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„Der DAV ist die erste Adresse für die Interessen der Apotheken“

Thomas Dittrich, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands, im Interview

eda | Bereits seit 150 Jahren vertritt der Deutsche Apothekerverband (DAV) die Interessen der Apotheken hierzulande. Im Laufe der Zeit hat der Verband einige Wandlungen vollzogen – dass er nach wie vor die erste Adresse ist, wenn es um die Interessen der Apotheken geht, davon zeigte sich DAV-Chef Thomas Dittrich im Interview mit der DAZ überzeugt.
Foto: Martin Jehnichen

Thomas Dittrich ist seit knapp zwei Jahren Chef des Deutschen Apothekerverbands. Die DAZ hat mit ihm anlässlich des 150-jährigen Jubiläums des DAV gesprochen.

Der Deutsche Apothekerverband heißt erst seit 30 Jahren so. Kurz nach der Wiedervereinigung, im Jahr 1992, änderte der DAV im Zusammenhang mit der Verabschiedung einer neuen Satzung seinen Namen. Viele Jahrzehnte zuvor, auch noch bevor es die Bundesrepublik mit ihrem föderalen System gab, lautete sein Name Deutscher Apotheker-Verein. Deshalb hört man ältere Apothekeninhaber mitunter heute immer noch vom „Verein“ reden. Es war im September 1872, als der DAV aus dem Allgemeinen Deutschen Apothekerverein entstand, der 1850 aus dem Apothekerverein im nördlichen Teutschland und dem Süddeutschen Apotheker-Verein hervorgegangen war.

Seine Wandlung von einem wissenschaftlichen Zielen dienenden Verein zu einer Standes- und Interessenvertretung war eine typische Entwicklung im Zeitalter fortschreitender Industrialisierung – und diesem Auftrag sieht sich der DAV seinen Mitgliedern noch heute verpflichtet. Dazu zählen auf Bundesebene beispielsweise der Abschluss von Arznei- und Hilfsmittelversorgungsverträgen und die Verwaltung des Fonds zur Förderung der Sicherstellung des Notdienstes von Apotheken als Sonderaufgabe. Mitglieder des DAV sind heute die 17 Landesapothekerverbände bzw. -vereine in den Regionen.

Nach zwölf Jahren an der Spitze des DAV schied Ende 2020 Fritz Becker aus Baden-Württemberg aus dem Amt aus. Der Vorsitzende des Sächsischen Apothekerverbands, Thomas Dittrich, übernahm unmittelbar darauf den Vorsitz. Anlässlich des 150-jährigen Jubiläums erläutert Dittrich im Interview mit der DAZ, weshalb er den DAV für die erste Adresse hält, wenn es um die Interessen der Apotheken geht, und weshalb der Berufsstand möglichst mit einer Stimme sprechen sollte. Das Gespräch fand unmittelbar vor Bekanntwerden des Streik-Aufrufs einiger Landesapothekerverbände bzw. -vereine wegen des beabsichtigten GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes statt.

DAZ: Herr Dittrich, blicken wir auf die vergangenen 15 Jahre zurück. Wie hat sich der Verband aus Ihrer Sicht maßgeblich entwickelt?

Dittrich: Wir haben in den angesprochenen letzten 15 Jahren viele neue Aufgaben übernommen. Als einen Meilenstein sehe ich ganz klar die Schaffung des Nacht- und Notdienstfonds, der seit 2013 die Sicherstellung des Notdienstes fördert. Der DAV-Fonds verwaltet die Mittel unter Aufsicht des Bundesgesundheitsministeriums. Damit hat sich für uns ein völlig neues Betätigungsfeld ergeben. Aus jüngster Vergangenheit ist natürlich die Einführung der honorierten pharmazeutischen Dienstleistungen zu nennen. Deren Finanzierung zu verwalten, ist ebenfalls die Aufgabe des Nacht- und Notdienstfonds. Apotheken versorgen mittlerweile mit Cannabinoid-haltigen Stoffen und bieten Impfungen an – bei all diesen Entwicklungen sind wir als DAV natürlich beteiligt.

DAZ: Der DAV ist der Verband der Landesapothekerverbände und hat den Anspruch, die Interessen aller Apotheken zu vertreten. Inwiefern hat sich das bewährt?

Dittrich: Mit Blick auf den Organisa­tionsgrad – in den Verbänden sind größtenteils mehr als 90 Prozent der Apotheken vertreten – ist das nicht nur unser Anspruch, sondern gelebte Realität. Ich halte es für wichtig, dass wir gegenüber der Politik und in den Verhandlungen mit den Kranken­kassen mit einer Stimme sprechen. Gerade im Hinblick darauf, dass wir ein vergleichsweise kleiner Berufsstand sind. Übrigens wird das auch so von unseren Gesprächspartnern erwartet. Der DAV ist die erste Adresse, wenn es um die wirtschaftlichen In­teressen der Apotheken geht.

DAZ: Andererseits haben sich in den vergangenen Jahrzehnten viele weitere Interessenvertretungen gebildet, weil sich die Apothekenlandschaft immer mehr differenziert und spezialisiert. Gelingt es vor diesem Hintergrund überhaupt noch, mit einer Stimme zu sprechen?

Dittrich: Meinungsbildung ist immer ein demokratischer Prozess. Die Tatsache, dass es kleinere Spezialverbände gibt, halte ich dabei für nicht hinderlich. Im Gegenteil: Wir stehen bei Entscheidungsprozessen mit diesen Verbänden und Gruppen im Austausch. So zum Beispiel mit dem Verband der Zytostatika herstellenden Apothekerinnen und Apotheker, VZA, bei allen Aspekten rund um die Zytostatika-Versorgung. Bei aller Differenzierung und Spezialisierung bieten doch alle Apotheken ein einheitliches Spektrum an Pflichtleistungen an und stellen so die Grundversorgung sicher. Dafür ist der DAV zuständig und wurde im SGB V auch dahingehend beauftragt.

DAZ: Der DAV als Verband der Verbände: Wäre es für Sie denkbar, dass sich neben die Landesapothekerverbände irgendwann auch mal ein Spezialverband reiht?

Dittrich: Nein, das halte ich persönlich für nicht notwendig. Wie gesagt: Der Austausch findet regelmäßig statt.

DAZ: … oder dass der DAV direkt die Interessen jeder einzelnen Apotheke vertritt?

Dittrich: Das wäre in unserem föderalen System nicht zielführend. Für die regionale Organisation sind die Landesapothekerverbände unverzichtbar. Sie stehen in direktem Austausch mit den Apothekeninhabern sowie der Politik und den Krankenkassen im jeweiligen Bundesland.

Neue Geschäftsfelder für Apotheken

DAZ: Wie proaktiv geht der DAV auf mögliche neue Geschäftsfelder für Apotheken ein?

Dittrich: Das ist wie beim Schach: Man muss stets mehrere Züge vorausdenken, ohne sich öffentlich zu äußern oder seinem Gegenüber voreilig etwas zu signalisieren. Bei allen potenziellen Geschäftsfeldern ergeben sich Chancen und Risiken. Mit diesen müssen wir uns intern in den Gremien befassen. Als es um die Erstellung der digitalen Impfzertifikate ging, haben wir beispielsweise der Politik proaktiv das Angebot gemacht, diese Dienstleistung zu übernehmen und eine entsprechende Infrastruktur zu entwickeln.

DAZ: Stichwort „Cannabis-Legalisierung“: Da gibt es durchaus proaktive Landesverbände, die ein attraktives neues Betätigungsfeld für die Apo­theken vermuten. Andere halten sich zurück. Könnte es am Ende des Meinungsbildungsprozesses sein, dass Sie als DAV-Vorsitzender eine andere Meinung vertreten als die ABDA-Präsidentin?

Dittrich: Nein. Die Apothekerschaft wird sich zu diesem Thema mit einer Stimme äußern. Das, was Sie aktuell erleben und beschreiben, ist ja ein demokratischer Prozess. Übrigens auch innerhalb der Bundesregierung. Die Ampelkoalition hat sich überhaupt noch nicht konkret zur Cannabis-Legalisierung geäußert. Daher wäre es auch für uns etwas zu früh.

DAZ: Im Zusammenhang mit dem E-Rezept gibt es auch die Idee einer Direktabrechnung mit Krankenkassen. Wie positioniert sich der DAV hierbei? Die Landesapothekerverbände hängen zum Teil ja wirtschaftlich mit den Rechenzentren zusammen.

Dittrich: Die Abrechnungswege über die Rechenzentren sind etabliert und sicher.

Verein oder besser Körperschaft des öffentlichen Rechts?

DAZ: Der DAV ist ein eingetragener Verein. Die wirtschaftlichen Interessen der Kassenärzte werden durch Körperschaften des öffentlichen Rechts vertreten. Wäre so etwas auch für die Apotheker denkbar?

Dittrich: Alles hat seine Vor- und Nachteile. Als Verein verfügt der DAV über eine effiziente Struktur und die nötige Freiheit zur eigenen Gestaltung. Gleichzeitig können dem DAV in Einzelbereichen hoheitliche Aufgaben übertragen werden, wie beispielsweise zur Abwicklung der TI-Refinanzierung und der Botendienstpauschale. Kassenärztliche Vereinigungen hingegen haben im jeweiligen Bundesland praktisch den Status einer Behörde. Sie stehen unter Aufsicht des Ministeriums, müssen für die Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung sorgen und unter Umständen Disziplinarverfahren gegen ihre Mitglieder einleiten. Das halte ich ehrlich gesagt für nicht erstrebenswert.

DAZ: Vor welchen aktuellen Herausforderungen steht die Selbstverwaltung? Werden Schiedsverfahren immer wahrscheinlicher?

Dittrich: Schiedsverfahren hat es schon immer gegeben. Auch in den Gesetzen standen schon immer Fristen, zu denen sich die Spitzenverbände einigen müssen. Doch natürlich nimmt der Druck zu. Die Kranken­kassen befinden sich untereinander im Wettbewerb. Finanzierungsfragen sind noch bedeutender geworden. Die Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband sind sehr anstrengend, doch es lohnt sich. Ich würde immer wieder eine Verhandlungslösung bevorzugen, auch wenn sie auf Kompromissen beruht. Was wäre denn die Alternative? Eine praxisferne Vorgabe aus der Politik, die am Schreibtisch entstanden ist? Auf gar keinen Fall!

DAZ: Genauso vehement weisen Sie die Absicht im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz zurück, den Kassenabschlag anzuheben. Oder gibt es inzwischen Zugeständnisse Ihrerseits, verbunden mit der Hoffnung, dass man sich bei den in Aussicht stehenden Honorarkürzungen irgendwo in der Mitte trifft?

Dittrich: Natürlich nicht. Wir kämpfen bis zum Schluss. Es darf nicht sein, dass die Politik einerseits „Danke“ sagt und andererseits die Apotheken mit mindestens 240 Millionen Euro in den nächsten beiden Jahren belasten will.

DAZ: Herr Dittrich, seit zwei Jahren sind Sie nun DAV-Vorsitzender. Von irgendjemandem stammt der Ausspruch: „Wenn es die ABDA nicht gäbe, müsste man sie erfinden.“ Wie lautet Ihr Fazit zum DAV?

Dittrich: Ersetzen Sie in dem Satz „die ABDA“ durch „den DAV“ und sie durch ihn, dann passt das auch sehr gut. |

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