Aus der Hochschule

Die Geschichte der Rezepte

Drittmittelprojekt des Instituts für Geschichte der Pharmazie und des Deutschen Apotheken-Museums

Professor Dr. Christoph Friedrich, geschäftsführender Direktor des Instituts für Geschichte der Pharmazie Marburg, und die Direktorin des Deutschen Apotheken-Museums Heidelberg, Dr. Elisabeth Huwer, ­haben gemeinsam mit zwei KollegInnen (einer Wirtschaftshistorikerin und einem Wirtschaftsinfor­matiker) von der Rheinisch-West­fälischen Technischen Hochschule Aachen und der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster ein großes Drittmittelverbund-Projekt eingeworben, das das Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Förderprogrammes „Die Sprache der Objekte – Materielle Kultur im Kontext gesellschaft­licher Entwicklung“ vergeben hat.

Thema des Projektes ist: „Durch das Artefakt zur infra structura – das Arzneimittelrezept als Zugang zur Gestaltung gesellschaftlicher Infrastrukturen“. Die gesamte bewilligte Summe beträgt über 1 Million Euro, wobei das Marburger Institut für Geschichte der Pharmazie 344.000 Euro und das Deutsche Apotheken-Museum 153.000 Euro erhalten. Projektbeginn ist September 2018.

Quelle: © Deutsches Apotheken-Museum-Stiftung
VII A 229 Manual, zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts

Beginnend mit den ältesten vorhandenen Arzneimittelrezepten aus dem Spätmittelalter bzw. der Frühen Neuzeit werden Rezepte, die formelle, schriftliche Aufforderungen eines Arztes an einen Apotheker zur Ab­gabe von Arzneimitteln an Patienten darstellen, analysiert. Im Fokus des Projektes steht die Biografie des „Artefaktes Arzneimittelrezept“, die im Rahmen einer interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Pharmaziehistorikern, Wirtschaftshistorikern und Wirtschaftsinformatikern sowie dem Deutschen Apotheken-Museum Heidelberg erstellt wird. Das Projekt folgt der Idee der „biography of things“, mit der die enge Verbundenheit zwischen Artefakt und gesellschaftlichem Kontext aufgezeigt werden kann. Mithilfe des „Artefaktes“ soll menschliches Handeln und Verhalten beschrieben und verstanden werden. Das Rezept wird damit zum Zugangsschlüssel für das Unsichtbare, die infra structura, unserer Gesellschaft. Das Rezept spiegelt zugleich die Informationsinfrastruktur der Triade Arzt – Apotheker – Patient wider. Im Zeitverlauf veränderte sich das „Artefakt“ Rezept hinsichtlich Form, Sprache und Inhalt. In diesem Wandel seiner Materialität lassen sich zugleich Innovationen des Gesundheitswesens ausgehend von spätmittelalterlichen Medizinal- und Apothekenordnungen bis in die Gegenwart erfassen.

Quelle: © Deutsches Apotheken-Museum-Stiftung
VII A 411 Rezept 13. Juli 1728 TÜ Dr. Schoepfling

Die Analyse zielt zum einen auf die in den Rezepten festgeschriebenen Innovationen und Gestaltungsentscheidungen der Vergangenheit und zum anderen auf das Nachvollziehen der Entwicklung der Informations­infrastruktur, die diese Entwicklung begleitet. Es sollen somit Umbrüche des deutschen Gesundheitswesens bis in die Gegenwart erfasst werden.






Foto: Deutsches Apotheken-Museum
VII B 730 Rezeptur in der Offizin – Kupferstich A. Chr. Fleischmann 1699

Ziel des Projektes ist es, das Arzneimittelrezept als kulturstiftendes Objekt zu erschließen. Es können Einsichten über die historischen Ursprünge unseres Gesundheitswesens gewonnen werden, zugleich aber auch Erkenntnisse, die helfen, aktuellen Herausforderungen im Gesundheitswesen mit neuen Ideen für die Zukunft zu begegnen.

Die zu erschließenden Rezepte, von denen sich zahlreiche im Deutschen Apotheken-Museum Heidelberg be­finden, werden digitalisiert und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Die Auswertung umfasst die Transkription der Rezepte, die auch inhaltlich erschlossen und analysiert werden. Zugleich soll eine Zuordnung zu pharmazeutischen Systemen vorgenommen werden. In Marburg erfolgt zudem eine Analyse der Indikationsgebiete, eine Einordnung des Rezepts hinsichtlich therapeutischer Systeme und eine Plausibilitätsprüfung bzgl. einer tatsächlichen Wirkung.

Die Laufzeit des Projektes beträgt vier Jahre. Im Marburger Institut für Geschichte der Pharmazie werden zwei WissenschaftlerInnen sowie eine studentische Hilfskraft beschäftigt; im Deutschen Apothekenmuseum betreut eine wissenschaftliche Mitarbeiterin in Teilzeit die Digitalisierung für einen Zeitraum von rund zwei Jahren. |

Professor Dr. Christoph Friedrich, Institut für Geschichte der Pharmazie, Marburg

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