Nach dem Aus der Ampel

Der neue Fahrplan für die Apothekenreform

Berlin - 08.11.2024, 17:15 Uhr

Verlässlich wie die Bahn: Wann kommt die Apothekenreform? (Foto: IMAGO/Jochen Eckel)

Verlässlich wie die Bahn: Wann kommt die Apothekenreform? (Foto: IMAGO/Jochen Eckel)


Die Bahn kommt – irgendwann. Das gilt auch für die Apothekenreform. Mit dem Ende der Ampel-Koalition verschiebt sich erneut alles. Es lässt sich allerdings schon einiges zu einem möglichen Fahrplan festhalten – und eine „optimistische“ Prognose wagen.

Die Apothekenreform ist tot – es lebe die Apothekenreform! So in etwa dürfte nach dem Zerbrechen der Ampel-Koalition das Fazit der Apothekerschaft aussehen. Keine Apotheke ohne Apotheker, keine Honorarumverteilung. Aber eben auch keine Honorarerhöhung und auch keine Zulassung der handelsüblichen Skonti. Überhaupt: Keine Aussicht auf Besserung der Situation.

ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening hatte am Tag nach dem Bekanntwerden des Bruchs bereits vor einer „weiteren Ausdünnung der Versorgung zu Lasten der Patientinnen und Patienten“ durch die Regierungskrise gewarnt. Die Apotheken bräuchten ein „schnelles, politisches Handeln“.

Zumindest eine Apothekenreform wird es so schnell nicht geben. Mit Blick auf den gegenwärtigen Stand der Dinge ist frühestens 2026 mit einem Entwurf zu rechnen, und das wäre sehr optimistisch.

Vertrauensfrage im Januar oder doch früher?

Es schien zunächst, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)  alles daransetzen würde, dass es bei der Vertrauensfrage im Januar bleibt. Wenn dann im März gewählt wird, ist die derzeitige Empörung über das Ampel-Versagen in der Wählerschaft ein wenig abgeklungen und die Alternative CDU/CSU mit Friedrich Merz als Kanzlerkandidat wird etwas nüchterner betrachtet. 

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Für die SPD dürfte das Wahlergebnis dann nicht ganz so katastrophal aussehen, wie es jetzt wohl der Fall wäre. Scholz könnte also auf Zeit spielen. Politischen Stillstand bis dahin kann er auch FDP und Union in die Schuhe schieben. Neuesten Berichten zufolge, ist der Kanzler doch gesprächsbereit, in Bezug auf einen Termin für die Vertrauensfrage und daraus resultierende Neuwahlen. 

Sollte es aber erst im März Neuwahlen geben, ist gut denkbar, dass nicht vor dem Herbst mit der Regierungsarbeit begonnen wird. Zum Vergleich: Die vergangene Bundestagswahl fand am 26. September 2021 statt. Einen Monat später begannen die Verhandlungen zwischen SPD, Grünen und FDP. Wiederum einen Monat später waren sie abgeschlossen und am 7. Dezember wurde dann der Koalitionsvertrag unterschrieben. Von allen drei Seiten wurde damals der konstruktive Ablauf gelobt.

Komplizierte Koalitionsverhandlungen

Mit Blick auf die zu erwartenden Stimmenzuwächse der AfD und die derzeitigen Koalitionsverhandlungen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen darf davon ausgegangen werden, dass es diesmal auch im Bund etwas länger dauern könnte, bis eine Koalition steht. Das heißt, vor dem Sommer 2025 ist nicht damit zu rechnen. Nach der Pause würde sich die Koalition dann ordnen und mit der Ausarbeitung der Gesetzentwürfe beginnen.

Führt man sich noch einmal die Prioritäten vor Augen, die Scholz am Abend des Rausschmisses von FDP-Finanzminister Christian Lindner vorstellte, ist klar, dass Gesundheit und hierin die Apothekenreform eine untergeordnete Rolle spielt. Das dürfte auch bei einer CDU-geführten Regierung nicht anders sein.

CDU und Apothekenreform

Dabei sei an dieser Stelle noch einmal daran erinnert, dass die CDU in Grundzügen zumindest ihre Vorstellungen einer Apothekenreform niedergelegt hat. Im Antrag „Arzneimittelversorgung sicherstellen – Versorgungssicherheit gewährleisten“ vom November 2023 sind viele Forderungen der Apothekerschaft aufgenommen.

So heißt es darin unter anderem, dass das Fixhonorar „um einen angemessenen Betrag“ angehoben und „vor dem Hintergrund der aktuellen Kostenentwicklung eine regelmäßige Berichtspflicht der Bundesregierung über die Entwicklung des Apothekenhonorars“ etabliert werden sollen. Nullretaxationen dürfe es nur in „gravierenden Fällen“ geben.

Nun ist dies ein Antrag, der aus der Opposition herausgestellt wurde und daher durch eine gewisse Regierungsrealitätsferne gekennzeichnet ist. Aber er könnte der Apothekerschaft zumindest als Grundlage für ihre Forderungen dienen, wenn es einerseits um Einflussnahme auf das Wahlprogramm der Union, als auch um etwaige spätere Verhandlungen zu einem Koalitionsvertrag gehen sollte.

Andere brennende Gesundheitsthemen

Davon abgesehen ist in den ersten Monaten einer wie auch immer gearteten Koalition nicht mit einem Entwurf für eine Apothekenreform zu rechnen. Damit wären wir aber bereits im Jahr 2026 angekommen. Selbst wenn das Gesundheitsressort fix mit Gesetzentwürfen sein sollte, ist gut denkbar, dass andere Themen im Vordergrund stehen. Hier sei unter anderem an die angespannte finanzielle Situation der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung erinnert.

Und: Es ist nicht so, als wenn die Apothekerschaft die einzigen Leistungserbringer wären, die an der Tür des Bundesgesundheitsministeriums klopfen und auf gestiegene Kosten verweisen. Wie es mit den Krankenhäusern weitergeht, ist beispielsweise, auch wenn die diesbezügliche Reform des BMG noch durchkommen sollte, völlig unklar.

Wie lang brauchte Lauterbach?

Vor diesem Hintergrund scheint schon der Entwurf einer Apothekenreform im Jahr 2026 unwahrscheinlich. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) brauchte zwei Jahre, bis er seine Eckpunkte vorlegte, dann noch einmal ein halbes Jahr, bis der Referentenentwurf das Licht der Welt erblickte. Einen Kabinettsentwurf hat es bekanntlich nie gegeben.

Eine kommende Regierung wird sich auch auf Widerstand aus der Apothekerschaft gefasst machen müssen, sollte ihr der Entwurf nicht zusagen. Sie wird sich also sicherlich etwas Zeit nehmen, damit das Ganze nicht in einem Desaster endet, wie bei Lauterbach.

Der optimistische Fall

Nehmen wir also den überaus optimistischen Fall an, dass bereits nach wenigen Monaten Koalitionsarbeit im Frühjahr 2026 ein Referentenentwurf für eine Apothekenreform steht. Selbst wenn es schnell gehen sollte, wäre auch hier durch die Sommerpause kaum mit einer Verabschiedung des Gesetzes früher als im Herbst zu rechnen, womit das Gesetz dann vielleicht Anfang 2027 in Kraft treten könnte.

Nicht berücksichtigt wird hier, dass natürlich einzelne Elemente der Apothekenreform auch in anderen Gesundheitsgesetzen auftauchen können. Aber ein umfassender Ansatz, wie ihn sich die Apothekerschaft wünscht und auch nötig hat, sieht anders aus.

Und selbst wenn Olaf Scholz die Vertrauensfrage früher stellen sollte, vielleicht sogar kommende Woche, wie es sich die Union wünscht, würde das Neuwahlen im Januar und einen Zeitgewinn von maximal zwei Monaten bedeuten. Die dürften für die Apotheken keinen Unterschied machen. 

13.000 Apotheken in drei Jahren – „wenn es gut läuft“

Das heißt nun aber nicht, dass Abwarten angesagt ist und die Hände in die Hosentasche gesteckt werden können. Die Geschäftsführerin Ökonomie der ABDA, Claudia Korf, hatte bei der Präsentation des Wirtschaftsberichts 2023 darauf hingewiesen, dass„ wenn nichts passiert“, die Zahl der Apotheken in den kommenden drei Jahren von derzeit etwas mehr als 17.000 auf 13.000 fällt– „wenn es gut läuft“. Im schlechten Fall wäre am Ende aber auch eine Zahl von 10.000 denkbar.

In den vergangenen Monaten hatten zahlreiche Apotheken Besuch von Abgeordneten aus dem Bundes- oder dem jeweiligen Landtag. Viele Kommunalpolitiker ließen sich über die Probleme vor Ort aufklären. Das Engagement der Apothekenteams hat zu der Sensibilisierung der Politik geführt, die dann letztlich dazu führte, dass die Apothekenreform in ihrer Lauterbach’schen Form nicht weiterkam.

„Stattfinden“ im Wahlprogramm

Bis nun aber der nächste Anlauf für eine Reform startet, kann das auch wieder vergessen sein. Das Erinnerungsvermögen von Politikerinnen und Politikern ist bekanntlich begrenzt. Das gilt vor allem auch mit Blick auf die bereits erwähnten Wahlprogramme. Overwiening hatte dazu gesagt, „Da wollen wir stattfinden“. Da wird man nicht nachlassen können. Und Politiker, die wiedergewählt werden wollen, insbesondere dann, wenn sie aufgrund des zu erwartenden schlechten Ergebnisses ihrer Partei auf ein Direktmandat schielen, sind da gute Ansprechpartner. 


Matthias Köhler, DAZ-Redakteur
redaktion@daz.online


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