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Aus der Hochschule
Problem Arzneimittelrückstände
Universität Freiburg will mit Pilotprojekt Bewusstsein für bessere Umweltverträglichkeit fördern
Nach einem thematischen Einstieg durch den Leiter des Workshops, Prof. Dr. Michael Müller, sollte bereits der interaktive Charakter des Workshops zum Tragen kommen. Die Teilnehmer sammelten nach einer kurzen Vorstellungsrunde ihre Ideen zur Thematik und zum Workshop gemeinsam auf einem Plakat. Im Anschluss daran legte Dr. Martina Winker vom Institut für sozial-ökologische Forschung in Frankfurt mit ihrem Vortrag den Fokus der Teilnehmer auf die Rolle und den Einfluss der Gesellschaft in der Thematik.
Wo die Arzneistoffe herkommen
Ganz im Rahmen der Interdisziplinarität stellte als nächster Redner Prof. apl. Dr. Jens Lange von der Fakultät für Umwelt und Natürliche Ressourcen der Universität Freiburg die verschiedenen Eintrittswege von Pharmazeutika in die Umwelt vor. Dabei wurde vor allem deutlich, dass nicht, wie man vermutlich denken könnte, die Industrie Hauptverursacher für die Einbringung von Arzneistoffen in die Umwelt ist, sondern unsere Haushalte. Die Kläranlagen, wie sie jetzt in Deutschland gegeben sind, können nicht alle Arzneistoffe ausreichend entfernen. Bevor alle Teilnehmer in die wohlverdiente Mittagspause entlassen wurden, konnte Dr. Christoph Hafner von der Hydrotox Freiburg noch einige interessante Aspekte aus der Analyse von Umweltverhalten und -auswirkungen beleuchten.
Gesellschaftliche Ursachen
Gegen Nachmittag standen dann Arbeiten in Kleingruppen auf dem Plan, die jeweils mit Diskussionsrunden abgeschlossen wurden. Die Studenten gingen der Frage nach, welche Faktoren Arzneistoffrückstände in der Umwelt in unserer jetzigen Gesellschaft begünstigen. Denn dass so viele Arzneistoffe in der Umwelt zu finden sind, kommt nicht von ungefähr. Durch Kommerzialisierung des Gesundheitswesens werden Umweltaspekte oft gar nicht beachtet. Zudem steigt die Zahl an verkauften Arzneimitteln nicht nur aufgrund des demografischen Wandels und des Bevölkerungswachstums. Gezielte Werbung verleitet zum Kauf von mehr Medikamenten. Eine Gruppe thematisierte, dass in der Werbung oder auf der Verpackung ausreichend Information über die Umweltverträglichkeit für den Verbraucher gegeben sein sollte, so wie es in Schweden bereits der Fall ist.
Abbaubare Stoffe gefordert
Auch die Entwicklung von nicht abbaubaren Arzneistoffen führt letztlich dazu, dass noch weitere Substanzen in die Umwelt gelangen. Zudem wäre eine Aussage wie „Wir behandeln Menschen, keine Fische“ fehlerhaft, weil Mensch und Ökosystem nicht getrennt voneinander gesehen werden können. Wissenschaftler sehen vor allem im Medikamenten-Cocktail im Wasserkreislauf eine große Gefahr für die Umwelt. Dennoch ist es wichtig, fortlaufend neue Medikamente zu entwickeln, da es auch immer wieder neu aufkommende Krankheiten geben wird. Aber die Art der Entwicklung muss sich in Zukunft ändern: Eine umweltfreundliche Herstellung sollte garantiert sein und mehr auf bioabbaubare Arzneistoffe und Recycling gesetzt werden (Green Pharmacy).
Politische Rahmenbedingungen
Bereits am zweiten Tag konnte man während der morgendlichen Präsentationen spüren, wie das Interesse der Teilnehmer durch die Gruppenarbeiten und Diskussionsrunden sowie die Vorträge des Vortages gesteigert wurde. Dr. Gerd Maack vom Umweltbundesamt in Dessau gab einen umfassenden Einblick in die politischen Regelungen und deren problematische gesetzliche Verabschiedung bezüglich Arzneimitteln in der Umwelt. Auf politischer Ebene wird noch zu wenig getan, um verpflichtende Richtlinien auf europäischer Ebene einzuführen.
Wie breit das Gebiet der Pharmaceuticals in the Environment tatsächlich ist, konnte Prof. Dr. Eva Maria Bitzer vom Institut für Alltagskultur, Bewegung und Gesundheit von der Pädagogischen Hochschule Freiburg zeigen, die mit ihrem Vortrag „Wirksame Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention: Interventionen auf Makro-, Meso- und Mikroebene“ einen gänzlich neuen Aspekt und eine neue Art der Herangehensweise präsentierte.
Das Vormittagsprogramm wurde anschließend wiederum von Dr. Gerd Maack und seinem Vortrag über Pharmazeutika in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen abgeschlossen. Diese Länder sind durch fehlende Kanalisationen und oftmals fehlende sanitäre Anlagen mit ganz anderen Problemen konfrontiert.
Lösungsansätze
Von dem neu gewonnenen Wissen beflügelt, wurde wie bereits am Vortag auch am zweiten Workshop-Tag nachmittags in Kleingruppen über verschiedene Lösungsansätze diskutiert. Zum einen sollten Pharmafirmen Anreize erhalten, um ihren Fokus auf Green Pharmacy zu setzen. Zum anderen fehlt den Menschen in der Breite noch immer das Bewusstsein, dass sie selbst verantwortlich für die Arzneimittelrückstände in der Umwelt sind. Die Studierenden kommen zu dem Schluss, dass dieses Bewusstsein von pharmazeutischem und medizinischem Personal, aber auch von jedem, der über die Problematik Bescheid weiß, dringend gestärkt werden muss. Wenn den Ärzten, Apothekern und Verbrauchern ausreichend Informationen über die Umweltschädigung zur Verfügung stehen, kann selbst entschieden werden, ob ein Medikament oder eine umweltverträgliche Alternative eingenommen werden sollte. Der entscheidende Punkt liegt allerdings in der Gesundheitsprävention. Wenn schon früh auf ausreichend Bewegung und ausgewogene Ernährung geachtet wird, können im Alter weniger Medikamente nötig sein. Daran sollten auch Akteure wie Arbeitgeber und Krankenkassen Interesse haben. In der Prävention liegt letztlich auch die Zukunft, um Arzneimittelrückstände in der Umwelt zu reduzieren.
Für Problematik sensibilisiert
Insgesamt war es eine sehr lehrreiche Veranstaltung mit vielen neuen Erkenntnissen für die Teilnehmer. Das Ziel, die Studierenden für das Thema Pharmaceuticals in the Environment zu sensibilisieren und Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen, wurde erreicht. Gerade der interdisziplinäre Charakter mit Studierenden verschiedener Fakultäten hat regelrecht zum Erfolg des Workshops beigetragen. Ein weiterhin stattfindender Austausch zwischen den verschiedenen Fakultäten mit ihren eigenen Kompetenzen ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.
Als Zusatzangebot zum Workshop konnten die Teilnehmer am 6. März noch an einer Besichtigung der Kläranlage des Abwasserzweckverbands Breisgauer Bucht teilnehmen. Dort erhielten die Teilnehmer interessante Einblicke in den Aufbau und die verschiedenen Reinigungsstufen einer Kläranlage. |
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