Partikelverunreinigungen und Sterilitätsprobleme

GMP-Mängel bei Boehringer-Ingelheim-Tochter

29.12.2011, 13:00 Uhr


Mögliche Kontaminationen oder Partikelverunreinigungen haben in den vergangenen Wochen immer wieder zu Rückrufen von Arzneimitteln und Rote-Hand-Briefen geführt. Und immer wieder waren die betroffenen Präparate vollständig oder teilweise in den USA von der Boehringer-Ingelheim-Tochter Ben Venues Laboratories, Ohio, hergestellt worden. Ihr ist es in der Vergangenheit

Ben Venue Laboratories hat sich auf die Auftragsherstellung steriler lebensnotwendiger und nicht-essenzieller Injektionslösungen spezialisiert und produziert auch für den europäischen Markt. Schon in der Vergangenheit durchgeführte GMP-Inspektionen hatten Defizite im Werk Bedford, Ohio, offenbart. So hatte die Boehringer-Ingelheim-Tochter im November 2007 einen Warning-Letter der FDA erhalten. Noch im Mai 2011 hatte die FDA bei einer Inspektion erneut die Nichteinhaltung von GMP-Standards festgestellt und auf Probleme wie Partikelverunreinigungen und Sterilitätsmängel hingewiesen. Sie sind wohl in der Folge nicht behoben worden. Denn eine weitere, im November 2011 durchgeführte Inspektion, an der neben der FDA auch Vertreter der europäischen Arzneimittelagentur (EMA) beteiligt waren, zwang die Aufsichtsbehörden zum Handeln. Ben Venue Laboratories hat daraufhin vorübergehend und, wie in einer Pressemitteilung betont wird, freiwillig die Herstellung und den Vertrieb von Produkten der Betriebsstätte Bedford ausgesetzt, um die nötigen Maßnahmen durchzuführen. Zwar habe man schon in der Vergangenheit an der Behebung der Mängel gearbeitet, doch dies sei leider bei laufendem Betrieb nicht gelungen, so ein Boehringer-Ingelheim-Sprecher gegenüber der DAZ. Wie lange der Produktionsstopp andauern wird, ist offen.

EMA wägt Nutzen und Risiken ab

Alle aus dem betroffenen Werk stammenden Arzneimittel mit einer zentralen europäischen Zulassung werden zurzeit von der EMA im Hinblick auf potenzielle Risiken begutachtet. Einige Präparate bzw. Chargen, die durch sicherere zu ersetzen sind, wurden inzwischen vorsorglich zurückgerufen (Tab. 1), andere können unter Beachtung bestimmter Sicherheitsvorkehrungen weiter eingesetzt werden. So müssen die Verdünnungsmittel von Ceplene®(Histamindihydrochlorid) und Torisel®(Temsirolimus) sowie Virazole® (Ribavirin), Hexvix®,  Uvadex™ vor der Anwendung visuell auf Partikel untersucht werden, Fälle von Sepsis sind umgehend zu melden. 
Mit dem pegylierten liposomalen Doxorubicin-Präparat Caelyx®sollen keine Neueinstellungen mehr vorgenommen, vorhandene Bestände lediglich zur Beendigung schon begonnener Therapien genutzt werden. Dabei wird in einem Rote-Hand-Brief dazu aufgefordert, bei noch mit Caelyx®behandelten Patienten auf Zeichen einer Sepsis zu achten und Sepsisfälle zu melden. Schon im August und September 2011 hatte der Zulassungsinhaber von Caelyx®, Janssen Cilag, über Lieferengpässe informiert und vor einem Lieferabriss gewarnt. Da Ben Venue Laboratories in diesem Fall weltweit der einzige Hersteller ist und die Produktion bis zur Klärung der Probleme ruht, ist das unter anderem bei Mamma- und Ovarialkarzinom indizierte Doxorubicin-Präparat zurzeit nur begrenzt lieferbar. 

Auch Arzneimittel in klinischer Prüfung betroffen

Neben den beschriebenen Empfehlungen hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine Liste von Arzneistoffen in klinischen Prüfungen veröffentlicht, die ebenfalls von den GMP-Mängeln betroffen sein können (Tab. 2).

Konzentrierung fördert Lieferprobleme

Nicht nur Ben Venue Laboratories ist in der jüngsten Vergangenheit durch nicht eingehaltene GMP-Standards aufgefallen. So mussten in den USA auch zwei der größten Generika-Hersteller, Teva Pharmaceuticals und Hospira, auf mögliche Kontaminationen ihrer Produkte und andere Probleme hinweisen, Teva musste vorübergehend ein Werk in Kalifornien schließen. Solche Vorgänge hatten und haben Lieferengpässe insbesondere bei lebenswichtigen Krebsmedikamenten zur Folge. Dabei kristallisiert sich die ständig zunehmende Konzentrierung auf wenige Produktionsstätten als besonderes Problem heraus. Immer mehr Medikamente werden weltweit nur noch in einem oder zwei Betrieben hergestellt. Der Fall Ben Venue Laboratories macht einmal mehr deutlich, welche gravierenden Folgen solche Konzentrationsprozesse für die Arzneimittelversorgung haben. 

Quelle:

DAZ 2011, Nr. 51-52, S. 34


Dr. Doris Uhl