Ärztemangel

Rösler-Vorschlag löst Debatte um Medizinstudium aus

Berlin - 07.04.2010, 11:12 Uhr


Politiker von Koalition wie Opposition halten ebenso wie Ärztevertreter den Vorschlag einer Landarztquote zur Bekämpfung des Ärztemangels von Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler für unzureichend.

Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach kritisierte den Vorschlag: "Wenn der Facharzt in der Stadt mehr verdient als der Hausarzt auf dem Land, nutzen auch neue Auswahlverfahren und Quoten nichts." Wichtiger sei es, die Hausärzte besser zu bezahlen und die Zahl der Studienplätze zu erhöhen.  Der niedersächsische Wissenschaftsminister Lutz Stratmann (CDU) lehnte die Idee sogar ab: "Quoten helfen uns überhaupt nicht weiter". Das Problem seien die Arbeitsbedingungen von Ärzten. "Wenn alle Absolventen eines Medizinstudiums hinterher auch den Beruf ergreifen würden, hätten wir keinen Ärztemangel, nicht einmal einen Landärztemangel."

Der Vizepräsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, nannte Röslers Vorschlag zwar "vernünftig", hält ihn aber ebenfalls nicht für ausreichend. Er forderte die Kommunen auf, die Arbeitsbedingungen für Landärzte zu verbessern. "Die Gemeinden müssen auch die Infrastruktur schaffen, damit ein Arzt abwechselnd in verschiedenen Dörfern Sprechstunden abhalten kann." Auch die Zusammenarbeit zwischen Praxen und Krankenhäusern sei verbesserungswürdig.

Für eine finanzielle Stärkung der Allgemeinmedizin sprach sich der Chef des Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, aus. Ein angehender Hausarzt müsse kalkulieren können, wie viel Geld er bekommt, verlangte Weigeldt. Ohne finanzielle Sicherheit werde kaum noch ein Arzt "das Wagnis einer Praxisgründung auf dem Land" eingehen. "Hausärzte arbeiten derzeit mehr und verdienen weniger als Fachärzte", beklagte Weigeldt. Zudem gingen immer mehr Absolventen eines Medizinstudiums lieber zu Behörden, Krankenkassen und der Industrie.

Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) hatte vorgeschlagen, mit einer Lockerung des Numerus clausus für das Medizinstudium dem wachsenden Ärztemangel in ländlichen Gebieten entgegentreten. "Wir begrüßen die Vorschläge und sollten uns in der Koalition noch vor der Sommerpause auf Eckpunkte einigen", unterstützte der CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn einen entsprechenden Vorschlag Röslers vom Osterwochenende. Rösler hatte unter anderem vorgeschlagen, den Zugang zum Ärzteberuf durch eine Abschaffung des Numerus clausus für das Medizinstudium zu erleichtern.

"Auch Menschen mit einer Zwei oder drei im Abitur können gute Ärzte werden", betonte Spahn wie zuvor schon Rösler in der Tageszeitung. "Das heißt ja nicht, dass wir gar nicht mehr auf die Note schauen." Aber es müsse auch die Bereitschaft berücksichtigt werden, sich als Hausarzt in unterversorgten Gebieten niederzulassen. Man könnte 20 bis 30 Prozent der Medizinplätze für Bewerber reservieren, die sich verpflichten, danach in ein unterversorgtes Gebiet zu gehen, schlug Spahn vor.

Rösler, der selbst ausgebildeter Mediziner ist, hatte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" gesagt: "Wir haben zwar viele Interessenten, aber nur für jeden Vierten einen Studienplatz, sodass der Numerus clausus mit einem Notendurchschnitt von 1,4 sehr hoch ist." In den kommenden fünf Jahren werden nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung aber knapp 28.000 niedergelassene Mediziner aus Altersgründen aufhören.

Erheblichen Ärztemangel sieht Rösler vor allem auf dem Land. "Wir haben eine Überversorgung mit Ärzten in Ballungszentren und schon jetzt eine spürbare Unterversorgung im ländlichen Raum." Zudem erreiche in den nächsten Jahren eine große Zahl von Ärzten das Ruhestandsalter. "Deswegen muss jetzt gegengesteuert werden."

Allerdings liegt die Regelung des Zugangs zum Studium nicht in der Hand der Bundesregierung, sondern in der Kompetenz der Länder. Für eine Neuregelung müsste daher Konsens mit den Landeskultusministern hergestellt werden.


Lothar Klein