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Gesundheitsreform in den USA
Obama: notfalls im Alleingang
Siebeneinhalb Stunden Debatte vor laufender Kamera, aber keine Annäherung: Der Gesundheitsgipfel in Washington hat nicht den von Präsident Barack Obama erhofften Durchbruch gebracht
Die rund 40 Vertreter beider Parteien waren sich bei dem siebeneinhalbstündigen Treffen in den meisten Fragen nicht näher gekommen. Obama meinte skeptisch: „Beide Seiten stimmen darin überein, dass wir Reformen auf dem Krankenversicherungsmarkt brauchen. Aber über die Einzelheiten gibt es viele Differenzen.“ Die Republikaner machten vor allem klar, dass sie die Reform allenfalls unterstützen, wenn der Gesetzesprozess noch einmal ganz von vorne aufgerollt wird.
„Fangt wieder mit einem weißen Blatt Papier an und geht dann Schritt für Schritt vor, um zu sehen, wo wir zustimmen können“, drängte der führende Republikaner im Senat, Mitch McConnell. Dafür hätten die Amerikaner keine Zeit, entgegnete die demokratische Sprecherin des Abgeordnetenhauses, Nancy Pelosi. „Viele von ihnen sind bereits am Ende.“
In einem leidenschaftlichen Appell hatte Obama Demokraten und Republikaner zu überparteilicher Gemeinsamkeit aufgerufen. „Wir wissen alle, dass diese Reform dringend notwendig ist.“ Er werde auf einen Kompromiss hinarbeiten. Obama sprach von einem Zeitrahmen zwischen vier und sechs Wochen. Wenn es dann keine Einigung gebe, hätten die Politiker „viele Argumente, um die Prozedur im Kongress voranzutreiben.“
Möglich wäre, dass die Demokraten den nächsten Haushalt als Vehikel nutzen, um einige Punkte ihrer Reform dort unterzubringen. In dem sogenannten „Reconciliation“-Prozess können Haushaltsgesetze den Senat unter bestimmten Bedingungen auch mit der einfachen Mehrheit von 51 Stimmen durchgebracht werden.
Die größte Differenz zwischen den Demokraten und seiner Partei führte der republikanische Abgeordnete Paul Ryan an: „Wir denken nicht, dass die Regierung die Kontrolle (über die Krankenversicherung) haben sollte. Wir wollen, dass die Menschen diese Kontrolle selber haben.“ Die Konservativen stimmten völlig zu, dass das derzeitige Gesundheitssystem marode sei, doch die Reformentwürfe der Demokraten seien nicht die Antwort.
Das mit Spannung erwartete Treffen – das in voller Länge live im Fernsehen übertragen wurde – galt als letzter Anlauf Obamas, sein wichtigstes Wahlversprechen doch noch durch den Kongress zu bringen. Das Thema stieß bei der Bevölkerung auf reges Interesse. Sämtliche großen TV-Kanäle berichteten und die Amerikaner nutzten landesweit eifrig Internet-Foren.
Beide Lager hatten bereits vorab erhebliche Zweifel daran geäußert, dass angesichts der verhärteten Debatte doch ein Durchbruch möglich sei. Das „Wall Street Journal“ hatte berichtet, Obama habe im Falle des Scheiterns bereits einen „Plan B“ im Auge – eine „abgespeckte Version“ seiner Reform, die möglicherweise eher eine Mehrheit finden könnte. Dieser Plan sehe vor, dass statt 31 Millionen lediglich 15 Millionen Amerikaner zusätzlich versichert werden sollen. Die Kosten der Reform sollten damit auf ein Viertel gesenkt werden.
Im Parlament herrscht derzeit praktisch eine Patt-Situation. Zwar hatten beide Kammern zum Jahresende zwei unterschiedliche Gesetzesversionen verabschiedet. Doch seitdem verloren die Demokraten ihre 60-zu-40-Mehrheit im Senat, so dass sie die Blockadepolitik des Dauerredens (Filibuster) der Republikaner nicht mehr verhindern könnten.
Washington - 26.02.2010, 13:23 Uhr