Arzneimittel und Therapie

Erfolgreich abnehmen

Wie uns das Mikrobiom beim Gewichtsmanagement unterstützt

mab | Gerade jetzt im Sommer wünschen sich viele Menschen ein paar Kilo weniger auf den Rippen. Trotz Diät und Bewegung klappt das Abnehmen jedoch oft nicht so, wie man es sich erhofft hat. Dabei tragen wir vermutlich die kleinen Diät-Helferlein längst in uns: Zunehmend steht nämlich das Mikrobiom im Fokus der Übergewicht-Forschung. Welche Auswirkungen eine Diät auf das Mikrobiom und andererseits welche Auswirkungen die Gabe eines Probiotikums auf den Abnehmerfolg zeigen, haben Forscher vor Kurzem untersucht.

Weltweit leiden immer mehr Menschen an Übergewicht. Da Diäten und Lebensstiländerungen oft nicht genügend Effekt zeigen, wird schon lange nach unterstützenden Therapeutika geforscht. Aufgrund ihres unguten Nutzen-Risiko-Verhältnisses sind viele Pharmaka, wie beispielsweise auch der Appetithemmer Sibutramin, wieder von der Bildfläche verschwunden. In den letzten Jahren ist daher zunehmend die Darmflora als mögliche Stellschraube für die Gewichtsregulierung in den Fokus der Wissenschaft gerückt. So weiß man, dass über bakterielle Signalwege der Fettabbau, Energiestoffwechsel und Insulin-Resistenz moduliert werden. Auch, dass das Mikrobiom von adipösen Menschen unterschiedlich zusammengesetzt ist als das von normalgewichtigen Menschen, ist inzwischen bekannt. Inwiefern sich ein Gewichtsverlust auf die Zusammensetzung der Mikroorganismen auswirkt, haben Forscher der Berliner Charité zusammen mit ihren Kollegen der University of California vor Kurzem untersucht und ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlicht.

Foto: rocketclips/AdobeStock

Auswirkungen einer Diät

Bei der Studie nahmen 80 ältere Frauen mit leichtem bis starkem Übergewicht teil. Die Hälfte der Probandinnen führte unter ärztlicher Kontrolle eine Formuladiät (< 800 kcal pro Tag) durch, die andere Hälfte wurde angewiesen, ihr Gewicht über 16 Wochen konstant zu halten. Schnell zeigte die Analyse der regelmäßig entnommenen Stuhlproben, dass sich sowohl die Anzahl als auch die Zusammensetzung der Mikroorganismen bei den Frauen, die die Diät machten, veränderten. Erstautor Dr. Reiner Jumpertz von Schwartzenberg erläutert: „Wir konnten beobachten, wie die Bakterien ihren Stoffwechsel umstellen, um vermehrt Zuckerverbindungen auf­zunehmen, die dem Menschen dann nicht mehr zur Verfügung stehen. Man kann sagen, es entwickelt sich ein hungriges Mikrobiom“.

Stärkere Besiedelung mit Clostridioides difficile

Im nächsten Schritt transplantierten die Forscher Mäusen, die aufgrund einer keimfreien Haltung keine eigene Darmflora besitzen, Stuhlproben von vor und nach der Diät ein. Nachdem erstere keinen weiteren Einfluss auf die Nagetiere zeigte, waren die Wissenschaftler überrascht, als sie bemerkten, welchen Effekt die nach der Diät entnommenen Transplantate auf die Mäuse zeigte: Diese verloren innerhalb von zwei Tagen mehr als zehn Prozent ihrer Körpermasse. Die Forscher schlussfolgern daraus, dass die Darmbakterien eine entscheidende Rolle bei der Nahrungsaufnahme einnehmen. In der weiteren Analyse der Stuhlproben stellten sie außerdem fest, dass die nach der Diät entnommenen Proben (und die entsprechend transplantierten Mäuse) mehr Clostridioides-difficile-Keime enthielten, ohne dabei Krankheitssymptome bei den Frauen oder Tieren hervor­zurufen. Prof. Dr. Joachim Spranger, Direktor der Medizinischen Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselmedizin der Charité, erklärt: „Wir konnten außerdem nachweisen, dass C. difficile die für das Bakterium typischen Giftstoffe produzierte – davon hing sogar der Gewichtsverlust der Tiere ab. Dennoch zeigten weder die Probandinnen noch die Tiere klinische Anzeichen einer Darmentzündung.“ Noch ist unklar, ob diese übermäßige Besiedelung mit C. difficile einen Einfluss auf die Gesundheit hat oder diese sogar fördert. Größere Studien sollen nun dieser Frage nachgehen und klären, inwiefern eine Modulation der Darmbakterien das Körpergewicht und den Stoffwechsel positiv beeinflussen kann.

Signalwege gezielt aktivieren

Dieser Frage ist auch das französische Biotech-Unternehmen Targedys nachgegangen, das sich intensiv mit der Wirkung des Mikrobioms auf Über- und Untergewicht sowie auf die psychische Gesundheit beschäftigt. Anders als viele andere klassische Probiotika, welche eine Dysbalance des Mikrobioms regulieren, will das Unternehmen einen neuen Weg einschlagen und mittels Probiotika aktiv appetithemmende (anorexigene) Signalwege aktivieren. Dafür bietet sich der probiotische Stamm Hafnia alvei HA4597® an, der die kaseinolytische Protease B (ClpB) produziert. Dieses Protein wiederum weist eine ähnliche Konformation wie das anorexigen wirkende α-Melanozyten stimulierende Hormon (α-MSH) auf und kann so dessen Wirkung imitieren. Da eine Supplementierung des Probiotikums bereits bei Mäusen sowohl zu einer reduzierten Gewichtszunahme als auch zu einer verringerten Nahrungsaufnahme und Fettmasse geführt hatte, sollte nun die Wirksamkeit auch beim Menschen in einer randomisierten, kontrollierten Doppelblindstudie untersucht werden.

Hafnia alvei im Test

236 Personen im Alter zwischen 18 und 65 Jahren mit einem Body-Mass-Index zwischen 25 und 29,99 kg/m3 nahmen an der Studie teil. Alle Teilnehmer bekamen die Anweisung, eine um 20% hypokalorische Diät bei gleichbleibender körperlicher Aktivität durchzuführen. 1 : 1 randomisiert bekamen die Teilnehmer anschließend täglich über zwölf Wochen zwei Kapseln mit 100 Milliarden Bakterien oder zwei Kapseln Placebo. Bis zur zwölften Woche nach Studienbeginn erfolgte anschließend im vierwöchigen Abstand bei allen Teilnehmern eine Kontrolle des Gewichts, des BMIs, des Taillen- und Hüftumfangs sowie von Blutdruck und Laborparametern (u. a. Glucose-Spiegel, Gesamt-Cholesterol). Daneben wurde für die Auswertung des sekundären Endpunktes das Sättigungsgefühl abgefragt.

Vielversprechende Ergebnisse

Es zeigte sich, dass signifikant mehr Probanden, die das Probiotikum eingenommen hatten, den primären Endpunkt (einen Gewichtsverlust um mindestens drei Prozent nach zwölf Wochen) erreicht hatten als in der Kontrollgruppe (54,9% vs. 41,4%; p = 0,048). Ebenso konnte ein signifikant verringerter Hüftumfang und ein verstärktes Sättigungsgefühl bei den mit Hafnia alvei therapierten Personen gesehen werden. Auch der Nüchtern-Blutzucker-Wert war signifikant geringer als bei der Vergleichsgruppe. Die Forscher vermuten, dass das höhere Sättigungsgefühl dazu beigetragen hat, dass ein größerer Anteil der mit dem Probiotikum behandelten Gruppe den primären Endpunkt erreicht hat. Durch die von Hafnia alvei induzierte Überproduktion von ClpB werden Melanocortin-Rezeptoren aktiviert, die wiederum periphere und zentrale Sättigungssignalwege verstärken. So fällt es den Betroffenen leichter, die Diät einzuhalten. Da auch der Nüchtern-Blutglucose-Wert durch das Probiotikum signifikant gesenkt wurde, sollen nun weitere Studien an Prädiabetikern durchgeführt werden. |
 

Literatur

Nature-Studie: Wie eine Diät die Darmflora beeinflusst. Pressemitteilung der Berliner Charité, 23. Juni 2021

von Schwartzenberg RJ, Bisanz JE, Lyalina S. et al. Caloric restriction disrupts the microbiota and colonization resistance. Nature 595, 272–277 (2021). doi: 10.1038/s41586-021-03663-4

Déchelotte P et al. The Probiotic StrainH. alveiHA4597®Improves Weight Loss inOverweight Subjects under Moderate Hypocaloric Diet:A Proof-of-Concept, Multicenter Randomized, Double-BlindPlacebo-Controlled Study.Nutrients2021,13;1902. doi:10.3390/nu1306190

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