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Hormonelle Signalwege
Ein Protein als Stressbremse
Bei Stress wird durch eine hormonelle Botenkette die Freisetzung von Cortisol und andere Botenstoffe in der Nebennierenrinde angeregt. Das Protein SPRED2 bremst diesen Signalweg und damit die hormonelle Stressreaktion, wie Würzburger Forscher herausgefunden haben.
Ob das Protein SPRED2 auch bei der Entstehung von Krankheiten eine Rolle spielt, steht bislang nicht fest. SPRED2 kommt bei Menschen und anderen Säugern vor. Mäuse, denen das SPRED2-Gen fehlt und die das Protein darum nicht bilden können, zeigen ein ungewöhnliches Verhalten: Sie trinken doppelt soviel wie normale Mäuse und kratzen sich extrem oft, etwa hinter den Ohren. Die Forscher fanden bei ihnen deutlich erhöhte Mengen des Stresshormons Cortisol und des Hormons Aldosteron. Letzteres lässt die Salzkonzentration im Blut und damit den Blutdruck steigen. Folge: Die Mäuse trinken mehr Wasser, um das überschüssige Salz besser ausscheiden zu können.
Die Untersuchungen zeigten weitere Auffälligkeiten. Die Synapsen im Gehirn schütten vermehrt Botenstoffe aus. Viel zu üppig vorhanden sind auch die Hormone CRH und ACTH, die im Gehirn und in der Hirnanhangdrüse gebildet werden: Die beiden Botenstoffe regulieren in einer Signalkette die Produktion der Hormone Cortisol und Aldosteron in der Nebennierenrinde.
Fehlt im Organismus das Protein SPRED2, ist die hormonelle Signalkette Gehirn-Hirnanhangsdrüse-Nebennierenrinde viel zu stark aktiv. Offenbar übt das Protein eine Bremswirkung auf dieses System aus, das der Organismus immer dann anwirft, wenn er körperlichen oder psychischen Stress bewältigen muss.
Hormonell sind die SPRED2-freien Mäuse also auf Dauerstress eingestellt. Darum interpretieren die Forscher das ständige Kratzen, das sie bei den Tieren beobachten, als stressbedingte Zwangshandlung. Die erhöhte Cortisolmenge täuscht ihnen Stress vor. Andere denkbare Ursachen für das Kratzen, wie etwa eine Diabetes-Erkrankung, ließen sich nicht nachweisen.
Ohne SPRED2 entsteht ein Hormon-Überschuss mit zu viel Cortisol und Aldosteron – da liegt der Gedanke nahe, dass eine Fehlfunktion dieses Gens etwas mit Bluthochdruck oder anderen Erkrankungen wie Depressionen zu tun haben könnte. Für beide Leiden ziehen Wissenschaftler auch genetische Ursachen in Betracht.
Noch ist beim Menschen keine Krankheit bekannt, die mit SPRED2 in Verbindung steht. Doch für das nahe verwandte SPRED1-Gen haben Genetiker kürzlich erstmals nachgewiesen, dass ein Defekt an diesem Gen die alleinige Ursache für die Neurofibromatose ist, für tumorartige Wucherungen des Nervengewebes.
Warum die Synapsen im Gehirn ohne das Protein übermäßig aktiv sind, wollen die Würzburger Forscher zusammen mit Neurophysiologen analysieren. Außerdem suchen sie in den Nervenzellen nach Molekülen, die mit SPRED2 in Wechselwirkungen treten.
Verhaltensversuche sollen die Frage beantworten, ob sich die Mäuse kratzen, weil die Hormone ihnen eine Stress-Situation vortäuscht. Außerdem wollen die Wissenschaftler den „gestressten“ Tieren versuchsweise ein gängiges Antidepressivum verabreichen – um zu sehen, ob es die Symptome womöglich lindern kann.
Literatur: Ullrich, M., et al.: J. Biol. Chem. 2011;286(11):9477-88, Online: DOI 10.1074/jbc.M110.171306.
Würzburg - 25.03.2011, 06:34 Uhr