Aus den Ländern

„Blaue Stunde“ der Gehe

Aufbruchstimmung und Unsicherheit zum E-Rezept

HAMBURG (tmb) | Die „blaue Stunde“ des Pharmagroßhändlers Gehe am 5. Februar in Hamburg vermittelte eine positive Aufbruchstimmung zum E-Rezept und machte neugierig auf die erwarteten Chancen für die Apotheken vor Ort. Doch die Apotheker mahnten faire Rahmenbedingungen an. Die Anwesenden schätzten die Geschwindigkeit der künftigen Entwicklung unterschiedlich ein, waren sich aber einig, dass die Apotheker sich ab sofort auf das E-Rezept vorbereiten sollten.

Christian Klose, Leiter der Unterabteilung Gematik im Bundesgesundheitsministerium, erklärte, die Digitalisierung werde nur funktionieren, wenn sie nicht nur analoge Prozesse digita­lisiere, sondern allen Nutzern einen Mehrwert biete. Die Patienten wünschten sich mehr Gesundheit und längeres Leben. Der Datenschutz sei wichtig und werde in Deutschland sehr gut berücksichtigt, dürfe aber „nicht wie ein Elefant in den Raum gestellt werden“. Die Technik müsse begeistern, die Anwender unterstützen und verständlich sein. Doch entscheidend für die Umsetzung sei, die Kultur zu adressieren.

Frank-Ullrich Schmidt, Referatsleiter beim GKV-Spitzenverband, verwies auf den erwarteten Nutzen des E-Rezepts durch den Verzicht auf Medienbrüche und durch den Gewinn an Information für Patienten, wenn die Daten auch in die E-Patientenakte einfließen. Der GKV-Spitzenverband sei allerdings enttäuscht, dass das E-Rezept noch nicht als Pflichtanwendung vorgesehen sei.

Foto: Hauke Hass/vor-ort-foto.de

Christian Klose (li.) ist beim Bundesgesundheitsministerium für das E-Rezept zuständig. Rechts im Bild: Gastgeber Dr. Peter Schreiner, Vorsitzender der Gehe-Geschäftsführung

Viele Chancen für Apotheken

Der Vorsitzende der Gehe-Geschäftsführung, Dr. Peter Schreiner, erwartet durch das E-Rezept Gewinner und Verlierer unter den Apotheken. Er warb dafür, die Chancen für die Patienten und für die Apotheken zu erkennen. Das System werde von Einsparungen profitieren und Apotheker könnten ihr Fachwissen besser einbringen, wenn die Patientendaten übersichtlich vorliegen. Darum sei ein offenes System mit Schnittstellen nötig. Die hohe Leistungsfähigkeit der Apotheken vor Ort sei ein großer Vorteil für die Umsetzung. Doch die Verknüpfung der Apotheken vor Ort mit dem E-Rezept sei noch nicht in den Köpfen der Menschen. Da sei noch viel zu tun. Außerdem betonte Schreiner, dass die freie Apothekenwahl unbedingt erhalten bleiben müsse.

Die Initiative Pro AvO, an der auch Gehe beteiligt ist, war durch ihren Geschäftsführer Peter Menk vertreten. Er beschrieb als Ziel der Initiative, dass die Rezepte weiter in die Apotheke vor Ort kommen. Doch es biete den Patienten keinen Vorteil, statt des Papierrezepts ein Telefon in die Apotheke zu tragen. Vorteilhaft für Patienten und Apotheken sei dagegen, wenn der Patient das Rezept vorab sendet und später die Arzneimittel abholt. Damit würde die für alle ärgerliche Situation vermieden, dass ein Arzneimittel nicht vorrätig ist.

Apotheken sollen handeln – aber wie?

In der Diskussion mit den Apothekern im Publikum zeigten sich unterschied­liche Erwartungen, ob die Patienten an Instrumenten für die AMTS oder nur für die Bequemlichkeit interessiert sind. Außerdem fürchten Apotheker Wettbewerbsverzerrungen durch Boni und das weiterhin fehlende Makelverbot für Dritte. Menk forderte die Apotheker auf, sich selbst zu vernetzen, weil fremde Portale sonst wie bei Hotels hohe Provisionen verlangen würden. Zu den vielen ausstehenden Vereinbarungen über das E-Rezept in der Selbstverwaltung gab sich Schmidt sehr zuversichtlich, aber er erwarte nicht, dass am 1. Januar 2021 E-Rezepte im Regelbetrieb bearbeitet würden. Klose meinte dagegen, es werde schneller gehen, als es jetzt erwartet werde. Menk mahnte, die Apotheker sollten die Zeit nutzen, um sich in den Apotheken auf verän­derte Abläufe einzurichten und das Team zu schulen. Doch nach Einschätzung von Sebastian Schulz, Vorstandsmitglied der Hamburger Apothekerkammer, ist der richtige Weg für die Apotheken derzeit schwer zu erkennen. Sie stünden vor der Frage „soll ich abwarten oder bin ich schon zu spät?“ |

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