Standespolitik

Zehn Prozent sind angemessen

Höhe der Kammerrücklagen sollte sich am Jahresumsatz orientieren

eda | Auch wenn noch keine un­mittelbaren höchstrichterlichen Urteile zur Höhe von Apothekerkammerrücklagen existieren, zeigt der Münsteraner Verwaltungs- und Medizinrechtler Paul Lodde im folgenden Interview auf, woran man sich in dieser Frage seiner Rechtsauffassung nach orientieren sollte.

Dr. Paul Lodde, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Medizinrecht, Münster

DAZ: Herr Dr. Lodde, das Bundesverwaltungsgericht hat sich in seinem ­Urteil vom 22. Januar 2020 nicht unmittelbar mit der Zulässigkeit und Angemessenheit von Apothekerkammerrücklagen befasst. Gibt es denn Gerichtsverfahren in Deutschland, bei denen diese Thematik im Mittelpunkt stand?

Lodde: Es gibt zum Beispiel ein Urteil des Verwaltungsgerichts Münster vom 29. Juni 2012, das sich primär damit befasst hat, inwiefern die Bemessung des Kammerbeitrages am Umsatz der jeweiligen Apotheke rechtmäßig ist. Allerdings können wir dieser Entscheidung entnehmen, dass bei der Frage der Angemessenheit des Beitrages das Verwaltungsgericht – wie auch alle anderen Verwaltungsgerichte in vergleichbaren Verfahren – nicht nur Bezug nimmt auf das Heilberufsgesetz, sondern auch Urteile des Bundesverwaltungsgerichts zitiert, die in der Regel zu Handwerkskammern oder auch Industrie- und Handelskammern ergangen sind. Diese Entscheidung ist daher insofern interessant, als dort das Verwaltungsgericht sich konkret zu den Rücklagen der Apothekerkammern äußert.

DAZ: Wie genau?

Lodde: Die Rücklage von rund zehn Prozent des Jahreshaushaltes hält das Gericht für angemessen. Dies dürfte auch absolut nachvollziehbar sein.

DAZ: Erklären Sie das bitte genauer.

Lodde: Eine Apothekerkammer als öffentlich-rechtliche Körperschaft kann selbstverständlich nicht „spitz auf Knopf“ kalkulieren, sondern muss gewisse Schwankungen sowohl auf der Ausgabenseite als auch auf der Einnahmenseite einkalkulieren. Aus diesem Grunde ist eine Rücklage in Höhe von zehn Prozent des Jahresumsatzes sicherlich angemessen, um den laufenden Betrieb aufrechtzuerhalten.

DAZ: Halten Sie diese Regel für ausnahmslos gültig?

Lodde: Nein. Anders ist es nämlich, wenn zweckgerichtete Rücklagen gebildet werden, beispielsweise für die Errichtung eines Gebäudes oder in letzter Zeit wegen bestimmter Corona-Maßnahmen. Wenn das Gebäude errichtet ist oder die Maßnahmen abgeschlossen sind, kann die Rücklage natürlich nicht bestehen bleiben, sondern muss zwingend aufgelöst werden. Dies ist ein Grundsatz, der für alle berufsständischen Kammern gilt, denn diese sollen über das für den Betrieb erforderliche Maß hinaus kein Vermögen bilden.

DAZ: Lassen sich denn überhaupt die Normen und Rechtsurteile aller berufsständischen Kammern miteinander vergleichen?

Lodde: In allen Fällen ist der entscheidende Grundsatz, dass das Äquivalenz­prinzip beachtet wird, danach muss zwischen der Höhe des Beitrages und dem Nutzen für die Mitglieder ein Zusammenhang bestehen.

DAZ: Die Prüfung des Äquivalenz­prinzips muss ja nicht in jedem Fall vor Gericht landen. Was raten Sie für die Praxis? Über welche Rechte und Möglichkeiten verfügen die Mitglieder bzw. ihre Vertreter der entsprechenden Gremien?

Lodde: Die Vertreter in den entsprechenden Gremien der Apothekerkammern müssen den Haushalt daraufhin überprüfen, ob es Rückstellungen oder nennenswerte Vermögenswerte gibt, und in einem zweiten Schritt dann überprüfen, ob diese noch benötigt werden in absehbarer Zeit und zwar für den Zweck, für den die Rückstellung bzw. Anschaffung erfolgt ist. Ist dies nicht der Fall, muss die Rückstellung bzw. der Vermögenswert aufgelöst werden und dann beitragsreduzierend verwandt werden. Die Mitglieder haben selbstverständlich die gleiche Möglichkeit, sie können den Haushalt daraufhin überprüfen, ob die dort ausgewiesenen Rückstellungen nachvollziehbar sind und ggf. in den Mitgliederversammlungen den Kammervorstand danach befragen, ob und wann die Rückstellungen noch verwandt werden bzw. warum sie nicht oder noch nicht aufgelöst worden sind.

DAZ: Konkret auf die Apothekerkammern bezogen: Bei welchen zweck­gerichteten Rücklagen sollten die Mitglieder hellhörig werden und die Verhältnismäßigkeit überprüfen?

Lodde: Wenn Rücklagen in erheblichem Umfang vorhanden sind, die im Verhältnis zum Kammerhaushalt die Zehnprozentgrenze erreichen oder überschreiten, sollte man zumindest die Frage stellen, wann die Rück­stellung entweder verwandt oder zu Gunsten der Mitglieder aufgelöst wird. |

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