Multiple Sklerose

Geschädigte Hirnbereiche müssen mehr arbeiten

Hamburg - 18.11.2011, 11:19 Uhr


Ein internationales Forschungsteam unter Leitung des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) analysierte, wie die Multiple Sklerose (MS) die Architektur des Gehirns verändert.

Im Normalfall funktioniert das menschliche Gehirn wie eine Art Schaltzentrale: Verschiedene Nervenfasern leiten hier die Impulse über das Rückenmark zum Körper und werden dort empfangen. Die Nervenfasern sind ähnlich wie elektrische Kabel von einer Isolierschicht umgeben. Bei Multipler Sklerose attackiert das körpereigene Immunsystem genau diese isolierende Umhüllung – das Myelin. Die Folge: Botschaften können nicht mehr wirkungsvoll übertragen werden. Was häufig mit einem Kribbeln in den Beinen oder Flimmern im Sichtfeld beginnt, führt im weiteren Verlauf meist zu schweren Bewegungsstörungen oder auch kognitiven Verlusten, beispielsweise bei Aufmerksamkeits- oder Gedächtnisleistungen.

Bislang deutete die Wissenschaft starke Kopplungen zwischen verschiedenen Hirnarealen als Zeichen für eine bessere Verarbeitung der Informationen. Die Hamburger Forscher zeigten nun, dass auch das Gegenteil zutreffen kann. Ihre Untersuchungen von MS-Patienten durch funktionelle Magnetresonanztomographie ergaben: Je stärker die Nervenfasern im Gehirn geschädigt und kognitive Prozesse beeinträchtigt waren, desto mehr kommunizierten oder koppelten bestimmte Hirnareale miteinander. Damit gelang es den Wissenschaftlern, einen völlig neuen Zusammenhang zwischen dem Ausmaß kognitiver Störungen und Veränderungen von Kommunikationsprozessen im Gehirn herzustellen.

Warum bestimmte Hirnregionen bei MS trotz zunehmender Schädigung stärker miteinander kommunizieren als bei Gesunden, bleibt noch Spekulation. Momentan gehen die Wissenschaftler davon aus, dass der Verlust vieler Verbindungen dazu führt, dass die Netzwerke weniger variabel agieren und daher verstärkt untereinander kommunizieren.

Aus den Ergebnissen könnten neue diagnostische und therapeutische Ansätze bei MS entwickelt werden. Denkbar wäre etwa, die neue Methode als zusätzliches Monitoringsystem zu nutzen, um das Ausmaß der Erkrankung, besonders im frühen Stadium, besser einschätzen zu können. Ferner könnten die Ergebnisse helfen, Veränderungen der Hirnarchitektur zukünftig auch bei anderen Krankheiten besser deuten zu können.

Literatur: Hawellek, D. J., et al.: Proc. Natl. Acad. Sci. 2011, Online-Vorabpublikation, DOI:10.1073/pnas.1110024108.


Dr. Bettina Hellwig