Gesundheitspolitik

Masern-Streit: Impfgegner verschont

OLG Stuttgart: Impfgegner muss ausgelobte 100.000 Euro nicht zahlen

STUTTGART (dpa/az) | Im skurrilen Wettstreit um die Existenz von Masernviren wird ein Biologe und Impfgegner vom Bodensee nun doch nicht verpflichtet, einem Mediziner aus dem Saarland 100.000 Euro Belohnung zu zahlen. Diese Summe hatte er für den wissenschaftlichen Nachweis des Masernvirus ausgelobt. Und bei einer Auslobung hat der Auslobende letztlich die Fäden in der Hand, entschied am 16. Februar das Oberlandesgericht Stuttgart.
Foto: Hans R. Gelderblom, Freya Kaulbars. Kolorierung: Andrea Schnartendorff/RKI

Das Landgericht Ravensburg hatte den Impfgegner vor einem Jahr noch zur Zahlung der 100.000 Euro an den Arzt verpflichtet. Doch die Stuttgarter Richter gaben nun seiner Berufung statt. Allerdings nicht, weil sie an der Existenz des Virus zweifeln – darüber mussten sich die Juristen gar nicht auslassen. Es war eine „rein juristische Entscheidung“, betonte der Vorsitzende Richter des Oberlandesgerichts, Karl-Heinz Oleschkewitz.

Rein juristische Entscheidung

Es habe sich aber eben nicht um eine Wette oder ein Preisausschreiben des Impfgegners gehandelt, worauf der 31-jährige Mediziner reagiert hatte, begründete das Oberlandesgericht, sondern um eine Auslobung. Allein deren Formulierung sei der Knackpunkt. Denn bei einer Auslobung bestimme alleine der Auslobende die Regeln – und damit auch darüber, für welchen Beleg oder Nachweis er gegebenenfalls die Prämie bezahlt. Der 52-jährige Impfgegner hatte im Internet 100.000 Euro demjenigen versprochen, der ihm eine wissenschaftliche Arbeit liefere, mit der nicht nur die Existenz, sondern auch die Größe des Virus belegt werde.

Der Mediziner hatte den Eintrag im Internet gesehen, sich schriftlich vergewissert, dass er ernst gemeint war, und dann sechs wissenschaftliche Arbeiten eingereicht, darunter den Bericht über die Erstisolation des Masernvirus von 1954. Siegesgewiss schickte er gleich auch seine Kontonummer mit.

Biologe hätte mit Ablehnung rechnen können

Es war aber eben nicht die eine Publikation, die sowohl Existenz als auch Größe und Gefahr des Virus belege. „Sie hätten aber auch 600 einreichen können, er hätte keine akzeptiert“, sagte der Vorsitzende Richter des Oberlandesgerichts, Karl-Heinz Oleschkewitz. Der Biologe sei als Impfgegner bekannt, und sein Gegenüber hätte ahnen können, wie der Nachweis bewertet würde.

Impfgegner feiert Urteil

Der Impfgegner feierte das Urteil dennoch als Wendepunkt. „Es gibt keine krankmachenden Viren“. Die sechs eingereichten Publikationen fassten viele andere Fach­artikel zusammen – und keine könne Existenz, Größe und die krankmachende Wirkung der Viren nachweisen. Das Impfen gegen Masern und Viren generell habe daher keine wissenschaftliche Rechtfertigung. Zwar sei er mit dieser Meinung in der Minderheit, räumte er ein – „aber das war Einstein auch mit seiner Gravitationstheorie“. Aus seiner Sicht werden Masern beispielsweise durch eine Vergiftung oder aber durch psychosomatische Faktoren ausgelöst.

Eine Revision ist nicht zugelassen. Allerdings kann Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof gestellt werden. Ob der Mediziner diese einlegen wird, ließ er letzten Dienstag offen. Seiner Meinung nach sei dem Verfahren schon genug Aufmerksamkeit geschenkt worden.

Viele Masernfälle 2015

Nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) gab es 2015 in Deutschland so viele Masernfälle wie seit Jahren nicht mehr. 2465 Fälle sind dem Institut gemeldet worden. Vor allem in Berlin hatte es einen großen Ausbruch gegeben. Die Zahl der Fälle schwankt laut einer RKI-Sprecherin sehr. So registrierte das RKI im Jahr 2014 nur 442 Erkrankungen, 2012 sogar nur 165. Dazwischen, im Jahr 2013, waren es 1769. Auch im Jahr 2006 war die Zahl mit 2308 Fällen vergleichsweise hoch. |


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