DAZ aktuell

Nationales Recht versus EU-Recht

Aktuelles Urteil des Europäischen Gerichtshofs

ks/ral | In Rumänien dürfen nur Tierärzte Tierarzneimittel im Einzelhandel vertreiben. Die Dritte Kammer des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hält dies für europarechtskonform, wie aus einem aktuellen Urteil hervorgeht. Bei der Begründung legte das Gericht Maßstäbe beim Gesundheitsschutz an, die an die Zeit vor dem Urteil zur Rx-Preisbindung erinnern. (Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 1. März 2018, Rs. C-297/16)

Der EuGH hat unlängst erneut mit der Frage befasst, wie weit nationale Regelungen zum Schutz der Gesundheit gehen dürfen, um nicht mit dem Europarecht zu kollidieren. Konkret ging es um Vorschriften für Tierärzte im Rumänien. Nach rumänischem Recht ist der Einzelvertrieb von Tierarzneimitteln ausschließlich Tierärzten vorbehalten. Auch darf hinter Veterinärapotheken und Veterinärpharmaziegeschäften, die Tierärzte für diesen Einzelvertrieb organisieren, nur von Tierärzten gehaltenes Kapital stehen – es gibt also ein Fremdbesitzverbot.

2015 hob die rumänische Behörde für Tiergesundheit und Lebensmittelsicherheit per Erlass Regelungen aus der Tierschutzverordnung auf. Diese sahen im Wesentlichen vor, dass der­jenige, der eine Erlaubnis zum Betrieb einer Veterinärapotheke oder eines ­Veterinärpharmaziegeschäfts erhalten wollte, bei der Behörde ein Dossier einreichen musste. Die rumänische Tierärztekammer klagte gegen diesen Erlass. Sie sah dadurch das Fremdbesitzverbot nicht mehr sichergestellt.

Das Gericht in Bukarest, das mit dem Fall befasst ist, entschied sich, dem EuGH zwei Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen. Zum einen wollte es grundsätzlich wissen, ob es mit Unionsrecht vereinbar ist, wenn Tierärzten durch ein nationales Gesetz die ausschließliche Befugnis zum Einzelvertrieb von Tierarzneimitteln übertragen wird. Falls der EuGH diese Frage bejahen sollte, wollte das rumänische Gericht überdies wissen, ob es dem Unionsrecht entgegensteht, wenn Einrichtungen, durch die der besagte Vertrieb erfolgt, überwiegend oder ausschließlich im Eigentum von Tierärzten stehen müssen.

Wertungsspielraum beim Gesundheitsschutz

Die Dritte Kammer des EuGH prüfte die nationalen Regelungen anhand der EU-Dienstleistungsrichtlinie (RiLi 2006/123/EG). Ohne zu tief in diese Richtlinie einzutauchen: Letztlich geht es bei der Prüfung darum, ob eine ­Regelung nicht diskriminierend und zur Verwirklichung eines zwingenden Grundes des Allgemeininteresses erforderlich und verhältnismäßig ist. Bei der ersten Frage kommt der EuGH zu dem Schluss, dass die Richtlinie dem Tierarzt-Vorbehalt für den Einzelvertrieb nicht entgegensteht. Die Regelung sei zunächst nicht diskriminierend, da sie gleichermaßen für rumänische Tierärzte und in Rumänien tätige EU-­Bürger mit entsprechendem Tierarzt-Diplom/Zeugnis gilt. Zudem diene sie dem Schutz der öffentlichen Gesundheit. Damit sei zu rechtfertigen, dass Maßnahmen ergriffen werden, mit denen eine sichere und qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sichergestellt werden soll.

Bemerkenswert ist, dass das Gericht auf EuGH-Rechtsprechung abhebt, die vor dem Urteil der Ersten Kammer vom 19. Oktober 2016 zur Rx-Preisbindung ergangen ist – etwa die Apothekenurteile zum Fremdbesitz und zur Krankenhausversorgung, sowie solche zu italienischen Apotheken-Fragen. Das aktuelle Urteil führt aus, es sei vom Gerichtshof anerkannt, dass eine Anforderung, die darauf abzielt, den Vertrieb von Arzneimitteln bestimmten Fachleuten vorzubehalten, gerechtfertigt sein kann. Die Dritte Kammer kommt zu dem Ergebnis, dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, zu bestimmen, auf welchem Niveau sie den Gesundheitsschutz gewährleisten wollen und wie dieses Niveau erreicht werden soll. Damit hebt sie sich deutlich von der Argumentation der Ersten Kammer im Rx-Preisbindungsurteil ab.

Das in der zweiten Frage thematisierte Fremdbesitzverbot hält das Gericht jedoch nicht für europarechtskonform. Tierärzte hätten auch dann die nötige Kontrolle, wenn Nicht-Tierärzte einen begrenzten Anteil am Kapital halten. Die Richter führen hierzu jedoch aus, dass der Wertungsspielraum der Mitgliedstaaten bei Tierarzneimitteln ­enger sei als in Bereichen, die die menschliche Gesundheit betreffen. |

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