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Baldriparan-TV-Spot verspricht zu viel
„1 Dragee am Abend“ – nur eine Dosisangabe oder ein Versprechen für schnelle Wirksamkeit?
Die Wettbewerbszentrale war juristisch gegen Pfizer Consumer Healthcare vorgegangen, weil sie meinte, der umworbene Verbraucher gehe aufgrund der Werbeaussage „1 Dragee am Abend“ irrigerweise davon aus, dass bereits mit der Einnahme eines Dragees ein schlaffördernder, beruhigender Wirkerfolg erzielt werden könne. Tatsächlich bedürfe es dafür aber einer zwei- bis vierwöchigen Vorlaufzeit, während derer jeden Abend ein Dragee einzunehmen ist. Pfizer hielt dem entgegen, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bei der Verlängerung der Zulassung von Baldriparan im Jahr 2012 die Aussage „1 Dragee am Abend“ auf der Faltschachtel genehmigt habe.
Nun hat das Landgericht Berlin der Wettbewerbszentrale in erster Instanz teilweise Recht gegeben. Den Claim auf der Packung selbst ließen die Richter durchgehen. Dabei stellen sie zunächst fest, dass das BfArM tatsächlich keinen Einwand gegen die Aussage auf der Umverpackung hatte. Doch das Gericht sei an die Zulassungsentscheidung des BfArM nicht gebunden, soweit es um die Frage der wettbewerbsrechtlichen Irreführung gehe. Und so prüfen die Richter, ob die Gefahr besteht, dass Verbraucher über die Stärke der Wirkung nach der Einnahme eines ersten Dragees in die Irre geführt werden, wenn sie nur die Verpackung sehen. Ihr Ergebnis: Nein. Denn ein Verbraucher, der unter Schlafstörungen leidet, werde sich über die infrage kommenden Medikamente informiert haben und erkennen, dass es sich bei „Baldriparan“ um ein pflanzliches Beruhigungsmittel handelt. Die Angabe „1 Dragee am Abend“ sei nur ein Hinweis auf die übliche Dosierung. Sie sei für einige Verbraucher sinnvoll – nicht zuletzt weil Konkurrenzpräparate oft die Einnahme von mehreren Tabletten täglich vorsehen. Dass das Medikament bereits nach seiner ersten Einnahme seine volle Wirkung entfalte, sei weder dem Beipackzettel noch der Gestaltung der Umverpackung zu entnehmen, heißt es im Urteil. Der Beipackzettel stelle sogar das Gegenteil klar.
Bild anders zu werten als Film
Auch in Bezug auf die Werbung mit einem Bild, das eine schlafende Person unter Einblendung der Vorderseite der Faltschachtel und eines roten Punktes mit der Schrift „1 Dragee am Abend“ zeigt, wies das Landgericht die Klage ab. Dem Bild sei nicht mehr zu entnehmen, als dass die schlafende Person am Nachttisch eine Schachtel Baldriparan neben einem Blumenstrauß stehen hat, also mithilfe eines pflanzlichen Medikaments schläft. Zur Wirkungseffizienz nach Einnahme der ersten Tablette lasse sich daraus nichts herleiten.
Anders wertete das Gericht jedoch den TV-Werbespot – er sei in puncto Wirkungseffizienz tatsächlich irreführend. Entscheidend ist hier aus Sicht der Richter, dass es sich um einen kurzen (etwa 22 Sekunden) Werbefilm handelt, den der Verbraucher in der Regel nicht völlig konzentriert wahrnimmt. Als Schwerpunkt bleibe bei dem Spot, der mit den Worten „Gut ein- und durchschlafen“ eingeleitet wird, hängen, dass mit „Baldriparan Stark für die Nacht“ eine schnelle Wirkung zu erzielen ist. Gezeigt wird eine ruhig schlafende Person. Dazu könne die Ansage „… hilft dabei mit einem Dragee am Abend“ unter der optischen Hervorhebung des roten Punkts mit dem Text „1 Dragee am Abend“ „zwanglos so verstanden werden, dass der abgebildete Effekt des ruhigen Schlafs mit einem Dragee am Abend erreicht werden kann“. Die nächste Ansage „Der hochkonzentrierte Baldrian“ verstärke diesen Eindruck nach dem Motto „viel hilft viel“, so das Gericht.
Das Element „1 Dragee am Abend“ werde durchgehend mit der guten und effizienten Wirkungsweise des Medikaments und dem Versprechen eines guten Ein- und Durchschlafens in Zusammenhang gestellt und daher vom TV-Zuschauer auch darauf bezogen, so das Gericht. Irgendein Hinweis, dass sich „1 Dragee am Abend“ nur auf die übliche Dosierung beziehen soll und dass sich die Wirkung des Medikaments erst allmählich aufbaut, sei dem Werbespot dagegen nicht zu entnehmen. Der fernsehende Verbraucher sei typischerweise durch weitere TV-Inhalte abgelenkt, sodass er keinen Grund mehr habe, den Spot zu rekapitulieren und zu hinterfragen. |
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