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Arzneimittel und Therapie
Leitlinien-Update: Gichtarthritis
Die wichtigsten Empfehlungen auf einen Blick
Die Gichtarthritis ist die Folge eines zu hohen Harnsäure-Spiegels im Blut (Hyperurikämie) und tritt meist im Rahmen eines akuten Gichtanfalls als Monarthritis (nur ein Gelenk betroffen) mit ausgeprägter lokaler Entzündung und massiver Schmerzsymptomatik auf. Relativ häufig lokalisieren sich die Beschwerden am Großzehengrundgelenk und am Ellenbogengelenk. Spätfolgen der Gichtarthritis sind irreversible Destruktionen an Gelenken, Bändern und Sehnen.
Diagnostik
Der Goldstandard für die Diagnose einer Gichtarthritis ist die Gelenkpunktion und der Nachweis der Kristalle in der Polarisationsmikroskopie. Zur definitiven Diagnose der Gicht gewinnen bildgebende Verfahren wie die Arthrosonografie und die Dual Energy Computertomografie (DECT) an Bedeutung. Differenzialdiagnostisch sind neben der septischen Arthritis alle Monarthritiden (z. B. Lyme-Arthritis, Arthritis bei Morbus Bechterew) auszuschließen.
Therapie
Da die Gichterkrankung prinzipiell gut therapeutisch beeinflussbar ist und die Patienten von einer frühzeitigen Therapie profitieren, wird in den aktuellen Leitlinien der European League Against Rheumatism (EULAR) sowie in der neuen S2e-Leitlinie der DGRh eine dauerhafte, Harnsäure-senkende Behandlung bereits bei Diagnosestellung empfohlen und nicht wie bisher erst bei wiederholten Gichtanfällen. Zu den primären pharmakologischen Therapieoptionen des akuten Gichtanfalls zählen nach wie vor nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR), Colchicin und Glucocorticoide. Alternativ können neue pharmakologische Ansätze wie der Interleukin-1β-Antikörper Canakinumab in Betracht gezogen werden.
Neu ist die Gleichstellung der Urikostatika Allopurinol und Febuxostat als First-line-Therapie zur Harnsäure-Senkung. Febuxostat ist seit April 2010 in Deutschland zugelassen und stellt im klinischen Alltag insbesondere bei eingeschränkter Nierenfunktion eine Therapieoption dar. Einer aktuellen Studie zufolge kann im Gegensatz zur bislang gängigen Praxis im akuten Schub unverzüglich mit der Harnsäure-senkenden Therapie begonnen werden. Parallel dazu sollte eine medikamentöse Anfallsprophylaxe mit Colchicin (alternativ NSAR oder Glucocorticoide) in niedriger Dosierung für drei bis sechs Monate durchgeführt werden. Urikosurika (Stoffe, die die renale Harnsäure-Ausscheidung steigern) wie Benzbromaron und Probenecid sind von Bedeutung, wenn Urikostatika (Stoffe, die die Harnsäure-Bildung hemmen) nicht eingesetzt werden können oder nicht ausreichend Harnsäure-senkend wirken. Aufgrund des unterschiedlichen Wirkmechanismus ist eine Kombination von Urikostatika mit Urikosurika prinzipiell möglich. Kontraindiziert sind Urikosurika unter anderem bei fortgeschrittener Nierenfunktionseinschränkung, Nierensteinanamnese und vermehrter (endogener) Harnsäure-Produktion. Im Februar 2016 wurde der URAT1- Inhibitor Lesinurad von der europäischen Zulassungsbehörde (EMA) positiv bewertet und könnte bald die Wirkstoff-Palette erweitern. Bei schwerer tophöser Gicht steht Pegloticase als Reservemedikament zur Verfügung. Fenofibrat und Losartan erhöhen die Harnsäure-Ausscheidung, allerdings können aufgrund fehlender randomisierter Studien keine allgemein gültigen Empfehlungen gegeben werden.
Die bislang verfolgte Strategie der Krankheitsstabilisierung wird ersetzt durch das Bestreben, die Situation des Patienten deutlich zu verbessern. Als erklärtes Ziel gilt ein Harnsäure-Wert von ≤ 6 mg/dl. Bei kompliziertem Verlauf, unzureichendem symptomatischen Ansprechen oder chronischer Gicht kann auch eine Senkung unter 5 mg/dl sinnvoll sein. Das Erreichen des Zielwerts soll anfangs häufiger, später zumindest vierteljährlich kontrolliert werden. Unerlässlich ist das systematische Screening auf Komorbiditäten, da sich daraus spezifische therapeutische Konsequenzen ergeben können. Die Niere spielt eine entscheidende Rolle bei der Homöostase des Harnsäure-Spiegels und es wird vermutet, dass eine eingeschränkte Nierenfunktion mit dem gehäuften Auftreten von Gichtattacken assoziiert ist. Umgekehrt haben Patienten mit einem erhöhten Harnsäure-Spiegel ein größeres Risiko für eine Niereninsuffizienz. Darüber hinaus liegt eine starke Evidenz für die Assoziation zwischen Hyperurikämie und kardiovaskulären Komorbiditäten (z. B. koronare Herzkrankheit, Myokardinfarkt, Schlaganfall) vor. Da der Lebensstil einen entscheidenden Einfluss auf die Gichtarthritis hat, ist eine individuelle Schulung der Patienten über Ursachen und Verlauf der Erkrankung, die Notwendigkeit der regelmäßigen Medikamenten-Einnahme und eine gesunde Lebensweise zur Vorbeugung eines Gichtanfalls essenziell. |
Quelle
Gichtarthritis (fachärztlich). S2e- Leitlinie, herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh), AWMF-Register-Nr. 060/005, Stand April 2016
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