Management

Bewaffneter Raubüberfall

Im Ernstfall richtig reagieren

Jede* hat Angst davor – zum Glück geschieht es recht selten: Ein Überfall in der Apotheke, der Täter fordert Geld oder Medikamente oder beides. Das Geschehen hinterlässt unter Umständen ein traumatisiertes Team, fast immer sind wir unvorbereitet und können nicht mit der Situation umgehen. Was hilft? Von Ute Jürgens
Für meine Recherchen besuchte ich das Präventionszentrum der örtlichen Polizei Bremen. In größeren Städten finden übrigens öfter Seminare für den Einzelhandel zum Thema Raubüberfall statt, nutzen Sie dieses Angebot!

Dank guter Vorbereitung besser gefeit

Es ist sinnvoll, zumindest einige der Angestellten für den Ernstfall zu schulen, diese können danach ihr Wissen weitergeben. Es reicht auch nicht aus, nur einmal diesen Beitrag in der AZ zu lesen, besser ist, sich die Situationen vorzustellen und das eigene Handeln darin zu sehen. Optimal: Sie trainieren das Ganze analog zu einem Verkaufstraining mit verteilten Rollen im Team, sodass in einer entsprechenden Lage niemand mehr überlegen muss, was zu tun ist, sondern ruhig und besonnen handelt.

Prävention

  • Achten Sie vor dem Betreten der Apotheke auf verdächtige Personen und Fahrzeuge im Umfeld.
  • Achten Sie auch vor dem Verlassen der Apotheke auf das äußere Umfeld.
  • Achten Sie auf verdächtige „Kunden“, die die Örtlichkeit und Zeitabläufe aus­spähen wollen.
  • Vermeiden Sie alleinigen Aufenthalt im Außenbereich (z. B. in Pausen, zur Müll­entsorgung etc.), damit der Täter sich nicht mit Ihnen in den Nebeneingang hineindrängeln kann.
  • Sorgen Sie für Übersichtlichkeit und ausreichende Beleuchtung im Außenbereich.
  • Wenn Sie Geld zur Bank bringen, verstauen Sie es uneinsehbar für andere in einer Tasche, bevor Sie die Apotheke verlassen.
  • Zählen Sie Geld nur hinter verschlossenen Türen und sorgen Sie dabei für Einblickschutz von außen.

Weitere vorbeugende Maßnahmen: Lassen Sie nur Wechselgeld in der Kasse und nehmen Sie alles andere gegebenenfalls mehrfach täglich unauffällig mit nach hinten in den Tresor. Dieser sollte nicht den ganzen Tag offen stehen, sondern nach Gebrauch immer wieder abgeschlossen und der Schlüssel abgezogen werden. Bei einem Überfall kann dann eine Mitarbeiterin z. B. angeben, dass der Schlüssel beim Chef und dieser gerade unterwegs ist, oder die Kollegin vor einer Stunde alles zur Bank gebracht hat. So etwas sollten Sie vorher absprechen, damit nicht eine aus dem Team nach hinten läuft, um Geld zu holen, und die andere Kollegin gleichzeitig vorne beteuert, es wäre nichts da. Das kommt bei einem unter Hochspannung stehenden Räuber nicht gut an …

Technische Hilfsmittel wie Videoüberwachung und Alarmschalter sind äußerst sinnvoll, wenn sie richtig angebracht sind, lassen Sie sich von Fachleuten beraten. Jede Mitarbeiterin sollte genau darüber informiert sein, damit sie sich entsprechend positionieren kann.

Foto: Monet – Fotolia.com
Kameras in der Apotheke können abschreckende Wirkung haben, skrupel­lose Räuber schrecken sie nicht ab. Gut, wenn man im Fall der Fälle weiß, was man zu tun hat.

Am besten ist die Offizin übersichtlich gestaltet, so können Passanten eventuell erkennen, was innen vorgeht, und ein Räuber kann sich nicht hinter Aufstellern verstecken und präparieren – damit wird das Ganze etwas unbequemer für potenzielle Täter. Bringen Sie an auffälligen Stellen größere Schilder an, die auf Videoüberwachung und Alarmanlage aufmerksam machen, ob vorhanden oder nicht. Auch dies lässt „Interessenten“ zögern.

Und wenn es doch passiert …

Vermeiden Sie jede Art von Eskalation. Auch der Täter steht unter großer Anspannung. Sie sind das Hindernis bei der Tatausführung. Vom Gebrauch von Pfefferspray wird abgeraten, es reizt nicht nur die Schleimhäute, sondern auch die Nerven und die Geduld des Räubers. Bleiben Sie ruhig und sachlich, damit er sich nicht bedroht fühlt und prophylaktisch oder kurzschlussartig zu körperlicher Gewalt übergeht. Je besser Sie den Ernstfall geprobt haben, desto besser gelingt es Ihnen, sich zu erinnern und die Sicherheit so gut wie es geht zu bewahren.

Ein Beispiel: Müssen Sie ausgerechnet jetzt in der Schocksituation erst einmal überlegen, wie Sie die Kasse am besten öffnen? Das wäre etwas unpraktisch, das normale Denken ist hier häufig blockiert. Ist die Schublade noch offen, unterdrücken Sie den Reflex, sie schnell zuzuknallen. Das Handeln lernen Sie nur beim schrittweisen Üben, nicht bei allgemeinem Überlegen, „was man so macht und machen sollte“.

Tun Sie einfach, was der Täter sagt, nichts anderes. Erklären Sie Bewegungen, die für ihn unklar oder zweideutig sind. Wenn Sie sich bücken: „Ich gebe Ihnen eine Tasche“, wenn Sie sich umdrehen, um den Kassenschlüssel aus einem Fach zu suchen: „Ich hole den Kassenschlüssel“ usw. Weisen Sie den Täter im Voraus auf Dinge hin, die ihn erschrecken könnten, zum Beispiel auf das, was hinter ihm geschieht, wie eintreffende Kunden, Lieferanten etc. Das Gros der Überfälle findet übrigens kurz vor Betriebsschluss oder -beginn statt. Daher ist es besser, wenn niemand alleine arbeitet.

Während eines Raubüberfalls

  • Bleiben Sie möglichst ruhig und höflich. Nehmen Sie den Täter ernst.
  • Leisten Sie keine Gegenwehr.
  • Hören Sie aufmerksam zu.
  • Befolgen Sie die Anweisungen. Vermeiden Sie hastige Bewegungen.
  • Halten Sie Ihre Hände gut sichtbar. Benutzen Sie keine Waffen.
  • Prägen Sie sich die Täter­beschreibung ein.
  • Lassen Sie die Fluchtwege frei.

Schutz von Leben und Gesundheit hat Vorrang

Manche Täter sind sehr gut informiert. Wenn Sie diesen Eindruck haben, tun Sie nicht so, als ob kein Schlüssel, Tresor etc. vorhanden wäre. Sind Sie im Backoffice und der Räuber steht am HV-Tisch, dann bleiben Sie hinten. Jede weitere Person bedeutet Stress für den Räuber, weil er noch mehr im Auge behalten muss. Setzen Sie nur lautlose Alarmanlagen in Gang, sonst besteht die Gefahr der Geiselnahme.

Prägen Sie sich während des ganzen Geschehens das Aussehen des Täters gut ein, achten Sie auf Besonderheiten in Sprache und Bewegung.

Nach dem Überfall

  • Erste Hilfe für Verletzte leisten.
  • Polizei über Notruf 110 verständigen.
  • Wer meldet? Was ist passiert? Wo ist es passiert? Wann ist es passiert?
  • Zeugen bitten, auf die Polizei zu warten.
  • Mit den Überfallopfern sprechen, an einem ruhigen Ort zuhören.
  • Hilfe organisieren (Chef, Angehörige etc.).
  • Geschäftsbetrieb ggf. einstellen, Tür abschließen.
  • Sofort ein Gedächtnisprotokoll anfertigen, jede getrennt nach ihren eigenen Beobachtungen ohne vorherigen Abgleich, Diskussion oder laute Überlegungen, was die Formulierung angeht.

Danach ist alles anders

Nicht selten entsteht eine posttraumatische Belastungsstörung, die unbehandelt noch jahrelang zu Beeinträchtigungen bis hin zur Arbeitsunfähigkeit führen kann. Körperliche Unversehrtheit heißt also noch lange nicht: Alles gut gelaufen, weiter wie gehabt und jede funktioniert wie gewohnt. Informieren Sie daher unverzüglich Ihre Berufsgenossenschaft (BGW), das Ganze gilt mit oder ohne körperliche Schäden als Arbeitsunfall. Mitglieder bekommen zeitnah und kostenlos Unterstützung. Dazu gehören Gespräche mit speziell geschulten Psychologen, die den Betroffenen bei der Verarbeitung des Geschehens helfen.

Manchmal merkt man erst nach Wochen, dass nun doch Hilfe notwendig ist. Auch dann noch können Sie die Unterstützung der BGW in Anspruch nehmen, wenn frühzeitig eine Meldung des Überfalls erfolgt ist.

Direkt nachdem der Täter die Apotheke verlassen hat, informieren Sie die Polizei. Eine gute Spuren­sicherung kann natürlich nur er­folgen, wenn Sie die Apotheke ganz schließen oder vorübergehend durch die Nachtdienstklappe weiterarbeiten. Fassen Sie möglichst wenig an und widerstehen Sie dem Drang, aufzuräumen oder sauberzumachen. Ein Gedächtnisprotokoll (siehe Kasten rechts oben) hilft der Polizei genauso wie Ihnen selbst – eventuell müssen Sie Monate später vor Gericht als Zeuge aussagen. Der Verteidiger wird sein Möglichstes tun, Sie in Widersprüche zu verstricken, zu verunsichern und als unzuverlässige Quelle darzustellen. Das ist seine Aufgabe. Sie können sich dann auf Ihr Protokoll berufen und sagen: „Ich habe mir hier notiert, dass …“ Bleiben Sie dabei und machen Sie klare Aussagen, ohne Ihre Sprache durch „eigentlich“, „vielleicht“, den Konjunktiv und dergleichen zu verwässern.

Haben Sie bemerkt, dass der Täter sich irgendwo aufgestützt oder etwas angefasst hat? Üben Sie das Beobachten und Protokollschreiben vorher mit den Kolleginnen als Täter, auch das gehört dazu.

Auf DAZ.online können Sie einen Vordruck für ein Gedächtnisprotokoll downloaden, den uns freundlicherweise das Präventionszentrum der Polizei Bremen zur Verfügung gestellt hat. Klicken Sie hier: Webcode A9FF9. Wenn Sie einen Ausdruck davon im QM-Ordner abheften, haben Sie ggf. gleich eine Kopiervorlage zur Hand.

Im QM-Ordner notiert man am besten die Mitgliedsnummer der Apotheke bei der BGW sowie Telefonnummer und Mailadresse der zuständigen Regionaldirektion – im Ernstfall haben wir anderes zu tun, als nach lange nicht gebrauchten Unterlagen zu suchen. Bei Beratungsbedarf melden Sie sich bei Ihrer zuständigen Polizeiberatungsstelle oder der Berufsgenossenschaft. Ihre Beratung vor Ort finden Sie unter www.polizei-beratung.de, weitere Informationen finden Sie online bei Ihrer zuständigen Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (www.bgw-online.de) und bei der Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik (www.bghw.de) unter dem Stichwort Raubüberfall. |

Ute Jürgens

Ute Jürgens ist Kommunikationstrainerin mit Spezialisierung auf die Heilberufler, Dipl. Erwachsenenpädagogin und PTA, www.kommed-coaching.de


* Da die überwiegende Anzahl der Apothekenmitarbeiter weiblich ist, schreibe ich in der weiblichen Form. Männliche Kollegen dürfen sich gerne mit angesprochen fühlen.

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