Arzneimittel und Therapie

Wechseljahre beim Mann gibt es nicht

Ein Gastkommentar von Prof. Dr. Michael Zitzmann von der Deutschen Gesellschaft für Andrologie

Prof. Dr. Michael Zitzmann

Was ist ein Testosteron-Mangel und kommen Männer in die Wechseljahre? Diese Frage wird immer wieder diskutiert. Die Deutsche Gesellschaft für Andrologie weist darauf hin, dass ein Testosteron-Mangel beim Mann verschiedene Ursachen haben kann. Zum einen kann es sich um Hodenschädigungen handeln, zum anderen um Störungen der zentralen Steuereinheiten der Hoden und anderer endokriner Organe im Gehirn: der Hypophyse oder des Hypothalamus. Diese Männer weisen ein eindeutiges Testosteron-Defizit auf, das mit Beschwerden wie Erektionsstörungen, Libidoverlust, Antriebslosigkeit, Niedergeschlagenheit bis Depressivität, Verlust von Muskel- und Knochenmasse, Zunahme von Körperfett, Anämie und auch Insulin-Resistenz einhergeht. Die Indikation für eine Testosteron-Substitution wird auch in entsprechenden Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Urologie (EAU) eindeutig bejaht. Natürlich betreffen solche Ursachen des Testo­steron-Mangels auch ältere Männer.

Hypogonadismus behandeln

Zudem gibt es eine dritte Form des Testosteron-Mangels, die mit dem Alter und anderen Faktoren wie Übergewicht und einem allgemein schlechten Gesundheitszustand (bei chronischen Erkrankungen) zusammenhängt. Dazu gehören insbesondere Grunderkrankungen wie das metabolische Syndrom und Diabetes mellitus Typ 2. Das Beschwerdebild, das fälschlicherweise oft als „Wechseljahre des Mannes“ bezeichnet wird, betrifft etwa 2 bis 5% der Männer. Dabei handelt es sich um einen Kreislauf: Zum einen fördert ein zu niedriger Testosteron-Spiegel die Entstehung von Stoffwechselkrankheiten, zum anderen verstärken bereits bestehende Stoffwechselerkrankungen den Testo­steron-Mangel. Ein solcher Hypogonadismus stellt für die Gesundheit des Mannes ein Risiko dar. Fachgesellschaften empfehlen, bei Patienten mit Beschwerden genau hinzuschauen und bei einem klinischen Verdacht auf einen Hypogonadismus die Testosteron-Werte zu untersuchen.

Die Deutsche Gesellschaft für Andrologie sowie die European Association of Urology und die Deutsche Gesellschaft für Urologie stellen auch für diese dritte Form des Testosteron-­Defizits eine Behandlungsindikation einer Hormonersatztherapie in den Leitlinien fest. Als Kontraindikationen gelten Kinderwunsch (Testosteron-­Gaben unterdrücken die Spermienbildung) und unklare Prostataprozesse. Dabei gibt es nach wie vor keine Studie, die ein erhöhtes Risiko für die Prostata durch eine Testosteron-Gabe zeigt.

Die Testosteron-Ersatztherapie ist kein Allheilmittel. Allerdings kann die Gabe von Testosteron-Gelen oder -Depotspritzen die Gesundheit und das Wohlbefinden des Patienten deutlich unterstützen. Indem der Stoffwechselhaushalt auf hormoneller Seite in eine natürliche Balance gebracht wird, lassen sich auch andere gesundheitskritische Werte wie ein zu hoher Blutzucker besser behandeln. Studien haben gezeigt, dass ein Diabetiker, der begleitend unter einem unbehandelten Hypogonadismus leidet, früher stirbt, als ein Diabetiker mit einem behandelten Testosteron-Mangel. Ganz aktuell weist auch eine US-amerikanische Studie auf kardiovaskuläre Vorteile einer Testosteron-Ersatztherapie hin. Anders als bisher diskutiert, senkt demnach die Normalisierung der Testosteron-Werte bei Männern ohne vorhergehende kardiovaskuläre Ereignisse das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle und vermindert die Gesamtsterblichkeit.

Die zitierte randomisierte Studie von Snyder et al. bestätigt in ihrer Gesamtheit den positiven Effekt einer Testosteron-Ersatztherapie in Bezug auf sexuelle Parameter, aber auch auf Messwerte der Vitalität und körperlichen Leistungsfähigkeit. Bei der Analyse von Subgruppen wurde die Signifikanz schwächer. Warum diese Subgruppenanalyse in den Vordergrund gerückt wurde, bleibt unklar. Insgesamt ergaben sich innerhalb der relativ kurzen Behandlungsdauer von einem Jahr keine positiven oder negativen Hinweise in Bezug auf kardiovaskuläre Ereignisse. Insgesamt ist es wichtig, vor Beginn einer Testosteron-Ersatztherapie den Patienten über den Nutzen der Hormone, aber auch über Nebenwirkungen, wie mögliche Auswirkungen auf die Prostata oder die Fruchtbarkeit, aufzuklären. Die Diagnostik und Behandlung nach den Leitlinien der EAU gewähren einen verantwortungsvollen und erfolgversprechenden Umgang mit der Hormonersatztherapie für den alternden Mann, die bei Patienten mit einem entsprechenden Beschwerdebild, bei nachgewiesenem Hypogonadismus, nach Aufklärung und Risikoabklärung sowie mit begleitenden Verlaufskontrollen zum Tragen kommen kann.

Prof. Dr. Michael Zitzmann

Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Andrologie, Diabetologie und Sexualmedizin, Centrum für Reproduktionsmedizin und Andrologie am Universitätsklinikum Münster

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