Versorgungs-Report 2012

Keine Kostenexplosion durch demografischen Wandel

Berlin - 28.11.2011, 16:23 Uhr


Deutschland braucht keine andere Medizin für ältere Menschen, sondern eine deutlich bessere geriatrische Qualifizierung der Gesundheitsberufe. So lautet der Tenor des jüngst veröffentlichten Versorgungs-Reports 2012 zum Thema „Gesundheit im Alter“, den das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) herausgibt.

Anhand der Daten von 24 Millionen AOK-Versicherten analysierten 42 Wissenschaftler unterschiedlicher Fachrichtungen für den Report die ambulante und stationäre Versorgung, die Arzneimitteltherapie, Pflege, Prävention und Palliativmedizin unter dem Blickwinkel der alternden Gesellschaft. Ihr Ergebnis: Die Lebenserwartung steigt immer weiter an und mit ihr die Zahl altersbedingter Krankheiten – so wird sich beispielsweise bis 2050 die Zahl der Demenzkranken in Deutschland auf bis zu drei Millionen erhöhen.

Ausgangspunkt des Versorgungs-Reports ist eine Darstellung der demografischen Entwicklung in Deutschland bis 2060. Danach verändert sich der Altersquotient in den nächsten fünfzig Jahren dramatisch: „Derzeit kommen im Bundesschnitt 34 über 65-Jährige auf 100 erwerbsfähige Männer und Frauen im Alter zwischen 20 bis 65 Jahren“, erläutert WIdO-Geschäftsführer Jürgen Klauber. Im Jahr 2060 wird Bremen mit einem Verhältnis von 63 zu 100 noch den günstigsten Altersquotienten aufweisen – in Ostdeutschland wird der Wert durchweg über 72 liegen. Dies spiegelt sich in den Prognosen zur Entwicklung der Zahl der Demenzerkrankungen wider. Während heute bis zu 1,4 Millionen Deutsche mit einer Demenzerkrankung leben – von 100 Menschen über 80 Jahre ist jeder Fünfte betroffen –, werden es im Jahr 2050 bis zu drei Millionen Demenzkranke sein, 90 Prozent von ihnen pflegebedürftig.

Die steigende Lebenserwartung verursacht in Zukunft auch höhere Ausgaben. Nach Berechnungen des Gesundheitsökonomen Prof. Stefan Felder werden die Gesundheitsausgaben bis zum Jahr 2050 um 19 Prozent (0,4 Prozent pro Jahr) ansteigen. Dennoch wird ihm zufolge der demografische Wandel die Finanzen der gesetzlichen Krankenversicherung weit weniger belasten als vielfach angenommen. „Den Berechnungen liegt die Beobachtung zugrunde, dass die Behandlungskosten vor dem Tod eines Menschen besonders hoch sind – unabhängig, ob er mit 70, 80 oder 90 Jahren stirbt“, erklärt Klauber.

Besorgniserregende Erkenntnisse liefert der Versorgungs-Report allerdings zu gesundheitlichen Risiken für ältere Menschen. So erhalten rund vier Millionen Patienten über 65 mindestens ein „problematisches“ Medikament, also eines, bei dem die Nachteile den Nutzen übersteigen. 5,5 Millionen Patienten sind den Risiken durch eine gleichzeitige Einnahme verschiedener Medikamente ausgesetzt. „Die Arzneimitteltherapie für Ältere muss dringend verbessert werden“, fordert Klauber. Dazu könnten evidenzbasierte Therapieempfehlungen, hausärztliche Therapiezirkel und eine auf ältere Menschen zugeschnittene Pharmakotherapieberatung für Ärzte beitragen.


Juliane Ziegler