Autoimmunerkrankungen

Immunsystem greift Herzmuskel an

Heidelberg - 18.04.2011, 09:59 Uhr


Wissenschaftler aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum entdeckten gemeinsam mit US-amerikanischen Kollegen, dass Herzmuskelentzündungen durch Attacken bestimmter Immunzellen ausgelöst werden.

Eine Herzmuskelentzündung oder Myokarditis geht oft einer gefährlichen und nicht selten tödlich verlaufenden Herzvergrößerung voran. In vielen Fällen bleibt als einzig erfolgversprechende Therapie eine Herztransplantation. Seit langem schon haben Ärzte Anhaltspunkte dafür, dass Autoimmunreaktionen, also Attacken des körpereigenen Abwehrsystems, die Ursache der gefährlichen Entzündung sind. Jedoch war bislang nicht geklärt, ob Antikörper oder Immunzellen das Herzmuskelgewebe schädigen. Unbekannt war außerdem, gegen welches der verschiedenen Proteine des Herzmuskels sich die fatalen Angriffe des Immunsystems richten.

Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums untersuchten Mäuse, die häufig spontan an der tödlichen Herzmuskelentzündung erkranken. An diesen Tieren entdeckten sie, dass alpha-MyHC, eine bestimmte Form des herzspezifischen Muskeleiweißes Myosin, das Ziel autoaggressiver Abwehrzellen ist. Dieses Protein ist hochspezifisch für den Herzmuskel und kommt in der Muskulatur des Skeletts nicht vor.

Warum greifen Immunzellen plötzlich ein harmloses körpereigenes Protein an? Bestimmte Immunzellen, die T-Zellen, werden während ihrer frühen Entwicklung in einem speziellen Organ, der Thymusdrüse, auf ihre späteren Aufgaben vorbereitet. Hier wird ihnen eine Vielzahl körpereigener Moleküle vorgestellt, die sie bei späteren Patrouillengängen durch den Körper als bekannt und harmlos einstufen sollen. Die Forscher haben nun entdeckt, dass im Thymusgewebe dieser Mäuse kein alpha-MyHC vorhanden ist. Die T-Zellen haben daher während ihrer „Erziehung“ keine Gelegenheit, das Protein kennen zu lernen und dadurch spezifische Toleranz zu entwickeln.

Den Beweis für diese Hypothese lieferten die Wissenschaftler gleich mit: Sie veränderten das Erbgut der Mäuse so, dass deren Thymusdrüsen in die Lage versetzt wurden, alpha-MyHC zu produzieren. Diese Tiere erkrankten nicht mehr an der Autoimmun-Myokarditis.

Diese Hypothese scheint nicht nur bei der Maus, sondern auch beim Menschen zu gelten: Auch Thymusgewebe des Menschen bildet kein alpha-MyHC, so zeigten die Forscher. Daher zirkulieren auch in der Blutbahn des Menschen ständig T-Zellen, die das Potenzial haben, das Herz anzugreifen. Normalerweise geht das gut, aber wenn etwa eine Virusinfektion oder ein Infarkt den Herzmuskel schädigt und aus dem defekten Gewebe größere Mengen alpha-MyHC freigesetzt werden, bricht die labile Toleranz zusammen.

Die neuen Ergebnisse sollen vor allem dazu beitragen, gezieltere Behandlungswege gegen die Autoimmun-Herzmuskelentzündung zu entwickeln. Bislang wurde häufig versucht, die Antikörperbildung der Patienten zu unterdrücken. Jetzt wissen die Forscher aber, dass sie gezielt bestimmte T-Zellen blockieren müssen, um in diesen Fällen das Herz zu schützen

Quelle: HuiJuan, Lv., et al.: J. Clin. Invest. 2011; 121 (4): 1561–73; DOI:10.1172/JCI44583.


Dr. Bettina Hellwig