Die Seite 3

Irgendwie trotzdem da

Foto: DAZ/Alex Schelbert

Dr. Armin Edalat, Chefredakteur der DAZ

Alle zehn Jahre und mal wieder an einem Mittwoch: Wenn Apotheken streiken, dann folgt das offenbar einem Rhythmus. Man kann es aber auch so formulieren: Zehn Jahre lang haben sich die Apothekerinnen und Apotheker geduldig gezeigt und vergeblich versucht, der Politik klarzumachen, dass es statt Kürzungen deutliche Honorarerhöhungen geben muss. Doch nun ist der Bogen überspannt. Das geplante GKV-Finanzstabilisierungsgesetz kommt zur Unzeit. Die Inflation schießt nach oben, Lohnkosten steigen, und in allen Sektoren finden Verteuerungen von Dienstleistungen und Waren statt. Wie sollte es vor diesem Hintergrund für die Apotheken im Land noch zu schaffen sein, einen Obolus zur Finanzierung des GKV-Systems zu leisten?

Für Gesundheitsminister Lauterbach und die Bundesregierung steht nach wie vor fest, dass es im Apothekensystem genügend Effizienzreserven geben muss. Bislang waren die Bemühungen der Standesvertretung nicht von Erfolg gekrönt, die Entscheider vom Gegenteil zu überzeugen. Deshalb sieht sich der Saarländische Apothekerverein nun gezwungen, die nächste Eskalationsstufe einzuleiten und die Mitglieder zum Streik aufzurufen. Die Vorstandsvorsitzende Susanne Koch will der Politik damit vor Augen führen, dass die Apotheken die geforderten Belastungen nicht mehr (er-)tragen können. Am kommenden Mittwochnachmittag, den 19. Oktober, sollen die Apotheken im Saarland ihren Betrieb vorübergehend einstellen. Einige weitere Verbände im Bundesgebiet zeigen sich solidarisch und schließen sich an (s. S. 9).

Für den Apothekenstreik im Jahr 2022 wünscht sich die Saarländerin Koch viel mehr Durchschlagskraft als im Vergleich zum „Streik light“ von 2012.

Dieser Wunsch ist nachvollziehbar, denn so bedrohlich das Schwert des Streiks im Arbeitskampf auch wirken mag: Bei den Apotheken wird man das Gefühl nicht los, dass sie irgendwie trotzdem da sind und die Wirkung eines Streiks verpuffen könnte. So gibt es Betriebe – vor allem auf dem Land –, die mittwochnachmittags ohnehin regulär schließen. Einen Notdienst wird es trotzdem geben, und Apotheken in Lagen wie Einkaufszentren, die in Konflikt mit ihrem Vermieter geraten könnten, sollten besser um Erlaubnis fragen oder lediglich Dienst durch die Notdienstklappe versehen, rät der Apothekerverein.

So unverzichtbar die Apotheken für die Versorgung sind, so pflichtbewusst arbeiten sie für die Gesellschaft, auch dann, wenn es darauf ankommt, für die eigene Zukunft lautstark zu protestieren. Es bleiben keine Busse und Bahnen im Depot, Flugzeuge am Boden oder Tankstellen geschlossen. Dass der größte Teil der Bevölkerung just am Streiknachmittag auf Arzneimittel angewiesen ist, wird auch eher unwahrscheinlich sein. Ist ein Arbeitskampf von Apothekenteams deshalb weniger bedeutend? Nein, sicher nicht, und dieser vermeintliche Nachteil kann zum großen Vorteil werden. Denn beim Streiken sollten der öffentliche Druck und die politische Botschaft wohldosiert sein. Was bringt es, wenn sich die Menschen verärgert von den Apotheken abwenden? Wenn sie die Botschaft nicht nachvollziehen und unterstützen können? Damit wäre den Apotheken und der Zukunft des Versorgungssystems sicher nicht geholfen.

Hoffentlich schließen sich noch viele weitere Verbände und Apotheken am kommenden Mittwoch der Streikbewegung an und setzen starke und eindeutige Zeichen gegenüber der Politik. Denn es wird Zeit zu zeigen, was wirklich auf dem Spiel steht.

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