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Impfen in der Apotheke aus Angestelltenperspektive

Wie weit geht das Weisungsrecht?

Müssen angestellte Approbierte im Rahmen von Modellvorhaben zur Grippeschutzimpfung Apothekenkunden impfen, wenn die Apothekenleitung dies wünscht? Eine arbeitsrechtliche Betrachtung von ADEXA-Juristin Minou Hansen:
Foto: Khunatorn – stock.adobe.com

Grippeimpfungen in der Apotheke – eigentlich eine tolle Sache. Für die Kunden auf jeden Fall, sie können niederschwellig und vermutlich auch ohne Termin und große Wartezeiten ihren Impfschutz aktualisieren. Für die Gesamtbevölkerung ebenfalls, weil man wohl davon ausgehen kann, dass auf diesem Weg eine höhere Durchimpfungsrate der Bevölkerung mit einem besseren Schutz von Risikogruppen und damit auch eine geringere Belastung des Gesundheitssystems erreicht werden kann. Bei entsprechender Honorierung dürften sich auch die Apothekenleitungen freuen, dass mit einem neuen „Geschäftsfeld“ vielleicht auch neue Kundengruppen angesprochen werden können.

Wie sieht es aber mit den angestellten Apothekerinnen und Apothekern aus, die diese Impfungen vornehmen sollen? Hier ist nicht jede und jeder begeistert von der Idee, neben den ohnehin schon zahlreichen Aufgaben in der Apotheke eine weitere zu übernehmen, die zudem nicht einmal dem (bisherigen) Berufsbild entspricht. In vielen Berufsordnungen der Apothekerkammern war bisher sogar ausdrücklich geregelt, dass es Apothekerinnen und Apothekern untersagt ist, heilkundlich tätig zu sein und Tätigkeiten zu übernehmen, die Ärzten vorbehalten sind.

Das Impfen war bis zur Änderung des Sozialgesetzbuchs V am 19. Juni 2020 ausschließlich Ärzten vorbehalten. Wer also bis zu diesem Datum seine Ausbildung abgeschlossen hatte, war mit dem Thema „Impfen“ nicht befasst. Wie sieht es aber jetzt aus? Bin ich als approbierte Mitarbeiterin verpflichtet, diese Aufgabe zu übernehmen?

Der Aufgabenbereich ist im Arbeitsvertrag in den allermeisten Fällen nur pauschal mit „wird als Apothekerin angestellt“ vereinbart. Im Rahmen dessen, was zum Berufsbild einer Apothekerin gehört, kann die Apothekenleitung ein Weisungsrecht ausüben. Nach § 106 Gewerbeordnung (GewO) bestimmen Arbeitgeber nach billigem Ermessen näher über Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung. Der Inhalt der Arbeitsleistung ergibt sich unter anderem aus dem Berufsbild – und dieses scheint im Wandel begriffen zu sein. Wenn die Apothekenleitung Aufgaben zuweist, muss sie sich an die arbeitsvertraglichen, tarifvertraglichen und gesetzlichen Regelungen halten.

In bestehenden Arbeitsverträgen findet sich keine Vereinbarung wie „Impfungen müssen nicht durchgeführt werden“, weil es bislang für Apothekerinnen und Apotheker gar nicht zulässig war, Impfungen durchzuführen. Demzufolge gibt es im bestehenden Bundesrahmentarifvertrag ebenfalls keine entsprechende Regelung. Die gesetzliche Grundlage für Modellvorhaben zur Grippeschutzimpfung in Apotheken ist mit dem neuen § 132j SGB V eingeführt worden, sodass eine Apothekenleitung angestellte Approbierte verpflichten dürfte, Impfungen vorzunehmen, soweit die weiteren Voraussetzungen erfüllt sind. Bei der Ausübung des Weisungsrechts muss die Apothekenleitung allerdings die Grenzen billigen Ermessens einhalten. Das bedeutet, dass die wesentlichen Umstände des Einzelfalls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt werden müssen.

Eine angestellte Apothekerin hat – zumindest in ihrer Rolle als Mitarbeiterin – meist kein eigenes Interesse an der Durchführung der Impfung, sofern ihr für diese Arbeit keine finanzielle Verbesserung angeboten wird. Ob es darüber hinaus persönliche oder berufspolitische Interessen von Angestellten gibt, sei an dieser Stelle dahingestellt.

Die Apothekenleitung dürfte im weitesten Sinn wirtschaftliche Ziele verfolgen, auch wenn der Einstieg noch nicht unbedingt lukrativ ist. Arbeit­neh­mer, die nicht impfen möchten, müssten konkret darlegen, warum sie dies nicht tun wollen. Wenn ihre nachvollziehbaren Gründe schwerer wiegen als die Interessen der Apo­thekenleitung, dürfte keine entsprechende Weisung erfolgen. So kann es sein, dass man überzeugte Impf­gegner nicht wirksam anweisen kann, Impfungen durchzuführen.

Zu dieser Frage gibt es noch keine gerichtlichen Entscheidungen. Und es ist zu hoffen, dass sich beide Seiten auch ohne die Hilfe der Arbeitsgerichte einigen können. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die nur widerwillig ihre Arbeit verrichten, werden sicher nicht überzeugend in der Impfkundengewinnung sein. Wenn eine Apotheke die Chance nutzen möchte, ein neues und honoriertes Leistungsangebot zu erschließen, sollte das Geld für die Schulungen besser in Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter investiert werden, die den Weg begeistert mitgehen. |

Rechtsanwältin Minou Hansen, Leiterin der ADEXA-Rechtsabteilung

 

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