Die Seite 3

Trügerisches Plus

Dr. Benjamin Wessinger, Chefredakteur der DAZ

4,5 Prozent mehr Umsatz haben die deutschen Apotheken im Zeitraum von Januar bis August dieses Jahres gemacht. Das ist ein starkes Plus, das die Treuhand Hannover da verkündet hat. Allerdings auch ein trügerisches, denn der Wareneinsatz der Apotheken ist im selben Zeitraum noch stärker gestiegen als der Umsatz. Obwohl die Apotheken mehr Geld eingenommen haben, ist der Rohertrag also gesunken. Und von diesem niedrigeren Rohertrag müssen im Schnitt auch noch höhere Betriebskosten als im Vorjahr abgezogen werden – das durchschnittliche Betriebsergebnis sinkt. Von den höheren Arzneimittelpreisen – die an dem Umsatzanstieg nicht unwesentlich beteiligt sind – haben die Apotheker nichts. Wegen des Kombimodells aus Fixzuschlag und dreiprozentigem variablem Aufschlag ist das Einkommen des Apothekers nur in sehr kleinem Ausmaß vom Preis des abgegebenen Arzneimittels abhängig. So zeigen die Zahlen noch einmal, wie wichtig eine regelmäßige Anpassung des Fixums ist.

Doch das vermeldete Umsatzplus ist noch aus einem anderen Grund trügerisch. Bei vielen Apotheken kommt dieses Wachstum nämlich gar nicht an (siehe „Wachstum kommt nicht überall an“, S. 11 in dieser DAZ). Immerhin fast ein Drittel muss sogar einen Rückgang der Erlöse feststellen – eine alarmierend hohe Zahl. Dabei sind es vor allem die kleineren, umsatzschwachen Apotheken, die von der Marktentwicklung abgekoppelt sind. Überproportional viele von ihnen schrumpfen. Größere Apotheken mit einem Umsatz von über 2,5 Millionen Euro wachsen dagegen schneller. Damit verstärkt sich eine Tendenz, die schon seit einigen Jahren beobachtet wird: Starke Apotheken werden immer stärker, die kleineren Apotheken dagegen geraten zunehmend unter Druck – die Schere öffnet sich immer weiter.

Diese Entwicklung könnte zu einer grundlegenden Veränderung in der Apothekenlandschaft führen, wenn sie sich fortsetzt. Denn über kurz oder lang werden immer mehr kleine Apotheken schließen, die übrig bleibenden werden dann noch größer. Nicht wenige Apotheker hegen die Befürchtung, dass diese Entwicklung zwangsläufig zu einer Aufhebung des Fremdbesitzverbots führt. Denn solch große Unternehmen könne man irgendwann nicht mehr in persönlicher Haftung führen – und schon gar nicht mehr verkaufen. Denn welcher „Jungspund“, der sich selbstständig machen will, kann schon ein Unternehmen mit einem Jahresumsatz von drei, vier oder fünf Millionen Euro kaufen?

Dabei gibt es durchaus noch andere Modelle. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt hat bei den letzten „Stuttgarter Gesprächen“ Zusammenschlüsse von Freiberuflern ins Spiel gebracht, beispielsweise OHGs mit mehr Gesellschaftern als den bisher üblichen zwei oder drei (DAZ 2015, Nr. 28 „Zukunft des Berufs oder wirtschaftliches Risiko?“). Lösungen gibt es also durchaus. Die Apotheker sollten sich jetzt Gedanken machen, wie sie diese Herausforderung angehen wollen. Sie könnte für die Zukunft des Berufs genauso entscheidend sein wie die Honorarfrage, die Digitalisierung oder die Zusammenarbeit mit den Ärzten.

Dr. Benjamin Wessinger


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.