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Alle gut vorbereitet für securPharm?

BfArM-Dialog zu Arzneimittelfälschungen

hb | Der Tag X zur Umsetzung von securPharm als Baustein des europäischen Netzwerks gegen Arzneimittelfälschungen in der legalen Lieferkette rückt näher. Mit einer Dialogveranstaltung hat sich das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) am 8. Mai 2018 des Themas angenommen. Rund 200 Fachleute aus Behörden, Politik und der pharmazeutischen Industrie diskutierten über die letzten Umsetzungsschritte der Fälschungsschutzrichtlinie. Die Pharmaunternehmen halten sich im Großen und Ganzen für gut vorbereitet, aber gilt das auch für die deutschen Apotheken? Einige Experten bei der Dialog-Veranstaltung gaben sich diesbezüglich skeptisch.
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700 Millionen Arzneimittelpackungen in Deutschland müssen ab Februar 2019 den neuen Data-Matrix-Code tragen.

Allein in Deutschland sind mehr als 700 Millionen Arzneimittelpackungen pro Jahr von den neuen Sicherheitsmaßnahmen betroffen, die nach der europäischen Fälschungsschutz-Richtlinie (FMD) ab dem 9. Februar 2019 gelten. Europaweit sollen es 10,5 Milliarden Packungen sein, berichtete der Geschäftsführer der European Medicines Verification Organisation Andreas Walter. Bei der EMVO laufen alle Fäden zur Absicherung der legalen Lieferkette von Arzneimitteln in Europa über den „EU Hub“ zusammen. Am Ende sollen rund 2300 Hersteller und viele Tausend Apotheken über 29 nationale Systeme an das European Medicines Verification System (EMVS) angebunden sein. Walter ist zuversichtlich, dass alle Systeme rechtzeitig am EU Hub hängen werden. Den deutschen Baustein securPharm lobte er als „Klassenprimus“.

AMIS zeigt, was fälschungs­gesichert sein muss

Der Anwendungsbereich der FMD erstreckt sich auf rezeptpflichtige Arzneimittel, sofern diese nicht explizit ausgenommen sind („white list“). Demgegenüber dürfen OTC-Arzneimittel keine Sicherheitsmerkmale tragen, es sei denn, sie sind aufgrund eines festgestellten Fälschungsrisikos ausnahmsweise hierfür gelistet („black list“). Die white list enthält Gruppenausnahmen für z. B. homöopathische Arzneimittel, medizinische Gase, bestimmte Infusionslösungen, Kontrastmittel etc.. Welche Arzneimittel die Merkmale tragen müssen und welche nicht, kann über das Arzneimittel-Informationssystem des Bundes (AMIS) recherchiert werden. Hier findet sich dann z. B. für ein Präparat mit Ibuprofen 600 mg folgender Eintrag unter „AM-Klassifikation“: Sicherheitsmerkmal Pflicht „Verschreibungspflichtiges Arzneimittel (Rx), das die Sicherheitsmerkmale nach Artikel 54 Buchstabe o der Richtlinie 2001/83/EG und der Delegierten VO (EU) 2016/161 tragen muss“.

Viel investiert

Die Pharmaunternehmen haben nach den Schilderungen von Industrievertretern viel investiert, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden. Chargen, die keinen Unique Identifier und keine Vorrichtung gegen Manipulation (Anti-tampering device) tragen, dürfen nach dem Stichtag nicht mehr für das Inverkehrbringen freigegeben werden. Außerdem müssen die Produktdaten rechtzeitig in die Hersteller-Datenbank hochgeladen werden, damit sie beim Auslesen in der Apotheke erkannt werden. Das ist nach den Erfahrungen der Firmen keineswegs so trivial, wie es zunächst scheinen mag. „Wer als Hersteller sein System nicht im Griff hat, hat ein echtes Problem, denn die Ware ist nicht verkehrsfähig“, betonte Dr. Stephan Schwarze, der bei der Bayer AG verantwortlich in die Umsetzung der Prozesse involviert ist.

Anbindung der Nutzergruppen schleppend

Während die Errichtung der nationalen Datenbanken ganz gut funktioniert, ist die Anbindung der Nutzergruppen in den Ländern, das heißt, der Hersteller, Großhändler und der Apotheken inklusive der Krankenhausapotheken und anderer Abgabestellen europaweit immer noch eine große Herausforderung. Dies berichtete die stellvertretende Leiterin der Generaldirektion Gesundheit bei der Europäischen Kommission Dr. Agnes Mathieu-Mendes. „Dabei ist der 9. Februar 2019 fast morgen“, mahnte die EU-Beamtin, eine Einschätzung, die viele andere Experten bei der BfArM-Tagung teilten.

Umsetzung in den Apotheken

Skeptisch äußerten sich einige Experten auch hinsichtlich der Vorbereitungen in den deutschen Apotheken. Zum Hintergrund: Zwar haben seit 2013 bereits fast 400 Apotheken erfolgreich am Testbetrieb von securPharm teilgenommen, aber die Umsetzung in der Fläche lässt noch auf sich warten. Genau ein Jahr vor dem Stichtag hatte die ABDA an die Apotheken appelliert, notwen­dige Hardware-Anpassungen und Software-Aktualisierungen in die Wege zu leiten und den Zeitplan für die Umsetzung im laufenden Jahr festzulegen. Zur Anbindung an securPharm über die Netzgesellschaft Deutscher Apotheker (NGDA) müssen sich die Apotheken durch das N-Ident-Verfahren zur Ausstellung des N-ID-Zertifikats authentifizieren. Das Anmeldeportal zum N-Ident-Verfahren wurde am 3. April 2018 freigeschaltet. Seit dem 7. Mai 2018 können Inhaber eines N-Ident-Accounts ihre Betriebsstätten im Portal anlegen.

Was passiert in den Apotheken ab dem 9. Februar 2019?

Wie auch immer der „Endspurt“ der deutschen Apotheken verlaufen mag, ab dem 9. Februar nächsten Jahres muss in der Offizin jede Packung eines rezeptpflichtigen Arzneimittels vor der Abgabe aus der Datenbank, in der die Seriennummern aller Produkte abgelegt sind, ausgelesen werden. Arzneimittelchargen, die bei den Herstellern noch vor dem Stichtag ohne Sicherheitsmerkmal freigegeben wurden, können weiterhin abverkauft werden.

Erscheint beim Scannen einer Packung eine „rote Ampel“ so darf zunächst einmal nicht abgegeben werden. Sie muss von der Verkaufsware separiert und für den Patienten muss ein Ersatz besorgt werden. Dann muss der Fall untersucht werden, um festzustellen, ob es sich um einen Fehlalarm handelt, etwa durch eine falsche Handhabung des Systems beim Hersteller (z. B. durch eine fehlende oder falsche Serialisierung) oder in der Apotheke, oder ob ein Verdacht auf eine Fälschung besteht oder eine Fälschung vorliegt. Nur in den beiden letztgenannten Fällen ist eine Behördenmeldung erforderlich, wobei die Apotheken solche Fälle wie bisher an die zuständige Landesbehörde oder an die Arzneimittelkommission melden.

Die Experten von securPharm, aus der Industrie und den Behörden rieten den Apotheken dringend dazu, eine prak­tische Übungsphase vor dem Stichtag mit einzuplanen, da vor allem in der Anfangszeit noch mit Fehleranfälligkeiten gerechnet werden müsse.

BfArM und PEI beurteilen Verdachtsfälle

Beim Risikomanagement bezüglich Arzneimittelfälschungen kommen die Bundesoberbehörden BfArM und Paul-Ehrlich-Institut (PEI) ins Spiel. Im Rahmen der Organisation des Pharmakovigilanzsystems erhalten sie alle Verdachtsfälle zur Begutachtung und leiten diese für weitere Maßnahmen an die Landesbehörden weiter. „BfArM und PEI mischen sich jetzt ein, weil sie nachher die Koordinationsfunktion bei Verdachtsfällen auf Fälschungen haben“, erläuterte Michael Horn, Leiter der Abteilung 1 Zulassung im BfArM. „Wir haben ein großes Interesse daran, die nicht relevanten Fälle vorher rauszumendeln.“

Enger Schulterschluss der Behörden

Deutschlandweit und auch international sollen Behördennetzwerke den reibungslosen Informationsaustausch mit ausländischen Arzneimittelbehörden, der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA), der WHO und dem für Qualitätsfragen zuständigen European Directorate for the Quality of Medicines (EDQM) beim Vorgehen gegen Arzneimittelfälscher unterstützen. Erfahrungen aus der jüngeren Vergangenheit haben gezeigt, dass die Fälscher oft länderübergreifend operieren und dass die Produkte häufig auf sehr „verschlungenen Wegen“ in die legale Lieferkette gelangen. Ein enger Schulterschluss der Behörden und beteiligten Stellen ist deswegen unerlässlich.

Quer durch Europa

Gabriele Weber vom Paul-Ehrlich-Institut führte als Beispiel den „Herceptin“-Fall an. Hier waren Arzneimittel aus Krankenhausapotheken und von Hersteller-LKW in Italien gestohlen worden. Nach Ausstellung von falschen Rechnungen und Lieferdokumenten durch Scheinfirmen in Osteuropa waren die gestohlenen Arzneimittel über Großhändler in Italien in die legale Lieferkette eingeschleust und schließlich über mehrere EU-Mitgliedstaaten vertrieben worden. Nach Deutschland gelangten sie über den Parallelhandel. Von dem Fall, der sich auf mehr als 120 Arzneimittel und über 2000 Lieferungen erstreckte, waren laut Weber nicht nur zahlreiche Behörden in der EU betroffen, sondern nahezu sämtliche deutschen Landesbehörden. Weiterhin waren die Polizei und die Staatsanwaltschaften involviert. Basierend auf der „transcrime“-Untersuchung sollen die Arzneimitteldiebstähle aus Krankenhäusern in Italien seit 2013 rapide zugenommen haben, berichtete Weber weiter, wobei vorwiegend hochpreisige Onkologika, Antirheumatika und Immunsuppressiva entwendet wurden.

Parallelhandel als Einfallstor?

Nach den Erfahrungen von Klaus Gronwald vom Bundeskriminalamt nutzen Fälscher für ihre Machenschaften gerne die Besonderheiten des Pa­rallelhandels aus. Hier seien die Rückverfolgung und die Ermittlungstätigkeiten extrem schwierig, vor allem, wenn es mehrere Durchgangs-und Empfängerländer gebe, meinte Gronwald. Weber erwartet durch die Anbringung der Fälschungsmerkmale eine große Erleichterung bei der Marktkontrolle, denn mit dem neuen System sollten nicht nur einzelne gefälschte Packungen identifiziert werden können. Es sollte auch dafür gesorgt sein, dass sie gar nicht erst in die Hände der Patienten gelangen. |

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