Aus den Ländern

Optimale Betreuung von Krebspatienten

23. NZW in Hamburg: Wissenschaft und Berufspolitik

HAMBURG (pj) | Der Norddeutsche Zytostatikaworkshop NZW – der größte onkologisch-pharmazeutische Fachkongress im deutsch­sprachigen Raum – fand vom 23. bis 25. Januar in Hamburg-Harburg statt. Die von einem PTA-Kongress, einer berufspolitischen Diskussion, Satellitensymposien und einer Industrieausstellung begleitete Veranstaltung wurde von mehr als 900 Teilnehmern besucht.
Foto: DAZ/pj

Berufspolitisches Forum auf dem NZW (v. l.): Dr. Klaus Ruberg, Klaus Meier (DGOP), Jens Spahn (MdB), Stefanie Heindel, Kerstin Bornemann, Michael Höckel.

In einem Grußwort hob die Apothekerkammer Hamburg die ungebrochene Attraktivität des NZW hervor und bescheinigte ihm eine Vorreiterfunktion. So habe er frühzeitig die Optimierung von Versorgungsstrukturen gefordert, wie sie jetzt auch das Perspektivpapier „Apotheke 2030“ fordert.

Klaus Meier, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Onkologische Pharmazie (DGOP), unterstrich die Notwendigkeit, sich ständig neues Wissen anzueignen. Aktuelle Themen auf dem NZW waren u. a. neue Ansätze der Krebstherapie (onkolytische Viren, Immunonkologie), die palliative Versorgung von Krebspatienten sowie neue Entwicklungen bei der sterilen Herstellung (Automatisierung, Einsatz eines halbautomatischen Roboters). Ferner wurden die Problematik des Off-label-use und die Kostenentwicklung bei einzelnen Tumorentitäten ­beleuchtet.

Die Präsentation von Fallbeispielen unterstrich die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit zwischen Ärzten, Apothekern und Pflegenden.

Im Festvortrag wurden, eingebettet in den Lebenslauf des Reggae-Musikers Bob Marley, Entwicklungen bei der Melanomtherapie aufgezeigt.

Lieferengpässe gefährden die Arzneimittelsicherheit

Der Umgang mit Arzneimittellieferengpässen gehört heute zum Tagesgeschäft eines Krankenhausapothekers. Dr. Torsten Hoppe-Tichy, Heidelberg, nannte als Ursachen: Oligo- und Monopolisierung der Produktionsanlagen, Verlagerung von Herstellungsbetrieben, Qualitätsprobleme bei Rohstofflieferanten, eine reduzierte Lagerhaltung, ein ruinöser Wettbewerb in der pharmazeutischen Industrie, Ausschreibungen sowie ein insuffizientes Meldesystem. Betroffen sind alle Arzneimittelgruppen, vornehmlich aber Anti­biotika und Onkologika. Die meisten Lieferabrisse dauern Wochen bis Monate. Generika und Originalpräparate sind in etwa gleich häufig betroffen, bei Generika besteht aber oftmals eine Ausweichmöglichkeit.

Die Folgen von Lieferengpässen sind vielfältig, so etwa Medikationsfehler bei Ersatzpräparaten und Umstellungen, ungünstige Auswirkungen auf das Therapieergebnis (z. B. durch einen erzwungenen Wechsel auf andere Therapieregime), die Notwendigkeit, Lagerbestände zu erhöhen, sowie ein ­erhöhter Informationsbedarf. Der Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA) fordert für pharma­zeutische Hersteller die Meldepflicht von Lieferengpässen nach dem Vorbild der USA (American Society of Health System Pharmacists, ASHP, und Food and Drug Administration, FDA).

Berufspolitisches Forum

Im berufspolitischen Forum beant­wortete Jens Spahn, der gesundheitspolitische Sprecher der CDU, die ­Fragen von vier onkologisch tätigen Apothekern.

Dr. Klaus Ruberg, Wesseling, skizzierte das breit gefächerte Spektrum der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung und kritisierte, dass dafür keine zusätzliche Vergütung vorgesehen ist. – Spahn: Wolle man dem abhelfen, müsse man zuerst eine Grundsatzdebatte zur Finanzierung der ­Apothekenleistungen führen. Denn ­zusätzliche Vergütungen – z. B. Ver­gütungsbausteine je nach Art der erbrachten Leistung – würden bedeuten, dass „nicht alle Apotheken gleich“ sind.

Stefanie Heindel, Münster, kritisierte, dass Herstellung und Beratung nicht immer in einer Hand bleiben. Die Zubereitung aseptischer Lösungen erfolge in Herstellungsbetrieben, und dem Apotheker bleibe die wenig lukrative Aufgabe der Beratung. – Spahn verwies hier auf das Antikorruptions­gesetz, das Abhilfe schaffen könnte.

Kerstin Bornemann, Göttingen, bemängelte die Willkür der Retaxationen und wies auf den in § 35 ApBetrO festgelegten Mehraufwand im Zusammenhang mit der Parenteraliaherstellung hin. – Spahn: Was Unstimmigkeiten mit den Krankenkassen anbelangt, seien gütliche Lösungen zu bevorzugen. Die in § 35 enthaltenen Forderungen wolle er genauer in Augenschein nehmen, da sie ihm im Detail nicht präsent seien.

Michael Höckel, Kassel, machte auf die mit Ausschreibungen einhergehenden Probleme aufmerksam. – Spahn: Dem könne mit dem Patientenwahlrecht ­gegengesteuert werden. Das Patientenrecht zur freien Wahl einer Apotheke habe Vorrecht, was bereits in einigen Gerichtsurteilen bestätigt worden sei. |

ADKA: Industrie muss Engpässe melden

Präsident der ADKA

DAZ: Es entsteht der Eindruck, Lieferengpässe werden politisch geduldet, trifft dieser Eindruck zu?

Hoppe-Tichy: Ja, manchmal kann man das glauben. Ansonsten hätten unsere [ADKA] an das BMG gesandte Forderung zu einer verpflichtenden Meldung seitens der Pharmaindustrie und unsere Forderung zur Veränderung des AMG hinsichtlich der Lagerreichweite bei der Pharmaindustrie sicherlich mehr Beachtung gefunden.

DAZ: Wie kann Lieferengpässen gegengesteuert werden?

Hoppe-Tichy: Erstens durch die von der ADKA vorgetragene Forderung, dass pharmazeutische Unternehmen jeden Engpass verpflichtend melden müssen. Zweitens sollten pharmazeutische Hersteller ihre Bestände nicht nur am Verbrauch durch den Großhandel, sondern auch am Bedarf der Krankenhäuser ausrichten. Krankenhäuser sollten also mit dem pharmazeutischen Großhandel gleichgestellt werden.

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