IMS Health Studie

AMNOG verzögert Einführung neuer Arzneien

Berlin - 29.11.2010, 11:47 Uhr


Bereits jetzt dauert es in Deutschland länger als in anderen Ländern, bis neue Arzneimittel bei den Patienten ankommen. IMS Health befürchtet, dass das AMNOG für weitere Verzögerung sorgt und Deutschland seien Status als Referenzmarkt verliert.

Trotz sofortiger Verschreibungs- und Erstattungsfähigkeit dauert es in Deutschland länger als in den meisten größeren EU-Ländern, bis sich Innovationen in der täglichen Praxis durchsetzen. In Spanien beträgt der Marktanteil nach einem Jahr rund 25 Prozent, in Frankreich immerhin noch 17 Prozent, in Italien gut 10 Prozent. Nur in Großbritannien liegt der Marktanteil mit fünf Prozent noch unter dem deutschen Wert von rund sieben Prozent. Dies hat die neue „Launch Excellence“-Studie von IMS Health gezeigt, in der die Penetrationsraten innovativer Arzneimittel in fünf größeren Ländern der Europäischen Union verglichen wurden.

Durch das ab 2011 in Kraft tretende Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) könnte sich dieses Phänomen noch verschärfen. Darauf weist Dr. Frank Wartenberg, Vorsitzender der Geschäftsführung von IMS HEALTH in Deutschland, in einer Presseerklärung hin: „Bislang waren Deutschland und Großbritannien die beiden Länder, in denen Innovationen zuerst auf den Markt gebracht wurden. Dadurch haben Patienten in diesen Ländern früher vom medizinischen Fortschritt profitiert. Durch das AMNOG könnte sich dies wesentlich ändern, weil sich die Risikosituation für die Industrie aus einer globalen bzw. europäischen Perspektive wesentlich verschiebt. Wir verfolgen in unseren Projekten auf europäischer und globaler Ebene Diskussionen, bei denen ernsthaft diskutiert wird, die Einführung neuer Medikamente in Deutschland länger abzuwarten bzw. komplett zu hinterfragen".

Dafür seien vor allem zwei Faktoren maßgeblich: Zum einen werde Deutschland seinen Status als Referenzland für die Preisbildung in Europa verlieren. Zum anderen könne die vorgesehene frühe Nutzenbewertung von Präparaten bei ungünstigem Bewertungsausgang zu einer Stigmatisierung der entsprechenden Produkte führen. Oftmals seien nämlich längere zeitliche Betrachtungen notwendig, um überhaupt einen Nutzen nachweisen zu können, etwa bei Krebsmedikamenten. In der Frühphase seien die Interventionsmöglichkeiten in Deutschland jedoch sehr begrenzt.

Eine weitere Belastung ergebe sich für in Deutschland forschende Unternehmen, wenn Präparate des Bestandsmarktes Nutzenbewertungen unterzogen würden und daraus zusätzliche Preisanpassungen resultierten. Denn mit dem seit August in Kraft getretenen GKV-Änderungsgesetz würden über die Maßnahmen Preismoratorium und Erhöhung der Herstellerzwangsrabatte die Wirtschaftlichkeitsreserven für die nächsten Jahre tangiert. Innovationen und neue Präparate würden jedoch durch Mischkalkulation mit den Präparaten im Bestandsmarkt finanziert, wie das Beispiel Schmerztherapeutika zeige. Hier würden Innovationen und Fortschritte nämlich fast ausschließlich durch deutsche mittelständische Unternehmen vorangetrieben.

Viele Unternehmen müssten zudem mit einem schwächeren Gewinnwachstum infolge des Ablaufes von Patenten in Milliardenhöhe rechnen. „Das Patent Cliff betrifft die Unternehmen in Deutschland in den nächsten drei Jahren in der Größenordnung von bis zu einer Milliarde Euro pro Jahr", so Wartenberg.


Lothar Klein