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Recht

Schriftformverstöße im laufenden Mietverhältnis

Warum zahlreichen Mietverträgen ein vorzeitiges Aus drohen kann

Unwissentlich und ungewollt setzen Vermieter und Mieter von Apothekenräumen den Fortbestand des Unternehmens aufs Spiel, indem sie beim Mietvertrag gegen das gesetzliche Schriftformerfordernis verstoßen. Die gute Nachricht: Entsprechende Verstöße können nachträglich geheilt werden.

Eine der wichtigsten Grundlagen für einen Apothekenbetrieb ist der Mietvertrag über die Apothekenbetriebsräume. Denn die Betriebserlaubnis wird nicht nur personen-, sondern auch raumgebunden erteilt. Der Standortfaktor ist für den Bestand eines soliden Geschäftswertes von erheblicher Bedeutung und damit einhergehend der Fortbestand des Mietvertrages. Ohne es zu wissen, setzen viele Mieter, aber auch Vermieter den Fortbestand eines – eigentlich auf bestimmte Dauer laufenden und mit Verlängerungsoptionen ausgestatteten – Mietvertrages ungewollt aufs Spiel und riskieren eine Minderung des Geschäftswertes oder die drohende Schließung der betreffenden Apotheke, weil die Räume nicht mehr zur Verfügung stehen. Denn sowohl beim Abschluss als auch im laufenden Mietverhältnis können Verstöße gegen das gesetzliche Schriftformerfordernis begangen werden, was die Gefahr birgt, dass der Mietvertrag jederzeit mit der gesetzlichen Frist gekündigt werden kann.

Grundsätzlich müssen Mietver­träge nicht schriftlich (mithin auf Papier mit Namensunterschriften) abgeschlossen werden. Ein Abschluss ist beispielsweise auch per E-Mail, also in Textform, oder sogar mündlich möglich. Für Mietverträge gilt nach § 550 BGB aber eine Einschränkung von diesem Grundsatz der sogenannten Formfreiheit, wenn sie für eine längere Zeit als ein Jahr gelten sollen. Für die Wirksamkeit der festen Laufzeit bedürfen diese Mietverträge der Schriftform. Doch die Unterschriften unter einem Mietvertrag genügen alleine noch nicht für die Wahrung der Schriftform. Über die Jahre sind zahlreiche Gerichtsentscheidungen zu den Anforderungen an die Schriftform ergangen.

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Eigentlich handelt es sich bei § 550 BGB um eine drittschützende Norm, die weder den Mieter noch den Vermieter, sondern den Erwerber einer Immobilie schützen soll. Da der althergebrachte Grundsatz „Kauf bricht nicht Miete“ gilt und ein Erwerber als neuer Eigentümer zwingend in die mietvertraglichen Rechte und Pflichten einzutreten hat, soll er sich vor dem Erwerb und dem späteren Eintritt in den Mietvertrag anhand einer einheitlichen Urkunde einen Überblick verschaffen können. War früher noch eine feste körperliche Ver­bindung des Mietvertrages samt seiner Anlagen und Nachträge erforderlich, hat der Bundesgerichtshof mit einem als „Auflockerungsrechtsprechung“ bekannten Urteil aus dem Jahre 1997 diesen Grundsatz aufgeweicht. Fortan soll im Wesentlichen eine inhaltliche Bezugnahme für Anlagen und Nachträge ausreichen, wobei diese klar und objektiv verständlich sowie im Grunde widerspruchsfrei formuliert sein müssen, um dem potenziellen Erwerber den erforderlichen Überblick zu ermöglichen.

Durch die Rechtsprechung wurden unzählige Einzelfälle zu fast allen erdenklichen Konstellationen entschieden, aus denen sich ein umfangreicher Anforderungenkatalog zusammenstellen lässt, den es sowohl im Rahmen des Mietvertragsabschlusses als auch im laufenden Mietverhältnis zu beachten gilt und der den Umfang dieses Artikels weit überschreiten würde. Nachfolgend sollen daher einzelne „klassische Problemfälle“ beschrieben werden, wie es zu einem Schriftformverstoß kommen kann.

Unklare Formulierungen vermeiden

Wie zuvor erwähnt, kann bereits beim Abschluss des Mietvertrages ein Schriftformverstoß begangen werden. Häufig wird in einem Apothekenmietvertrag eine Festlaufzeit mit sich anschließenden Verlängerungsoptionen vereinbart. Eine in Mietverträgen nicht gerade selten vorkommende Formulierung lautet da zum Beispiel: „Im Anschluss an diese Festlaufzeit schließen sich vier Verlängerungsoptionen im Umfang von jeweils fünf Jahren an.“ Man würde in dieser Formulierung nicht zwangsläufig einen Schriftformverstoß vermuten. Da sich die Klausel aber dazu ausschweigt, ob nur dem Mieter, nur dem Vermieter oder gar beiden Parteien die Verlängerungsoptionen zu­stehen sollen, liegt eine unklare Formulierung vor, aus der sich ein Schriftformverstoß ergibt (vgl. LG Berlin, Urteil vom 07.05.2022 – 23 O 177/20). Der Mietvertrag selbst ist dabei durchaus wirksam. Die gesetzliche Folge des Schriftformverstoßes ist hier jedoch die, dass ab dem Zeitpunkt einer einjährigen Mietzeit das Mietverhältnis sowohl vom Mieter als auch vom Vermieter bzw. durch den Erwerber der Immobilie mit der gesetz­lichen Frist gekündigt werden kann. Dies ungeachtet dessen, dass die Parteien zunächst eine mehrjährige Festlaufzeit und sich anschließende Verlängerungsoptionen vereinbaren wollten.

Aber selbst dann, wenn von wesentlichen Bedingungen eines einst formwirksam abgeschlossenen Mietvertrages abgewichen werden soll, kann ein Schriftformverstoß begangen werden. Vereinbaren die Parteien in einem Mietvertrag beispielsweise eine Miet­sicherheit in Form einer Bankbürgschaft und leistet der Mieter bei Mietbeginn dann die Sicherheit in Form einer Barkaution, so stellt diese Änderung der Miet­sicherheit ebenfalls einen Umstand dar, der mittels eines Nachtrages, der seinerseits die Anforderungen an die Schriftform zu wahren hat, hätte vereinbart werden müssen (vgl. Kammergericht, Urteil vom 13.11.2006 – 8 U 51/06).

Die Rechtsprechung nimmt vom Erfordernis der Schriftform lediglich solche nachträglichen Abreden aus, die für den Inhalt des Vertrages von nur nebensächlicher Bedeutung sind, und hat bereits klargestellt, dass für Nachträge zu einem Mietvertrag nichts anderes gilt als für den Ursprungsvertrag selbst (vgl. BGH, Urteil vom 25.11.2015 – XII ZR 114/14). Vereinfacht kann man die Anforderungen an einen formwirksamen Nachtrag wie folgt zusammenfassen: Ein formwirksamer Nachtrag muss auf den ursprünglichen Mietvertrag und alle vorangegangenen Nachträge inhaltlich Bezug nehmen, inhaltlich aus sich heraus verständlich sein, nötigenfalls Bezug auf Anlagen nehmen und von allen Parteien unterzeichnet werden.

Beispiel Übergabe der Mietsache

Ein häufig begangener Schriftformverstoß tritt im Falle der Übergabe der Mietsache auf, was folgendes Fallbeispiel verdeut­lichen soll. Ein Apotheker übernimmt zum 2. Januar 2023 eine Apotheke. Der Mietvertrag sieht für den Mietbeginn den 1. Januar 2023 vor, bei Übergabe der Miet­sache soll von den Parteien ein Protokoll erstellt werden. Da der 1. Januar 2023 nicht nur ein Sonntag, sondern auch ein Feiertag ist, einigen sich Mieter und Vermieter auf eine Übergabe am 2. Januar 2023 und wollen den Mietbeginn im Übergabeprotokoll festhalten. Weil die Änderung des Mietbeginns eine rechtsgeschäftliche Einigung voraussetzt, bedarf das Übergabeprotokoll der Schriftform, muss also mindestens auf den Mietvertrag Bezug nehmen und von beiden Parteien unterzeichnet werden (vgl. OLG Brandenburg, Urteil vom 02.04.2008 – 3 U 80/07). Möglicherweise wird die Schriftform dabei von den Parteien noch gewahrt. Wird aber während des laufenden Mietverhältnisses eine weitere Änderung vorgenommen, weil der Mieter beispielsweise zusätzliche Flächen anmietet, so muss diese zusätzliche Anmietung ordnungsgemäß mittels eines Nachtrages festgehalten werden. Wird in diesem Nachtrag aber neben dem Mietvertrag nicht auch auf das Übergabeprotokoll Bezug genommen, obwohl mit dem Protokoll die erste (rechts­geschäftliche) Änderung des Mietvertrages vollzogen worden ist, liegt darin ein Verstoß gegen die Schriftform.

Beispiel Regelung der Betriebskosten

Nicht unerwähnt bleiben sollen die Regelungen zu den Betriebskosten. Auch hierbei übersehen die Parteien eines Mietvertrages gelegentlich die rechtlichen Anforderungen. Hatten die Parteien mit dem Mietvertrag eine Betriebs­kostenpauschale vereinbart, mit welcher sich der Vermieter den alljährlichen Abrechnungsaufwand sparen wollte, und kommt dieser im Verlauf zu dem Schluss, dass sich die Pauschale für ihn nicht mehr rechnet, so müssen die Parteien einen formwirksamen Nachtrag über den Wechsel von einer Pauschale zur Vorauszahlung abschließen (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 05.12.2008 – 30 U 220/07). Ein bloßes Aufforderungsschreiben des Vermieters und eine Anpassung des Dauerauftrages durch den Mieter genügen hingegen nicht. Ein Verstoß kann ferner darin begründet liegen, dass eine einzelne Betriebskostenposition nach den Regelungen im Mietvertrag bisher nicht zur Umlage ge­hören sollte und erst im laufenden Mietverhältnis hinzukommt. Exemplarisch ist hier die Aus­führung des Winterdienstes zu nennen, für den mietvertraglich eigentlich der Mieter zuständig sein soll, der Vermieter aber be­absichtigt, diese Arbeiten künftig durch ein Unternehmen ausführen zu lassen. Sollen die dabei entstehenden Kosten als neue Betriebskostenposition auf den Mieter umgelegt werden, muss dies mittels eines Nachtrages geschehen, selbst wenn dies für die Wirksamkeit der Umlagefähigkeit nicht erforderlich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 29.05.2000 – XII ZR 35/00).

Die hier beschriebenen Fälle sind keineswegs abschließend. Sie sollen allerdings aufzeigen, wie alltagsrelevant das Problem des Verstoßes gegen die Schriftform ist. Die gute Nachricht zum Schluss: Ein einmal begangener Schriftformverstoß kann mittels eines Nachtrages geheilt werden, sodass das Risiko einer Kündigung vermieden wird. |

Christian Fiedler, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht, Kanzlei Dr. Schmidt und Partner, Dresden

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