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„Selbstbedienung“ auf Kassenkosten
Apothekerin verliert Approbation
Eine Apothekerin, die wegen Betruges mit für sie selbst ausgestellten, jedoch von ihr manipulierten Rezepten strafrechtlich verurteilt wurde, ist zur Ausübung ihres Berufes unwürdig. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg und bestätigte damit den zuvor erfolgten Widerruf ihrer Approbation.
Die Apothekerin hatte in den Jahren 2002 und 2003 ärztliche Verordnungen, die ihr selbst oder ihren Kindern erteilt worden waren, manipuliert: Sie hatte die Menge der verschriebenen Arzneimittel oder deren Dosierung erhöht sowie die Verschreibungen um andere Arzneimittel ergänzt. Schließlich reichte sie diese Rezepte bei der Krankenversicherung ein – und diese zahlte. Der Schaden bezifferte sich auf 22.780 Euro. Hierfür wurde die Apothekerin wegen Betruges, versuchten Betruges sowie Urkundenfälschung zu einer Bewährungs-Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt.
Nach einem längeren Verfahren wurde der Apothekerin 2008 zudem die Approbation entzogen. Hiergegen klagte die Pharmazeutin vor dem Verwaltungsgericht. Das Gericht hatte jedoch keinen Zweifel, dass sie sich eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unwürdigkeit zur Ausübung des Apothekerberufs ergibt.
Die Apothekerin wehrte sich gegen das Urteil. Sie brachte erstaunliche Gründe vor, warum ihr zu Unrecht Unwürdigkeit angelastet worden sei: Das Verwaltungsgericht sei „fehlerhaft von einer romantisch-idealisierten allgemeinen berufsbezogenen Apothekeruntadeligkeit“ ausgegangen. Eine solche erwarte die Öffentlichkeit jedoch gar nicht vom Apotheker. Das Gericht verkenne dabei auch den in den letzten Jahrzehnten vollzogenen Wandel im Berufsbild des Apothekers: Dieses sei nicht mehr durch persönliche Beratung, soziale und medizinische Betreuung und eine damit verbundene überragende Stellung innerhalb der Gemeinschaft geprägt. Es sei vielmehr auf den Vertrieb von Arzneimitteln gerichtet – eine Folge europarechtlicher Wettbewerbslockerungen, so die Klägerin. Die Geschäftsbeziehung zu den Kunden sei dabei „weitgehend anonym“ und nicht durch ein persönliches Vertrauen in die apothekerlichen Kompetenzen gekennzeichnet. Da ihr lediglich Verfehlungen aus einem allein sie betreffenden Lebensbereich vorgeworfen wurden, könnten die Verkehrsteilnehmer insoweit keine höhere Redlichkeit von ihr verlangen als von sich selbst. Außerdem sei es vorliegend nur um eine Selbstmedikamentierung und Selbstbehandlung gegangen – dies streife allenfalls Randbereiche der Berufsausübung und damit der Berufswürdigkeit. Sie sei davon ausgegangen, dass die Rezept-Erweiterungen medizinisch indiziert gewesen seien. Da sie auch vom Arzt verschrieben worden wären – den zu besuchen, sie sich und der Kasse jedoch ersparte – wäre ohnehin ein Erstattungsanspruch gegen ihre Krankenkasse entstanden.
Das OVG konnte dieser Argumentation nicht folgen. Es stimmte mit der Vorinstanz überein, die Klägerin habe erheblich gegen ihre Berufspflicht verstoßen, da nach § 17 Abs. 5 Satz 1 ApBertO die abgegebenen Arzneimittel den ärztlichen Verschreibungen entsprechen müssen. Soweit zugleich Rx-Arzneimittel ohne ärztliche Verschreibung abgegeben wurden, liege auch überdies ein Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz vor (§ 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AMG). Nicht zuletzt habe sie mit der Beurteilung medizinischer Indikationen für sich und Dritte sowie die daran anknüpfende Arzneimittelverordnung einen Bereich der Heilkunde ausgeübt. Dies dürfe sie als approbierte Apothekerin jedoch nicht. Damit sahen die Richter allen Grund für einen Widerruf der Approbation.
„Das gravierende Fehlverhalten der Klägerin im beruflichen Wirkungskreis ist geeignet, das Ansehen des Berufsstandes des Apothekers in der Öffentlichkeit und das in diesen gesetzte Vertrauen, bliebe das Verhalten der Klägerin für den Fortbestand ihrer Approbation folgenlos, nachhaltig zu erschüttern“, heißt es im Beschluss. Entgegen der Auffassung der Klägerin erwarte die Öffentlichkeit von einem Apotheker nicht einen nur anonymen kaufmännischen Kontakt und den Bezug preisgünstiger Arzneimittel. Zwar räumt das OVG ein, dass sich das Berufsbild des Apothekers stark gewandelt hat. Gleichwohl geht es immer noch um Arzneimittel – und diese seien nicht bloße Handelsware, sondern überwachungsbedürftige Waren ganz besonderen Charakters. Insbesondere bei ihrer Abgabe an den Endverbraucher stehe daher dessen Information und Beratung über Wirkungen und Risiken der Arzneimittel sowie ihre sachgemäße Anwendung im Vordergrund der beruflichen Tätigkeit des Apothekers. Bei der Wahrnehmung dieser und anderer Aufgaben habe sich der Apotheker nicht nur von rechtlichen Bestimmungen leiten zu lassen, so das Gericht. Maßgeblich sei auch seine Verantwortung für das Leben und die körperliche Unversehrtheit im Rahmen der Gesundheitsberufe. Unangemessenes Gewinnstreben dürfe ihn bei der Erfüllung seiner Aufgaben nicht beherrschen. Stattdessen sei Gewissenhaftigkeit gefragt. Dies erwarte nicht nur die Öffentlichkeit – sie sei auch zwingende Voraussetzung für die Erfüllung der dem Apotheker übertragenen öffentlichen Aufgabe, die ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherzustellen.
Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Beschluss vom 2. Mai 2012, Az.: 8 LA 78/11
Berlin - 31.05.2012, 11:52 Uhr