AMNOG

Zu viel Einflussnahme durch die Pharmaindustrie?

Berlin - 27.09.2010, 14:48 Uhr


Die Regierungskoalition steht abermals in der Kritik, sich zu sehr von der Pharmalobby beeinflussen zu lassen. Der Gemeinsame Bundesausschuss und das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen kritisieren einen weiteren Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen zur geplanten Neuordnung des Arzneimittelmarkts.

Der „Spiegel“ hatte berichtet, dass der Änderungantrag zu § 92 SGB V erneut stark an die Formulierungen eines von der Kanzlei Clifford Chance für die Forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) erstellen Gutachtens angelehnt sei. Dieser Vorwurf galt bereits dem Änderungsantrag, der vorsieht, dass künftig das Bundesgesundheitsminsiterium per Rechtsverordnungen die Kriterien für die Nutzenbewertung vorgeben soll. Nach dem nun gerügten Antrag genügt es für den Verordnungsausschluss durch den G-BA, dass ein Zusatznutzen nicht belegt ist. Künftig soll dem Änderungsantrag zufolge der Beweis geführt werden, dass ein Mittel keinen Zusatznutzen hat. Fehlende Nutzennachweise sollen nicht mehr reichen.

„Das geht nicht“, sagte IQWiG-Leiter Jürgen Windeler der Nachrichtenagentur dpa. „Man kann prinzipiell nicht beweisen, dass etwas nicht da ist.“ Windeler weiter: „Wenn man einen solchen Nachweis verlangt, heißt das, dass der Gemeinsame Bundesausschuss keine Ausschlüsse aufgrund von Unzweckmäßigkeit mehr fällen kann.“

Auch der G-BA hält de Änderungsantrag rechtlich und inhaltlich für nicht akzeptabel. In seiner Stellungnahme zur AMNOG-Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestags an diesem Mittwoch heißt es: „Da der G-BA den Nachweis der Unzweckmäßigkeit eines Arzneimittels aus eigenen Erkenntnissen nie führen könnte, hätte der Hersteller es selbst in der Hand, durch Unterlassen weiterer Studien Verordnungseinschränkungen  während der Patentlaufzeit auf dieser Grundlage zu verhindern“.

Der Leiter der Abteilung Arzneimittel beim GKV-Spitzenverband, Wolfgang Kaesbach, stimmt ebenfalls in die Kritik ein. Dem „Spiegel“ sagte er: „Das heißt im Umkehrschluss, dass der Nutzen eines Präparats künftig schon durch die Zulassung bewiesen sein soll. Das ist der Wahnsinn.“ Der Pharmaindustrie sei es gelungen, die Politik einzuleimen.

Auch die Opposition ist über den Änderungsantrag erzürnt: „Die Koalition lädt die Pharmalobby zur gnadenlosen Selbstbedienung ein. Die Umkehr der Beweislast bei der Bewertung des Nutzens von neuen Medikamenten zu Ungunsten der Krankenkassen ist ein Freibrief für die Pharmakonzerne", kritisiert die gesundheitspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Martina Bunge. 

Windeler hofft, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist: „Ich frage mich ernsthaft, ob diejenigen, die einen solchen Vorschlag gemacht haben, die Konsequenzen wirklich bedacht haben.“


Kirsten Sucker-Sket/dpa