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Immunsystem
Der Wächter gegen Krebs
Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums für Infektionsforschung in Braunschweig konnten jetzt eine völlig unerwartete Funktion eines immunologischen Botenstoffes bei der Tumorbekämpfung
Dazu hemmt es die Produktion von Wachstumsfaktoren, die die Bildung neuer Blutgefäße unterstützen. Die Folge: Der Tumor kann nicht wachsen. Der Anschluss an das Blutsystem ist ein entscheidender Schritt bei der Krebsentstehung. Der Tumor entwickelt innerhalb des Gewebes, in dem er wächst, ein Eigenleben: Er lockt mit Signalstoffen weiße Blutkörperchen aus dem Knochenmark in das Tumorgewebe, deren Aufgabe normalerweise die Infektionsabwehr und Wundheilung ist. Die Zellen regen im Tumor neue Blutgefäße zum Wachsen an. Ist der Tumor an den Blutkreislauf angeschlossen, holt er sich die Nährstoffe, die er zum Wachsen benötigt und kann zudem seine Zellen in das gesamte Blutsystem streuen und Metastasen bilden. Wissenschaftler entschlüsselten jetzt, wie ein Botenstoff den Anschluss an das Blutsystem verhindert.
Botenstoffe sind die Feinregulatoren von Immunzellen: Sie aktivieren oder deaktivieren Zellen, lösen die Produktion von Wachstumsfaktoren oder weiterer Botenstoffe aus, starten oder beenden eine Immunreaktion. Eines dieser Signalmoleküle wird bereits in der Therapie einiger Krebsformen genutzt: Beta-Interferon. Wie es wirkt, wissen die Wissenschaftler bisher nicht. Jetzt hat die Forscherin Jadwiga Jablonska herausgefunden, dass Beta-Interferon den Anschluss des Tumors an das Blutgefäßsystem blockiert, indem es Immunzellen daran hindert, Wachstumsfaktoren zu bilden.
Die Forscherin ließ Hauttumore in zwei Gruppen von Mäusen wachsen: Die einen Tiere konnten kein Beta-Interferon bilden, die anderen produzieren den Botenstoff normal in ihrem Körper. Nach einigen Tagen untersuchte die Wissenschaftlerin das Wachstum der Tumore. In Mäusen, die kein Beta-Interferon bilden konnten, waren die Tumore wesentlich größer als in Tieren, die das Signalmolekül in ihrem Körper hatten. Die Tumoren wuchsen nicht nur langsamer, sie bildeten auch weniger und kleinere Metastasen.
Den Grund für das schlechtere Wachstum fand die Wissenschaftlerin in der fehlenden Durchblutung der Tumore. In Gegenwart von Beta-Interferon bildeten sich viel weniger Gefäße im Tumor. Das Beta-Interferon wirkt auf einem kleinen Umweg: Es blockiert die Produktion von Adern bildenden Wachstumsfaktoren in Zellen, die der Tumor anlockt, um den Blutanschluss zu fördern. Die Forscherin entdeckte, dass die Zellen nicht nur weniger Wachstumsfaktoren bildeten, sondern auch, dass weniger dieser Zellen ihren Weg in den Tumor fanden. Bereits eine verschwindend geringe Menge des Botenstoffes reicht aus, um Zellen fernzuhalten, Wachstumsfaktoren zu hemmen und damit das Tumorwachstum zu stoppen. Dieser Wirkmechanismus von Beta-Interferon war bisher völlig unbekannt. Der Botenstoff spielt eigentlich eine wichtige Rolle bei Virus-Erkrankungen und Entzündungsreaktionen. Jetzt wollen die Wissenschaftler verstehen, wie das Netzwerk von Tumor, Immunzellen und Botenstoffen funktioniert, um neue Zielstrukturen für die Therapie von Krebs zu entdecken.
Literatur
Jablonska, J., et al.: J. Clin. Invest. 2010 Apr 1. Online-Veröffentlichung: DOI: 10.1172/JCI37223.
Braunschweig - 10.04.2010, 07:16 Uhr