Foto: WavebreakMediaMicro - Fotolia.com

Management

Duzen in der Apotheke

Mehr Wir-Gefühl oder mangelnde Distanz?

Der saloppe Umgang untereinander ist nicht ganz neu. IKEA hat schon vor vielen Jahren das für Schweden übliche Du auf die deutschen Niederlassungen übertragen, auch in anderen Betrieben bieten die Inhaber der Belegschaft geschlossen das Du an. Barrieren, Hemmnisse und Hierarchien sollen aufgebrochen, ein „Wir-Gefühl“ soll geschaffen werden.

Ist das Du untereinander ein Beweis für erstklassige Atmosphäre in der Apotheke? Läuft die Zusammenarbeit besser, wenn jeder jeden duzt? Wo bleibt dann die nötige Distanz, die in schwierigen Situationen erforderlich ist? Oder ist es leichter, miteinander zu arbeiten und umzugehen, wenn eine gewisse Distanz wegfällt? Mitarbeiter meinen, dass man sich anders verhält, wenn man sich duzt, dass man dann direkter zum Kollegen ist. Aber ist das ­immer sinnvoll?

Das Du baut nur scheinbar eine Distanz ab und ist keine Aufforderung zum Schmusekurs. Lediglich die Umstellung vom Sie auf das Du macht anfangs auch ein Umdenken erforderlich. Das Sie muss nicht steif und spießig sein, sondern ist üblich in Deutschland, woran noch viele festhalten möchten. Das Du kann dazu führen, dass man sich etwas sagt, was es beim Sie nicht gegeben hätte – mit allen Vor- und Nachteilen.

Ein Du, untereinander leichtfertig angeboten und unüberlegt akzeptiert, bedeutet nicht automatisch Freundschaft. Zwar mag sich eine gewisse Vertrautheit einstellen, aber das sollte nicht überinterpretiert werden. Bei schwer aussprechbaren Namen oder Doppelnamen (z. B. Leutheusser-Schnarrenberger) tendiert man zum Vornamen in der Kombination mit Du. So sehr auch die „Duz-Welle“ in den Berufsalltag einbricht und im Trend liegt, das Du muss nicht das Betriebsklima verbessern, sich zu duzen ist einfach nur üblich. Die Anrede sollte nicht vom Alter abhängen, die Meinung, Jüngere duzen sich schneller, stimmt auch nicht immer. Und „Sie“ heißt nicht, dass das Klima schlecht ist.

Foto: WavebreakMediaMicro – Fotolia.com
„Könntest Du mir bitte helfen?“ hört sich vertraut an, kann aber auch zu viel Distanz abbauen. Das „Du“ anzubieten will manchmal gut überlegt sein.

Das Du zum Chef wirkt anders, als wenn sich die Kollegen untereinander duzen. Es kann das Aufweichen der Hierarchie bedeuten, mehr Mitspracherecht bei Entscheidungen, größere Nähe zum Vorgesetzten. Es ist womöglich für den Apothekenleiter nicht leicht, lästige oder unangenehme Arbeitsaufträge an Mitarbeiter zu verteilen, mit denen er per Du ist. Denn wer seinen Chef duzt, wird vielleicht eher versuchen, eine Diskussion vom Zaun zu brechen, um die Arbeit doch noch irgendwie von sich abzuwenden.

Problematisch ist, wenn der Apothekenleiter einzelne Mitarbeiter duzt, aber nicht alle. Eine solche Insellösung wird oft als ungerecht empfunden, andere Mitarbeiter fühlen sich zurückgesetzt. Eine Möglichkeit wäre, dass der Chef sich mit den Mitarbeitern, mit denen er vertrauter ist, nur im privaten Umgang duzt und sie ansonsten siezt.

Vor- und Nachteile des Duzens
Vor- und Nachteile des Siezens
Vorteile:*
  • Schafft Vertrautheit und Intimität
  • Baut Distanzen oder Hemmschwellen ab
  • Fragen gegenüber Vorgesetzten werden unbeschwerter gestellt
  • Schnellere Integration, unabhängig vom Alter oder der Nationalität
  • Partnerschaftliches Klima kann zu besseren Arbeitsergebnissen führen
Vorteile:*
  • Wirkt respektvoller und diskreter
  • Unterstützt ein freundlich-­distanziertes Miteinander
  • Erschwert das Äußern negativer Emotionen (Beispiel: „Sie Angeber“ statt „Du Angeber“)
Nachteile:*
  • Respektvolles Miteinander kann erschwert werden
  • Vertrautheit kann suggeriert werden, obwohl sie gar nicht gelebt wird
  • Neigung, private Dinge am Arbeitsplatz zu thematisieren
  • Gefahr einer plumpen Vertraulichkeit (Beispiel: „Na, hast du abgenommen?“)
Nachteile:*
  • Bei uneinheitlicher Praxis – wenn der Chef einige Mitarbeiter duzt, andere siezt – kann die Botschaft lauten, dass er mit dem einen besser als mit dem anderen klarkommt
  • Wirkt ablehnend (kontextab­hängig)
  • Kann steif und altmodisch wirken
  • Vorgesetzte werden dadurch nicht automatisch zu Autoritätspersonen
Fazit:
  • Duzen hat nichts mit dem Betriebsklima zu tun
  • Vom Sie zum Du geht’s schnell, der Weg zurück ist schwierig
  • Vorgesetzte duzen alle oder niemanden (keine Insellösung)
  • Das Du wird nicht mit dem Spitznamen verbunden (nicht Lilli, sondern Elisabeth)

*Quelle: David Wolf, Redakteur bei „Business Wissen“, Karlsruhe

Wird ein Kollege gegen seinen Willen geduzt, kann er sich in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt fühlen. Ungewolltes Duzen stellt rechtlich keine Beleidigung dar. Dies wäre erst der Fall, wenn die Anredeform gewählt wird, um die Würde eines Mitarbeiters zu verletzen. Im Rahmen der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers müssen die Interessen des Arbeitnehmers berücksichtigt werden. Ist eine bestimmte Anrede fester Bestandteil im Unternehmen und gehört sie zur Unternehmenskultur, zählt das Interesse des Arbeitgebers an der Aufrechterhaltung der betrieblichen Gewohnheiten.

Übrigens: Wer kann es sich leisten, das Angebot des Kollegen oder gar des Chefs zum Du abzulehnen, selbst mit der höflichen Begründung: „Danke für das Du, aber ich finde das Sie besser.“ Ein Du abzulehnen will überlegt sein, weil es den Anbieter „beleidigt“.

Das „Du“ vor Kunden

Häufig wird deutlich zwischen der internen und externen Anrede unterschieden. Nicht alle, die sonst per Du sind, duzen sich vor Kunden untereinander. Vielfach bleibt es beim Sie, aber mit Vornamen verbunden: „Sabine, bitte kommen Sie mal.“ Die Sie-Ansprache mit dem Vornamen zu verbinden ist eine Kompromisslösung zwischen förmlicher und lockerer Ansprache. Spricht der Apothekenleiter in Abwesenheit eines Mitarbeiters zum Kunden, dann meist auch in der Sie-Form: „Dann hatten Sie mit Frau Mustermann gesprochen“ und nicht „Da hatten Sie mit der Angelika gesprochen“. Mitarbeiter beobachten genau, wie der Vorgesetzte über sie zu Kunden spricht. „Das war unsere Frau Mustermann“ hört sich so an, als wäre sie ein sehr wichtiger Bestandteil der Apotheke.

Spitznamen oder Abkürzungen wirken intern zu persönlich und auf Kunden unprofessionell. So sollte es bei Beate bleiben (nicht Bea), bei Isabelle (nicht Isi), bei Caroline (nicht Caro). Abgekürzte Vornamen sind im privaten, vertraulichen Kreis üblich – nicht im Berufsleben.

Situationsabhängiges Duzen

Es gibt Situationen, in denen die Grenzen zwischen Duzen und Siezen aufgehoben bzw. verschoben werden. So ist es durchaus üblich, dass Personen, die im ungezwungenen sozialen Kontakt per Du sind, sich im offiziellen Sprachverkehr siezen, insbesondere, wenn diese Gespräche vor Kunden geführt werden. Auch führt die Benutzung des Du auf einer privaten Feier oder einer Betriebsfeier nicht zwangsläufig zum offiziellen Du. |

Rolf Leicher, Kommunikationstrainer, Oberer Rainweg 67, 69118 Heidelberg,
autor@deutsche-apotheker-zeitung.de

Das könnte Sie auch interessieren

Kommentar

We are family

Wie Sie Anrufe von Kunden entgegennehmen sollten

Richtig telefonieren

Den Rollentausch erfolgreich in die Praxis umsetzen

Vom Teammitglied zur Chefin

Anerkennung motiviert mehr als eine Prämie

Loben Sie – auch wenn es schwerfällt

Tipps von ADEXA: So können Sie sich wehren

Mobbing am Arbeitsplatz

Teil 3: Erfolgskonzept Kaminaufstieg

Wer ist hier der Boss?

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.