Die Seite 3

Beheben statt blockieren

Foto: DAZ/Alex Schelbert
Dr. Armin Edalat, 
Chefredakteur der DAZ

Woran merkt man, dass ein E-Rezept-Start­termin näher rückt? Daran, dass er kurzfristig entweder verschoben oder gänzlich abgesagt wird. Nächste Woche hätte es eigentlich den neuen Versuch eines bundesweiten Roll-outs digitaler Verordnungen geben sollen. Ausgehend von Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe wären immer mehr Regionen mit Praxen und Kliniken hinzugekommen. Doch an der Küste erkennt man plötzlich datenschutzrechtliche Probleme bei der Weiterleitung der Token an die Versicherten. Die dortige Kassenärztliche Vereinigung zieht die Notbremse und verlässt das Projekt, ­bevor es überhaupt so richtig begonnen hat (S. 9).

Deutschlands Apotheken bleiben dagegen kollektiv verpflichtet, ab dem 1. September 2022 ­E-Rezepte empfangen und verarbeiten zu können, egal, wo sie beheimatet sind. Nachdem es also schon im vergangenen Jahr unter dem damaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zu einem peinlichen Hin-und-her-Geschiebe des Startschusses gekommen war, gehen die Pleiten, Pech und Pannen mit dem E-Rezept im nun SPD-geführten Gesundheitsressort von Karl Lauterbach in die nächste Runde.

Dabei hätte man viel früher misstrauisch werden müssen. Bereits in der Testphase der Gematik fiel auf, dass die schleswig-holsteinischen Praxen wesentlich zum Erreichen der Quote beitrugen. Der Grund: Zwischen Nord- und Ostsee gingen die Ärztinnen und Ärzte relativ pragmatisch bei der Ausstellung der E-Rezepte vor – oder, wie man es neudeutsch formulieren würde: Die Praxen wollten eine besonders hohe Con­venience bei ihren Patienten gewährleisten. Die E-Rezept-Token schickten sie deshalb massenhaft per E-Mail raus, obwohl dieser Weg offiziell gar nicht vorgesehen ist.

Anfang dieser Woche dann die Quittung: Die Landesdatenschutzbeauftragte erklärt das Weiterleiten des Tokens per E-Mail an die Versicherten für unzulässig. Auch datenlose Transfer-QR-Codes stuft sie als Gesundheitsdaten ein. Ein Hochladen in Drittanbieter-Apps oder ein Versenden ohne Ende-zu-Ende-Verschlüsselung dürfe daher nicht geschehen. Diese Ansage nahm die Kassenärztliche Vereinigung umgehend zum Anlass, einen geordneten Rückzug aus dem gesundheitspolitischen Prestigeprojekt anzutreten. Viel zu groß sei die Sorge, dass es am Ende die Ärzte sind, die für Datenverlust und -missbrauch haften müssen, so die offizielle Erklärung. Zwar hätte es noch drei weitere und vor allem offiziell empfohlene Möglichkeiten gegeben, die Token an die Patienten auszuhändigen, doch für alle kennt die Kassenärztliche Vereinigung in Schleswig-Holstein Gründe, die aktuell dagegensprechen.

So wie es aussieht, wird es bei Westfalen-­Lippe als Pilotregion für den bundesweiten E-­Rezept-Roll-out am nächsten Donnerstag bleiben. Nun werden sich alle ­Augen auf die dortigen ­Praxen, Kliniken und Apotheken richten. Dass datenschutzrechtliche Mängel im Rahmen der Testphase erkannt werden, ist nicht ungewöhnlich und gut. Doch diese sollten konstruktiv behoben werden und keinesfalls einer standespolitischen Blockadehaltung dienen. Diese kristallisiert sich in Schleswig-­Holstein ­jetzt allerdings aus. Immerhin war es auch die Kassen­ärztliche Vereinigung, die den Landes­datenschutz einschaltete, und nach dessen ­Bewertung ohne Not alle Schotten dicht macht.

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