im minimalen Bereich“ viel Zeit und Geld.
Tipps für das Schweigen:
- Nach wichtigen Aussagen den Punkt im Satz als Sprechpause nutzen. Das macht die Aussage bedeutend. Hat der Kunde etwas nicht verstanden, wird er hier einsetzen.
- Eine normale Sprechpause dauert etwa fünf Sekunden. Halten Sie sich so lange zurück und widerstehen Sie dem eigenen Impuls, die Dinge sofort weiterzutreiben.
- Warten Sie nach Fragen, bis Ihr Gegenüber antwortet. Vertrauen Sie darauf, dass der Kunde selbst nach eventuellen Erläuterungen fragt, und erklären oder rechtfertigen Sie sich nicht unnötig.
- Wenn Sie etwas gefragt werden, lassen Sie sich Zeit: Ihr Nachdenken und Schweigen signalisiert, dass es eine gute und wichtige Frage war.
- Haben Sie dem Kunden zwei Alternativen mit ihren Vorteilen genannt, reden Sie nicht immer weiter und argumentieren neu, sondern lassen Sie dem Gegenüber durch eine Sprechpause Zeit, Ihnen eine bereits getroffene Entscheidung mitzuteilen.
Überhastete Handlungen aus Angst, etwas zu verpassen
Verfolgen Sie aufmerksam die Prognosen von Experten? Wie oft tritt das Vorhergesagte tatsächlich ein? So ist es nicht immer sinnvoll, frühzeitig Trends beim Geldanlegen zu folgen. Auch sollten Sie sich nicht gleich große Vorräte eines Produkts anlegen, nur weil eine „Megakampagne“ in den Medien läuft. Nur zu schnell laufen die angekündigten Verkaufswellen wieder aus oder bleiben so schwach, dass Sie in Ihrer Kasse nur ein leichtes Kräuseln wahrnehmen. Das Lager ist viel zu voll, die Verfalldaten zu kurz und zwei Monate nach Start der Kampagne fragt keiner mehr oder ein Nachfolger im Billigpreissegment surft auf der Werbewelle des ersten Anbieters mit.
Die Angst, etwas zu verpassen, treibt manchen zu überhasteten Handlungen. Überlegen Sie in Ruhe und lassen Sie sich nicht durch vermeintliche Warenknappheit drängen – es gibt viele Tricks, Menschen zum Kaufen zu verführen.
Wenn Sie Probleme abwartend ignorieren, merken Sie hoffentlich rechtzeitig, wann Sie den Schalter umlegen müssen: Entweder meldet sich Ihr Gewissen, eine andere Art von Intuition oder Ihr Umfeld fängt an, Sie zur Tat zu ermuntern. Sie beobachten eventuell, dass sich durchs Aussitzen weder etwas an den äußeren Umständen noch an Ihrer inneren Befindlichkeit zum Guten ändert – auch dies ruft zum Handeln auf.
Vorhaben in Dringlichkeitsschubladen sortieren
Sicher haben Sie auch schon erlebt, dass manche Dinge sich von alleine erledigen, wenn man lange genug wartet. Was haben diese Dinge gemeinsam? Stellen Sie es fest und lassen Sie die Zeit für sich arbeiten, wenn die identifizierten Kennzeichen wieder bei einer Arbeitsaufgabe auftauchen. Es ist sinnvoll, seine Vorhaben frühzeitig in Dringlichkeitsschubladen zu sortieren und alles, was Zeit hat, auf die lange Bank zu schieben und es dort zwar im Blick zu behalten, aber erst einmal liegen zu lassen.
Abwarten können: Haben Sie die Geduld dazu? Wenn Sie Unerledigtes zu zappelig macht, ist es vermutlich doch besser, es wegzuarbeiten. Das wäre jedoch nur die zweitbeste Lösung. Falls Sie von hektischen Menschen umgeben sind: Erinnern Sie sich an die Spiegelneurone? Beim Betrachten einer anderen Person entsteht in unserem Gehirn ein Muster, als ob wir selbst der aktive Teil wären, den wir anschauen. Ob Sie also auf andere oder diese auf Sie einwirken: Gelassenheit ist eine der Grundvoraussetzungen, um Abwarten zu können. In ihrem Buch über Resilienz betont die Neurologin Dr. Claudia Croos-Müller: „Emotionale Unausgeglichenheit belastet, erschöpft die Neuronen und führt zur Produktion von gesundheitsschädlichen Substanzen.“ Das Abwarten in Ruhe trainiert auch wertvolle Fähigkeiten wie Mäßigung, Selbstkontrolle und Ausgeglichenheit als lohnende und stärkende Tugenden.
Zudem entstehen beim Liegenlassen oftmals Ideen, wie man eine Sache noch geschickter anpacken kann, oder es bietet sich die Gelegenheit, etwas bei einer ähnlichen Arbeit ohne Extraaufwand mit zu erledigen. Manche Themen sind auch plötzlich verschwunden, weil jemand anders sich ihrer angenommen hat. Zudem ergeben sich hierbei manchmal Möglichkeiten, Geld zu sparen: In einer „meiner“ Apotheken sollte schon seit geraumer Zeit ein neues Lichtsystem installiert werden, die alten Strahler waren teuer und hielten nicht lange. Das Ganze war immer mal wieder im Gespräch, nicht wichtig genug, um sich ernstlich damit zu beschäftigen. Schließlich entpuppte sich das Nichtstun als passive Erfolgsstrategie: Vom Land gab es eines Tages Zuschüsse, wenn man auf moderne energiesparende Leuchten umstellte. Jetzt war der Zeitpunkt zum Handeln da. Abgewartet, zwei Generationen von Leuchten übersprungen und bei der dritten: zugepackt!
Mögen Sie die Weisheit haben, sich richtig zwischen Handeln, Abwarten und Nichtstun zu entscheiden! |
Literatur
Monica Schori
Überleben im Kundenkontakt – Der richtige Umgang mit schwierigen Situationen.
Redline Verlag 2015. ISBN 978-3-86881-575-7
Claudia Croos-Müller
Kraft – der neue Weg zu innerer Stärke.
Ein Resilienztraining. Kösel Verlag 2015.
ISBN 978-3-466-31047-0
Zu beziehen über:
Deutscher Apotheker Verlag
Birkenwaldstraße 44
70191 Stuttgart
Telefon 0711 2582-341, Telefax 0711 2582-290, E-Mail: service@deutscher-apotheker-verlag.de
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