Gesundheitspolitik

Der Apotheken-Ökonom: Wenn der Bauch das Sagen hat

Von Bauchgefühlen bei Kopfentscheidungen

Prof. Dr. Andreas Kaapke

Wie oft verlassen wir uns auf unser Bauchgefühl? Wenn es Einkäufe anbelangt, wenn wir Menschen kennenlernen und eine erste Einschätzung treffen, wenn es darum geht, eine Situation richtig oder eben falsch einzuschätzen.

Das Bauchgefühl ist ein bewährter Kompass für viele Mitmenschen, dessen Nutzung nach Häufigkeit und Intensität schwankt. Wie viel Bauch darf es aber bei rationalen Entscheidungen, also Kopfentscheidungen sein? Bei der Führung eines Unternehmens darf die Balance zwischen Kopf und Bauch durchaus ausgeglichen sein. Bei aller Zahlenlastigkeit eines Controllings – die Zahlen wollen analysiert, bewertet und gewichtet werden. Und neben allem rationalen Kalkül, das zur Anwendung gelangt, sind es oft auch emotionale Schwingungen, die den Ausschlag geben. So kann es durchaus ein probates Mittel sein, bei der Auswahl denkbarer Alternativen ausschließlich den Kopf entscheiden zu lassen, um dann die finale Entscheidung aus dem Bauch heraus zu treffen. Ist das ein suboptimales Controlling? Mitnichten, der erste Schritt sichert, dass nur wirklich brauchbare Alternativen in die Bewertung eingehen, der zweite emotionale Schritt sichert, dass der Mensch ein gutes Gefühl hat. Extrem verkürzt ausgedrückt, suchen Menschen eine Problem­lösung und ein gutes Gefühl. Schafft es das zahlenbasierte ­Controlling, die besten Problem­lösungen zu extrahieren, darf dann der Bauch für das gute Gefühl verantwortlich sein.

Man könnte aus den bisherigen Ausführungen herauslesen, dass eine rein auf Zahlen basierte Entscheidungsfindung falsch ist. Nein, nicht zwingend. Sie wird um eine subjektive Einschätzung beraubt, die die Entscheidung bereichern kann. Eine nur aus dem Bauch heraus getroffene Entscheidung greift freilich zu kurz. Zahlen wirken wie ein Katalysator, wie eine Beweisführung und damit wie eine Absicherung auch gegenüber Verwerfungen in der nahen Zukunft. Was sich durch Zahlen begründen lässt, ist schwerer anzugreifen als reine Entscheidungen aus dem Bauch heraus.

Nepotismus und Ämterpatronage wird genau das angelastet. Wer Verwandte und Freunde bevorzugt oder bei Ämterbesetzungen neben objektiven Kriterien auch andere einfließen lässt, macht sich der Übervorteilung verdächtig. Dabei liegen derlei Mechanismen auf der Hand. Bekannte Alternativen haben den Vorteil, dass man deren Vorzüge und Nachteile kennt, neue Alternativen die Schwäche der schweren Durchschaubarkeit und den hohen Un­sicherheitsgrad. Zudem ist Bauchgefühl auch vom „Bauchträger“ abhängig. Ist dieser auf exotische, riskante oder auch grenzwertige Alternativen aus und wählt genau danach aus, kann reines Bauchgefühl zur Bauchlandung werden und muss mit aller Vorsicht bedacht werden.

Im 1. Semester BWL lernen Studierende als erstes das Homo-­oeconomicus-Prinzip, das rationale Kalkül. Hier sollen nach Maximum- oder Minimum-Prinzipien optimale Lösungen für das Unternehmen herausgesucht werden. Es unterstellt eine gute (fast schon lückenlose) Informationsbasis und geht von guten Entscheidungen aus. Demnach müssten zwei rational handelnde Menschen nach eingehender Prüfung dieselbe ­Alternative auswählen. Aber will man das? Besteht nicht der Charme einer auch betriebswirtschaftlichen Entscheidung gerade darin, dass zwei unterschiedliche Menschen bei gleicher Ausgangslage die Situation unterschiedlich einschätzen und deshalb zu Recht unterschiedliche Entscheidungen treffen? Die eigene Sozialisation, das eigene Wesen und die eigenen Normen und Werte spielen dafür eine maßgebliche Rolle. Was wäre die Welt arm nur mit dem Typus des Homo oeconomicus. So gesehen, gilt es ein hohes Lied auf ein gutes Bauchgefühl zu singen, im Rahmen eines zahlengestützten rationalen Kalküls. |

Andreas Kaapke


Andreas Kaapke ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Standort Stuttgart, und Inhaber des Beratungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte. E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de

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