Gesundheitspolitik

EuGH: Fixpreise behindern EU-Versandapotheken

Luxemburger Richter sehen Warenverkehrsfreiheit ungerechtfertigt verletzt

BERLIN (ks) | Die niederländische Versandapotheke DocMorris hat es geschafft. Der Europäische Gerichtshof hat erstmals in ihrem Sinne entschieden: Die deutsche Arzneimittelbreisbindung ist europarechtswidrig, soweit sie auch für EU-auslän­dische Versandapotheken gilt. Prozesspartei war zwar die Deutsche Parkinson Vereinigung, doch in der Sache ging es um Rx-Boni, die DocMorris deutschen Kunden gewährte.
© Kai Felmy

Die deutsche Regelung, die auch EU-ausländische Versandapotheken zur Einhaltung der Arzneimittelpreisverordnung verpflichtet, wenn sie deutsche Kunden beliefert, stelle eine nicht gerechtfertigte Beschränkung des freien Warenverkehrs dar, heißt es im Urteil (Rs. C-148/15). Denn die Festlegung einheitlicher Abgabepreise für Arzneimittel wirke sich auf in anderen Mitgliedstaaten ansässige Apotheken stärker aus als auf inländische und behindere ihren ­Zugang zum deutschen Markt. ­Damit folgte der Gerichtshof ganz der Linie des Generalanwalts.

Die Begründung ist erstaunlich. Ausländische Apotheken hätten es im deutschen Markt schwerer, weil der Versandhandel für sie ein wichtigeres, eventuell sogar das einzige Mittel darstelle, um zu diesem einen unmittelbaren Zugang zu erhalten. Zudem könne der Preiswettbewerb für Versandapotheken ein wichtigerer Wettbewerbsfaktor sein als für „traditionelle“ Apotheken. Denn diese seien besser in der Lage, Patienten durch Personal vor Ort individuell zu beraten und eine Notfallversorgung mit Arzneimitteln sicherzustellen. Daraus, dass die Versender jenseits der Grenze keine Gemeinwohlpflichten übernehmen, leiten die Richter also ab, dass sie einen Wettbewerbsvorteil verdienen.

Grundsätzlich kann eine Beschränkung des freien Warenverkehrs zwar mit dem Schutz der Gesundheit und des Lebens gerechtfertigt werden. Doch hier ­halten die Luxemburger Richter die betreffende Regelung für nicht geeignet, diese Ziele zu erreichen.

Gericht vermisst Belege

Dabei machen sie in ihrem Urteil deutlich, dass die Prozessführung der Wettbewerbszentrale, die in der mündlichen Verhandlung unterstützt wurde von einem Anwalt der ABDA und einem Vertreter der Bundesregierung, nicht überzeugend war. Insbesondere sei nicht nachgewiesen worden, inwiefern durch einheitliche Preise eine bessere geografische Verteilung der traditionellen Apotheken in Deutschland sichergestellt werden könne. Die Richter meinen sogar, dass einige eingereichte Unterlagen im Gegenteil nahelegten, dass mehr Preiswettbewerb unter den Apotheken die gleichmäßige Versorgung mit Arzneimitteln fördern würde. Denn so würden Anreize gesetzt, sich in Gegenden niederzulassen, in denen wegen der geringeren Apothekenzahl höhere Preise verlangt werden könnten.

Zudem gebe es keine Belege, dass sich die Versandapotheken ohne die betreffende Regelung einen Preiswettbewerb liefern könnten – mit der Folge, dass wichtige Leistungen wie die Notfallversorgung nicht mehr zu gewährleisten wären, weil sich die Zahl der Präsenzapotheken verringern würde. Andere Wettbewerbsfaktoren wie die individuelle Beratung der Patienten vor Ort könnten den traditionellen Apotheken nämlich eventuell helfen, konkurrenzfähig zu bleiben. Es könnte sich sogar herausstellen, dass die Vor-Ort-Apotheken im Preiswettbewerb mit den Versandapotheken einen Anreiz hätten, mehr Leistungen im Allgemeininteresse wie die Herstellung von Rezepturarzneimitteln anzubieten, vermuten die Richter.

Da der EuGH nur über grenzüberschreitende Fragen entscheidet, bleibt die Preisbindung für deutsche Apotheken unan­getastet. |

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