Austauschbarkeit wirkstoffgleicher Arzneimittel

AOK kontert mit eigenen Rechtsgutachten

Berlin - 28.08.2009, 19:35 Uhr


Die Frage, wann wirkstoffgleiche Arzneimittel austauschbar sind, spaltet Pharmaindustrie und Kassen. Nachdem die Hersteller ihre Auffassung im Juli juristisch untermauern ließen, zieht die AOK nun mit zwei Gutachen nach, die ihre Meinung stützen.

Es ist nichts Neues: Treffen zwei Juristen aufeinander, gibt es mindestens drei verschiedene Meinungen. In Berlin gibt es zwei Professoren, die sowohl den Dr. jur. als auch den Dr. med. im Titel tragen und die von diversen Verbänden des Gesundheitswesens immer wieder gern um Rat und Gutachten gebeten werden: Christian Dierks und Alexander Ehlers. Vor wenigen Wochen trat Ersterer mit den Pharmaverbänden vor die Presse, um sein Gutachten vorzustellen, das die Auffassung der Hersteller bestätigte. Bei der AOK war und ist die Verärgerung groß. Sie sieht ihre Rabattverträge durch windige Strategien der Hersteller torpediert und wirft der Industrie vor, Patienten zu verunsichern.

Nun kontert die Kasse ebenfalls juristisch. Am Freitagnachmittag legte sie in Berlin gleich zwei Gutachten vor: Ehlers stellte das seinige zum Tatbestandsmerkmal "gleicher Indikationsbereich" vor, AOK-Chef-Rabattverhandler Christopher Hermann skizzierte in Kürze den Inhalt des Gutachtens des nicht anwesenden Medizinrechtlers Prof. Thorsten Kingreen (Universität Regensburg) zur Auslegung der "identischen Packungsgröße". Denn nicht nur die Anwendungsgebiete, sondern auch mengenmäßige Inhalt der Präparate macht Probleme bei der Substitution. Konkret: Kann eine verordnete 100er-Packung Omeprazol gegen die für die AOK rabattierte KSK-Variante mit lediglich 98 Pillen pro Packung ausgetauscht werden?

Kurz zusammengefasst kommen beide Gutachten zu dem Ergebnis, dass wirkstoffgleiche Arzneimittel weitreichend austauschbar sind. Weder muss das Indikationsspektrum völlig identisch sein, noch müssen numerisch identische Packungsgrößen vorliegen. Dennoch ist auch Hermann und seinen zu Rate gezogenen Juristen klar, dass nun Gutachten gegen Gutachten steht. Auch für die Apotheker ist im Grunde nichts geklärt. Sie stehen weiterhin zwischen den Fronten. Hermann wie Ehlers betonten daher, dass es nach wie vor erforderlich sei, Rechtsklarheit zu schaffen; entweder vom Gesetzgeber oder - noch besser, weil theoretisch wesentlich schneller realisierbar - von den Rahmenvertragspartnern, dem Deutschen Apothekerverband und dem GKV-Spitzenverband. Bislang wurden sich diese in diesem Punkt allerdings noch nicht einig. Die AOK setzt dennoch einige Hoffnung auf das nächste Treffen, das am 7. September stattfinden soll. "Sie sollten die Probleme schnell aus dem Weg räumen, alles andere ist nicht zielführend", betonte Hermann.

Allzu große Austausch-Probleme scheint es bei den im Juni neu angelaufenen AOK-Rabattverträgen allerdings nicht zu geben. Wie Hermann berichtete, konnten bereits im ersten Monat "Super-Quoten" erreicht werden. 70 bis 80 Prozent der Verordnungen würden durch Rabattarzneien substituiert, bei etwa 15 Prozent der Verordnungen stehe das Aut-idem-Kreuz dem Austausch entgegen und bei den übrigen Fällen, hätten die Apotheker pharmazeutische Bedenken angemeldet.


Kirsten Sucker-Sket