Aus den Ländern

England: Pharmacists in Primary Care

Vortrag bei der VdPP-Mitgliederversammlung zeigt Alltag eines Praxisapothekers

Pharmazie hat Zukunft – vor allem wenn sie sich für neue Aufgaben öffnet. Die intensivierte Zusammenarbeit mit Ärzten und Pflegekräften im gleichen Setting kann ein solcher zukunftsweisender Weg sein, z. B. als Apotheker in einer Hausarztpraxis mit mehreren Ärzten. Praxisapotheker aus England standen im Mittelpunkt des offenen Teils der Mitgliederversammlung des Vereins demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten (VdPP) am 16. Juni 2018 in Münster.
Foto: VdPP
Ravi Sharma, selbst Practice Pharmacist in England, referierte über seine Erfahrungen, den Arbeitsalltag und Ziel und Zweck des Aufgabenfeldes eines Praxisapothekers.

Hintergrund der Einführung der Praxisapotheker in England war vor allem der auf Fachkräftemangel beruhende Druck auf Hausärzte. Durch eine verbesserte Zusammenarbeit von Apothekern und Ärzten in der Hausarztpraxis sollten diese beim Medikations­management entlastet werden, was letztlich – so die Hoffnung – zu weniger Krankenhauseinweisungen führen würde, berichtete Ravi Sharma, Referent aus London und selbst Practice Pharmacist. Wichtig für Praxisapotheker sei die Integration in das Praxis­team, das meist aus mehreren Hausärzten besteht (GP-Surgery). Die bisherigen Erfahrungen seien bereits sehr gut, so der Referent.

Weiteres Ziel der Einführung des Praxisapothekers sei aber auch die Implementierung des neuen Auf­gabenfeldes des Apothekers im englischen Gesundheitssystem.

Typischer Arbeitsalltag eines Praxisapothekers in England

8 – 9 h: Repeat Prescriptions: Ausstellen von Wiederholungsverordnungen

9 – 10 h: Clinical Post: Auswertung der Post, u. a. auch Laborwerte

10 – 13 h: Clinics: Visite der Patienten, auch Hausbesuche, Medikationsanalysen und -management, Beratung von Patienten (Erklärungen der Handhabung von bestimmten Arzneimittelformen). Ärzte schätzen besonders dieses Tätigkeitsfeld ihrer Apotheker, so Ravi Sharma, denn sie hätten oft nicht ausreichend Zeit, um den Patienten gründlich zu untersuchen und zu beraten. Insofern würden Hausärzte Zeit gewinnen, wenn sich der Praxis­apotheker um die Erklärung der Arzneitherapie kümmere.

14 – 15 h: Clinical Management: In dieser Zeit sieht der Praxisapotheker keine Patienten und kümmert sich um Organisatorisches.

15 – 15.30 h: Analysis of pathlinks/pathology: Übersicht der Laborergebnisse dank Zugang zu den Labordaten.

15.30 – 17.30 h: Clinics: Wie von 10 – 13 h.

Anpassung der Ausbildung

Nach einem Grundsatzpapier des ­„General Pharmaceutical Council“, einer staatlichen Organisation für Fort- und Weiterbildung sowie zur Überwachung von Apotheken, muss sich bei einem sich ändernden Arbeitsfeld für Apotheker auch die Aus-, Fort- und Weiterbildung ändern. Eine Zusammenarbeit und ein Austausch mit Ärzten bei Aus-, Fort- und Weiterbildung seien wünschenswert.

Die Details des NHS-Programms

Mit dem Programm wurde 2015 begonnen. Es wurde sowohl von Apotheker- wie auch Ärzteorganisationen getragen. In der ersten Phase nahmen über 490 Apotheker in über 650 Praxen teil. Das britische Gesundheitssystem trägt die Kosten. Der Praxisapotheker wird zwar von der Praxis (GP) bezahlt, diese wiederum erhält das Geld aber vom National Health System (NHS). Die Praxis erhält nur zu Beginn des Projektes den größten Teil der Aufwendungen.

Die Auswertung der bisherigen Modelle von Praxisapotheker in GP Surgeries erfolgte durch die Universität Nottingham und erbrachte folgende wesent­liche Ergebnisse:

  • Es gibt unterschiedliche Modelle, wie Pharmazeuten in GP Surgeries integriert werden können.
  • Apotheker leisten einen wesentlichen Beitrag zur Patientensicherheit und zur Optimierung der Pharmakotherapie, insbesondere beim De-Prescribing (Reduzieren der Anzahl der Verordnungen).
  • Apotheker, die Arzneimittel verschreiben, können die Arbeitsbelastung von Hausärzten reduzieren.
  • Apotheker bringen einen neuen Kompetenzmix in die Allgemeinarztpraxis hinein; sie ersetzen nicht die Allgemeinmediziner oder die Krankenschwestern.

Schnittstelle zwischen Klinik, Allgemeinmedizin und Apotheke

Der Praxisapotheker ist an den Schnittstellen zwischen der Krankenhauspharmazie, der Allgemeinmedizin und der öffentlichen Apotheke ­angesiedelt. Ausgehend von der All­gemeinmedizin hat er auch einen gewissen Einfluss auf die Krankenhauspharmazie, indem er das Personal im Krankenhaus entlastet durch Empfehlungen zu Medikamenten oder Arzneimittelinformationen. Auf der anderen Seite kann der Praxisapotheker zwischen der Allgemeinarztpraxis und der öffentlichen Apotheke interagieren durch eine gezielte Kommunikation, die Erstellung eines arzneimittelbezogenen Pflegeplans, Ausstellung von Verschreibungen und Arzneimittelversorgungs- und Qualitätsoptimierung.

Ziel: Sicherheit der Arznei­mitteltherapie verbessern

Der Referent stellte klar, dass Praxisapotheker Ärzte nicht ersetzen können, gleichwohl aber einen zusätzlichen Service anbieten, um die Arzneimitteltherapiesicherheit zu verbessern.

Die Kosten für die Qualifizierung der Pharmazeuten werden vom Staat übernommen, denn das ganze Programm steht und fällt mit der Ausbildungsqualität. Ein typischer Bildungsweg sieht wie folgt aus: Angefangen beim „undergraduate pharmacy student“ über „pre-registration-pharmacist“ hin zu „pharmacist“ und schließlich „senior pharmacist“. Pharmaziestudierende lernen schon in der Uni, was in einer späteren Berufssituation auf sie zukommen kann.

In der anschließenden Diskussion erläutert Ravi Sharma die Laufbahn eines typischen Pharmaziestudierenden in England. Dabei lässt sich feststellen, dass es schon in der Ausbildung erhebliche Unterschiede im Vergleich zum deutschen System gibt, nicht nur was die Ausbildung der angehenden Pharmazeuten betrifft, sondern auch hinsichtlich der Ausbildung der angehenden Ärzte, Krankenschwestern und -pfleger.

Wie wird man Praxisapotheker?

Für Pharmazeuten ist es nach Ravi Sharma wichtig, dass sie über den Tellerrand schauen wollen, dass sie nicht nur Patienten sehen, sondern auch mit ihnen auf der Grundlage sämtlicher krankheitsbezogener Informationen arbeiten möchten und dass sie mehr leisten wollen, als der klassische Apotheken-Service anbieten kann. Wichtig ist aber auch, dass Pharmazeuten fähig werden, auf unterschiedlichen Ebenen des Gesundheitssystems, in der Apotheke, in der Arzt­praxis und im Krankenhaus tätig zu werden. Erst dann könne man davon sprechen, dass Apotheker den Stand einer underutilized profession, also einer zu wenig genutzten Profession, ver­lassen haben. |

Esther Luhmann, VdPP-Vorstandsreferentin/daz


Vortrag von Ravi Sharma unter www.vdpp.de

Quellen bei der Autorin

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