Gesundheitspolitik

Digitale Plattformen statt Leben „im Gestern“

Zukunftsvisionen beim Eppendorfer Dialog

HAMBURG (tmb) | Beim Eppendorfer Dialog am 4. Dezember in Hamburg ging es um die Frage „Bleibt die Apotheke vor Ort?“ Die Antwort war: Die Apotheker müssen heilberufliche Leistungen bieten und sich für digitale Dienste gemeinsam mit neuen Partnern auf Plattformen organisieren. Doch es ging bei der Veranstaltung auch um das Apotheken-Stärkungsgesetz und den Versandhandel.
Foto: AZ/tmb

Nahmen am Eppendorfer Dialog teil (v. l.): Michael Hennrich (CDU-­Bundestagsabgeordneter), Corinna Mühlhausen (Trendforscherin), Max Müller (DocMorris-Vorstand), Steffen Kuhnert (Apotheker aus Düren), Dr. Kerstin Kemmritz (Präsidentin der AK Berlin), Prof. Dr. Achim Jockwig (Moderator)

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Hennrich zeigte sich besorgt über die Schließung von Apotheken – wegen der Versorgung und weil die Apotheken „gute Arbeitgeber“ seien. Er bekannte sich zu „seinem Sündenfall“, 2003 „in vorauseilendem Gehorsam“ für den Arzneimittelversand gestimmt zu haben. Doch er sei der Erste gewesen, der 2016 das Rx-Versandverbot gefordert habe. Da dies politisch nicht durchsetzbar sei, solle nun die Gleichpreisigkeit in der GKV ­erreicht werden, nicht jedoch für die PKV. Das Gesetz müsse „mit Brüssel“ geklärt werden. Hennrich machte deutlich: Das Apothekenstärkungsgesetz wird nur kommen, wenn Bundesgesundheits­minister Spahn in Brüssel Rechtsklarheit schafft. Was anderenfalls geschehen soll, blieb offen.

Die Zukunft der Apotheken sieht Hennrich nicht in der Logistik, sondern eher in Spezialisierungen oder in der Prävention. Er betonte die Grippeimpfung, weil damit im Ausland die Impfquoten erhöht worden seien. Das Medikations­management sehe er dagegen skeptisch, weil dies möglicher­weise bald durch Künstliche Intelligenz zu leisten sei. Mittelfristiges Potenzial könnte sich auch aus einer Legalisierung von Cannabis ergeben. Hennrich zeigte sich gesprächsbereit, gab aber zu verstehen, dass zukunftsorientierte Gespräche mit den Apothekerorganisationen nicht stattfänden. Denn nach seiner Einschätzung würden Apotheker im Regelfall „im Gestern leben“ und den Status quo verteidigen.

Heilberufliche Kompetenzen

Beim Eppendorfer Dialog stellte Dr. Kerstin Kemmritz, Präsidentin der Apothekerkammer Berlin, allerdings mögliche künftige Auf­gaben für Apotheker vor. Sie sehe Apotheker als „Gesundheitsmanager, Gatekeeper und Therapiebegleiter“. Von der Politik forderte Kemmritz, die pharmazeutische Kompetenz zu nutzen und zu vergüten, Bürokratie in Apotheken abzubauen und für „gleich lange Spieße“ zu sorgen.

DocMorris-Vorstand Max Müller hielt diesen Plänen entgegen, DocMorris erbringe schon lange solche Leistungen, prüfe jede Bestellung, nutze dabei Algorithmen und spreche mit Patienten und Ärzten über mögliche Probleme. Damit seien etwa 130 Pharmazeuten beschäftigt, die 20 Prozent ihrer Arbeitszeit für die Schulung nutzten. Dies sei eine attraktive Arbeit, weil die Apotheker und PTAs „nicht verkaufen“ müssten. Auf Fragen nach unterschiedlichen Wettbewerbsbedingungen für Versand- und Vor-Ort-Apotheken entgegnete Müller, dass niederländische Versender von den dortigen Kontrollbehörden überprüft und zu denselben Preisen wie deutsche Apotheken einkaufen würden.

Außerdem warb Müller für die Chancen der Digitalisierung, denn sie helfe, Therapieabbrüche zu verhindern, ländliche Regionen zu versorgen und mehr Zeit für die „sprechende Pharmazie“ zu gewinnen. Auch Steffen Kuhnert, ­digital orientierter Vor-Ort-Apotheker aus Düren, zeigte sich von diesen Zukunftsaussichten überzeugt. Um künftig auf digitalen Plattformen tätig zu sein und mit großen Unternehmen zu konkurrieren, bräuchten die Apotheken allerdings neue Partner.

Einen weiteren Bericht über den Eppendorfer Dialog finden Sie in der nächsten DAZ. |

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