Arzneimittel und Therapie

COVID-19 erhöht Thromboembolie-Risiko

Vollständige Impfung kann davor schützen

Ambulant behandelte COVID-19-­Patienten haben ein erhöhtes Risiko, in den ersten 30 Tagen eine ­akute venöse Thromboembolie zu entwickeln. Das zeigt eine aktuelle Studie, die zudem weitere Risikofaktoren wie höheres Alter identi­fizierte. Eine vollständige COVID-19-Impfung kann das Thromboembolie-Risiko bei einer Durchbruchinfektion jedoch reduzieren.

Das Auftreten von COVID-19-assoziierten venösen Thromboembolien (VTE) und deren Zusammenhang klinischer und genetischer Risikofaktoren wurde in einer bevölkerungs­basierten Kohortenstudie untersucht. Eingeschlossen wurden ausschließlich Personen aus der UK Biobank, und zwar 18.818 Teilnehmer, die sich zwischen dem 1. März 2020 und dem 30. September 2021 mit SARS-CoV-2 infiziert hatten (positiv im PCR-Test), sowie 93.179 nicht infizierte Kontrollen. Personen, die im Krankenhaus positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurden oder in der Vergangenheit bereits eine VTE hatten oder bis zu einem Jahr vor Studienbeginn orale Antikoagulanzien und Thrombozytenaggregationshemmer einnahmen, wurden ausgeschlossen. Das mittlere Alter der Studienteilnehmer beider Gruppen betrug 64,3 Jahre, und etwa 44% der Teilnehmer waren männlich. Der primäre Endpunkt der Studie war das Auftreten einer venösen Thromboembolie, einschließlich tiefer Venenthrombose oder Lungenembolie innerhalb der ersten 30 Tage nach der Infektion.

Patienten mit COVID-19, die ambulant behandelt wurden, wiesen ein klinisch relevant erhöhtes Risiko für eine VTE in der akuten Phase der Infektion auf. Die kumulative Inzidenz von ­venösen Thromboembolien war in den ersten 30 Tagen nach der Infektion deutlich erhöht. Das Auftreten von 73 Fällen einer VTE in der Gruppe der Infizierten im Vergleich zu 17 Fällen in der Kontrollgruppe führte zu In­zidenzraten von 50,99 und 2,37 pro 1000 Personenjahre (Hazard Ratio [HR] = 21,42; 95%-Konfidenzintervall [KI] = 12,63 bis 36,31). Vollständig geimpfte Personen hatten ein signifikant geringeres Risiko, eine venöse Thromboembolie zu erleiden (HR = 5,95; 95%-KI = 1,82 bis 19,51, p = 0,02) als Ungeimpfte (HR = 27,94; 95%-KI = 15,11 bis 51,65).

Foto: Melinda Nagy/AdobeStock

Impfen schützt. Bei Probanden mit einer vollständigen COVID-19-Impfung war das Risiko einer venösen Thromboembolie gegenüber Ungeimpften signifikant reduziert.

Weitere Risikofaktoren entdeckt

Untersuchte man die mit SARS-CoV-2 ­infizierten Studienteilnehmer, so fand man weitere Risikofaktoren für die Entwicklung einer VTE. Ältere Probanden hatten ein zusätzlich erhöhtes Risiko, das sich pro zehn Jahre Alterszunahme etwa verdoppelte (adjustierte HR = 1,87; 95%-KI = 1,50 bis 2,33). Ein ebenfalls erhöhtes Risiko zeigte sich bei Männern (adjustierte HR = 1,69; 95%-KI = 1,30 bis 2,19) und fettleibigen Personen (adjustierte HR = 1,83; 95%-KI = 1,28 bis 2,61). Eine erblich bedingte Thrombophilie, wie eine Faktor-V-Leiden-Mutation, erhöhte ebenfalls das VTE-Risiko nach einer COVID-19-Erkrankung im Vergleich zu infizierten Probanden ohne genetische Vorerkrankung (adjustierte HR = 2,05; 95%-KI: 1,15 bis 3,66).

Prophylaxe erwägen

Die Studienergebnisse legen nahe, dass bei einer COVID-19-Erkrankung genetische Variationen, z. B. eine Faktor-V-Leiden-Mutation, eine Rolle bei der Entwicklung einer VTE spielen. Genetische Screenings auf Thrombophilie könnten zur Prophylaxe einer VTE beitragen. Zusätzlich deuten die Studien­daten auf den positiven Nutzen einer COVID-19-Impfung hin. Außerdem konnten neben SARS-CoV-2 weitere Risikofaktoren für eine venöse Thromboembolie identifiziert werden, z. B. keine Impfung, zunehmendes ­Alter, männliches Geschlecht und Adipositas. Vor allem bei älteren, nicht ­geimpften ambulanten Patienten, die mit SARS-CoV-2 infiziert sind, kann bei Vorliegen eines oder mehrerer Risikofaktoren eine Thromboseprophylaxe in Betracht gezogen werden. |

Literatur

Xie JQ et al. Clinical and genetic risk factors for acute incident venous thromboembolism in ambulatory patients with COVID-19. JAMA Intern Med, 2022;182(10):1063-1070, doi:10.1001/jamainternmed.2022.3858

Apothekerin Sophie Schrade

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