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Gabriele Regina Overwiening im DAZ-Interview zu ihrer Agenda als ABDA-Präsidentin
Gabriele Regina Overwiening ist die erste Frau an der ABDA-Spitze und musste bereits feststellen, dass das keine Selbstverständlichkeit ist. In manchen Köpfen sei es offenbar auch heute noch etwas Besonderes, als Frau solch ein Amt zu bekleiden, wunderte sie sich im DAZ-Interview. Obwohl der Berufsstand zu 75 Prozent weiblich sei, machten meist die Männer die Standespolitik. Hier gibt es in ihren Augen noch viel nachzuholen. Angetreten ist Overwiening, die zugleich Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe ist, mit einer ambitionierten Agenda. Unter anderem geht es ihr darum, mehr Transparenz in der Standespolitik zu schaffen. Dass der Katalog zu den pharmazeutischen Dienstleistungen immer noch geheim ist, steht für sie aber nicht im Widerspruch dazu: „Wir haben den Forderungskatalog im Detail nicht veröffentlicht, weil es bei Schiedsverfahren immer auch darum geht, Störfeuer von außen zu vermeiden. Es wäre taktisch unklug, wenn einzelne Dienstleistungen von Teilen der Apothekerschaft öffentlich kontrovers diskutiert würden; das wäre Wasser auf die Mühlen der Kassen“, erklärte sie und bat darum, das nicht als mangelnde Transparenz zu verstehen. Zumal ihrer Auffassung nach ohnehin weitgehend bekannt ist, was die Apothekerschaft will: AMTS, Adhärenz und Prävention. Man kämpfe seitens der Standesvertretung darum, gute und tragfähige Dienstleistungen zu etablieren, versprach Overwiening.
Pharmazeutische Dienstleistungen erfordern Personal
Noch besteht in Berlin auch die Hoffnung, dass die Dienstleistungen im Januar 2022 tatsächlich starten und flächendeckend in allen Apotheken zur Verfügung stehen – schließlich haben die Versicherten einen Anspruch darauf. Es besteht also eine Art Kontrahierungszwang. Dabei ist der ABDA-Präsidentin aber offenbar durchaus bewusst, dass man, um die neuen Dienstleistungen flächendeckend anbieten zu können, unbedingt das Personalproblem lösen muss: „Das ist der nächste Punkt auf der Agenda. Wir müssen das Personalproblem entschlossen angehen, und zwar auf allen Ebenen“, erklärt sie. Overwiening ist überzeugt, dass die pharmazeutischen Dienstleistungen die Arbeit in einer öffentlichen Apotheke für junge Approbierte wieder attraktiver machen können. Zudem eröffneten digitale Angebote neue Möglichkeiten, aus den Apotheken mit den Menschen in Kontakt zu treten. Das biete jungen Menschen mehr Vielfalt in der Berufsausübung. Steigende Gehälter allein werden in Overwienings Augen das Nachwuchsproblem nicht lösen. Vielmehr müsse die Apotheke als heilberufliche Institution gestärkt werden, damit wieder mehr Absolventen in die Offizin gehen.
Das Thema Vergütung angehen und Bürokratie abbauen
Unabhängig von den Dienstleistungen, die perspektivisch ein zweites finanzielles Standbein für die Apotheken werden sollen, steht für die ABDA-Präsidentin aber außer Frage, dass die Vergütung viel zu lange nicht angepasst worden ist. Mit diesem Thema werde sich jetzt der DAV intensiv beschäftigen und die Ergebnisse in die ABDA tragen, so die Ankündigung. Außerdem will man sich in Berlin laut Overwienings Aussage mit dem Abbau unnötiger Bürokratie beschäftigen. Beispielsweise wolle man sich dafür einsetzen, dass die Präqualifizierungsstellen möglichst serviceorientiert arbeiten. Hoffnungen, die Präqualifizierung als solche loszuwerden, machte die ABDA-Präsidentin allerdings keine: Das sei schwierig. Viele Regelungen seien Vertragsgegenstand zwischen Kassen und DAV. Sie versprach aber: „Wir werden bald noch einmal abfragen, wo genau die Kolleginnen und Kollegen die Probleme sehen bezüglich der Bürokratie, und an welchen Stellen sie gerne Entlastung hätten.“
Kritische Kooperationen
Zum Thema „Trivialisierung von Arzneimitteln“ erklärte Overwiening im DAZ-Interview, dass sie die Angebote, bei denen es um Kooperationen von Telemedizinanbietern und Apothekenplattformen beziehungsweise Arzneimittelversendern gehe und die teilweise gezielt die Verschreibungspflicht und andere Verbraucherschutznormen unterlaufen würden, sehr kritisch sehe: „Da bekommt der Verbraucher praktisch jedes Medikament, wenn er nur einen Fragebogen richtig ausfüllt. Das ist eine maximale Trivialisierung nicht nur des Arzneimittels, sondern auch der ärztlichen Tätigkeit.“ Bei der Ärzteschaft müsse ankommen, wie solche Kooperationen auch die ärztliche Diagnose- und Therapiehoheit umschiffen, erläuterte sie. Es gebe zu diesem Thema bereits gute und intensive Gespräche. „Wir werden uns am Ende gemeinsam dagegen stemmen“, ist die ABDA-Präsidentin überzeigt.
Der Berufsstand muss zusammenhalten
Ein weiteres Ziel der Apothekerin ist die Geschlossenheit innerhalb der Apothekerschaft. „Wir sind ein sehr kleiner Berufsstand und je geschlossener wir auftreten, desto besser werden wir unsere Interessen nach außen vertreten können“, begründete sie das im Gespräch mit der DAZ. Aus den Kammerversammlungen und Mitgliederversammlungen der Verbände bekomme sie viel positives Feedback, berichtete Overwiening. Viele hätten Lust auf den Aufbruch, der sowieso kommen werde, und glaubten fest an den Berufsstand. Gleichzeitig gelte es natürlich, das Gute zu bewahren. Overwiening möchte, dass die Apotheken eine wichtige Säule in der Versorgung bleiben und weiterhin als die Experten für Arzneimittel wahrgenommen werden. „Aufbruch bedeutet für mich nicht, alles abzureißen, was bisher war. Ich will unser Fundament halten und sehen, wie wir uns darauf basierend weiterentwickeln können“, erklärte sie. Dass die Apotheke seit Beginn der Corona-Pandemie als eigener Pfeiler der Versorgung im Gesundheitswesen wahrgenommen werde und nicht wie bisher nur als Logistiker – das erlebe man in aktuellen gesundheitspolitischen Diskussionen. Bei der ABDA ist man daher optimistisch, dass die Beinfreiheit bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, die im Zuge der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung eingeräumt wurde, beibehalten wird.
Keine Angst vor dem E-Rezept
Angesprochen auf mögliche Ausfallszenarien beim E-Rezept, zum Beispiel der technischen Komponenten, wie dem Konnektor oder der SMC-B-Karte, wie die ABDA hier vorbeuge und ob die Apotheken wirklich „E-Rezept-ready“ seien, verwies die Präsidentin auf die noch laufende Testphase in Berlin-Brandenburg. Dabei gehe es darum, solche Probleme zu identifizieren. Der DAV bringe sich als Gesellschafter in die Gematik, die zentrale Stelle in Sachen E-Rezept, ein und adressiere solche Probleme. Grundsätzlich ist Overwiening aber der Meinung, dass sich die Apothekerschaft eher mit den Chancen beschäftigen sollte, die mit der Digitalisierung und konkret dem E-Rezept einhergehen. „Natürlich macht Neues auch immer irgendwie Angst“, gibt sie zu, aber: „Wir sollten den Fokus stärker auf die Möglichkeiten als auf die Risiken legen. Was wir in der Pandemie alles in kürzester Zeit umgesetzt haben, zeigt doch, dass die Apotheken fähig sind, sich schnell und sicher auf neue Prozesse einzustellen. Wir können auch E-Rezept!“
Allerdings räumte sie im Gespräch auch ein, dass ihr Gestaltungsspielraum als Person begrenzt ist: „Wir sind als Organisation konsequent demokratisch aufgestellt. Und das bedeutet, dass das allermeiste in Gremien erarbeitet werden muss“, erläuterte Overwiening. So werde übrigens auch die ABDA-Weiterentwicklung angegangen, für die eine Strukturanalyse in Auftrag gegeben wurde: „Die Agentur, die mit der Analyse beauftragt wurde, hat im Sommer ihre ‚Befunde‘ vorgestellt. Jetzt arbeitet sie an ‚Therapievorschlägen‘. Wir streben an, im März mit einem Konvent in die Mitgliederversammlung gehen zu können. Außerdem wurden Kammern und Verbände einbezogen, um Anregungen einzureichen. Und ich verspreche, alles dafür zu tun, dass so viele Vorschläge wie möglich tatsächlich umgesetzt werden.“
Entscheidungsbefugnisse, die ausschließlich bei ihr liegen, sehe die Satzung jedoch kaum vor, erklärte die ABDA-Präsidentin weiter. Sie sieht ihre Aufgabe darin, den Geschäftsführenden Vorstand und damit auch die Mitgliederversammlung davon zu überzeugen, sich für einen gemeinsamen Weg zu entscheiden. Trotz des eingeschränkten persönlichen Kontakts in Corona-Zeiten ist es zumindest ihrem eigenen Eindruck zufolge gelungen, viele gemeinsame Positionen zu finden, die alle konsequent mittragen. |
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