Hausarztverträge

Hausärzte starten Kampagne gegen Gesundheitspolitik

Berlin - 19.07.2010, 11:16 Uhr


Die Hausärzte machen gegen die Politik der Bundesregierung mobil: Am Mittwoch startet der Deutsche Hausärzteverband seine Kampagne gegen die von Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) geplanten Honorarkürzungen in Höhe von 500

Am Wochenende sagte die bayerische CSU den Hausärzten ihre Unterstützung zu. Auf dem Verbandstreffen der bayerischen Hausärzte sicherte Bayerns Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) den Hausärzten im Freistaat Bestandsschutz für die bereits geschlossenen Hausarztverträge zu: „Jeder in Deutschland bekommt ein Stück mehr, und die Hausärzte bekommen weniger – das wird es mit uns nicht geben, hundertprozentig nicht", sagte Söder vor den Delegierten des Bayerischen Hausärztetages. An den Honoraren der Hausärzte sparen zu wollen, sei der falsche Weg. Die Delegierten dankten mit stehendem Applaus.

Auch der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer kritisierte den Umgang von Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler mit den Hausärzten. Rösler sollte nicht gegen die Ärzte, sondern für eine gute Gesundheitspolitik streiten, sagte Seehofer der „Bild“-Zeitung. Er selbst kämpfe für das, was in der Koalition vereinbart worden sei. Dazu gehörten Sparmaßnahmen, auch bei den Ärzten. „Aber wir können nicht in rechtsgültige Verträge zwischen Krankenkassen und Hausärzten eingreifen“, sagte Seehofer.

Der Streit tobt um die Verträge, die die Kassen laut Gesetz mit den Hausärzten abschließen müssen. Patienten verpflichten sich darin im Krankheitsfall zuerst ihren Hausarzt aufzusuchen, der sie dann an Fachärzte überweist. Das soll überflüssige Kosten, etwa durch Doppeluntersuchungen, vermeiden. Die Hausärzte wiederum werden für die Mehrarbeit besser honoriert als durch das herkömmliche System der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen). Als Gegenleistung dürfen sie keine Patienten unter Hinweis auf Arbeitsüberlastung ablehnen.

Nach Berechnung von Krankenkassen kosten diese Verträge pro Jahr circa 1,5 Milliarden Euro mehr Honorar als die „normale“ hausärztliche Versorgung. Andere Zahlen sprechen von Mehrkosten in Höhe von 1,1 Milliarden Euro. Belastbare Zahlen gibt es nicht.

Gesundheitsminister Rösler will den gesetzlichen Zwang zum Abschluss von Hausarztverträgen wieder abschaffen. Zugesagt hat Rösler aber Vertrauensschutz für bereits rechtskräftige Verträge. Die gibt es bisher nur in Bayern und Baden-Württemberg. In anderen Bundesländern laufen derzeit rund 500 Schiedsverfahren, weil sich die Hausarztverbände mit den Krankenkassen noch nicht auf Verträge einigen konnten.

Jetzt drängt die Zeit: Der Stichtag für den von Rösler angekündigten Vertrauensschutz dürfte der 15. September 2010 werden, der geplante Termin für den Kabinettsbeschluss über den 3. Teil der Gesundheitsreform. Stefan Lummer, Sprecher des Deutschen Hausärzteverbandes, zu DAZ.online: „Wir rechnen damit, dass bis dahin ein wesentlicher Teil der Schiedsverfahren abgeschlossen sein wird.“

Anders als die Krankenkassen sieht der Hausärzteverband mittelfristig keine Kosten steigernde Wirkung der Hausarztverträge. Lummer: „Kurzfristig entsteht zwar eine finanzielle Bugwelle, eine Anschubfinanzierung.“ Mittelfristig sorgten die positiven Struktureffekte jedoch für eine kostengünstigere ambulante Versorgung der Patienten insbesondere bei Patienten mit chronischen Erkrankungen.

In der Praxis ist diese Sicht der Dinge zumindest umstritten: Nach Angaben der KV Bayern gehen Patienten, die in Hausarztverträge eingeschrieben sind, häufiger zum Arzt. „Im Schnitt werden sie zehn Prozent häufiger zum Facharzt überwiesen als Patienten, die nicht in einem solchen Vertrag eingeschrieben sind", sagte der KV-Vorsitzende Axel Munte. Sie nähmen auch häufiger den ärztlichen Bereitschaftsdienst in Anspruch. Munte: „Das kann damit zusammenhängen, dass eher ältere und damit kränkere Versicherte an diesen Verträgen teilnehmen."


Lothar Klein