Neues ultralang wirksames Insulin degludec

Überlegenheit dank zweifelhaftem Studiendesign?

24.01.2013, 10:43 Uhr


Das neue ultralang wirksame Insulinanalogon Insulin degludec (Handelsname Tresiba®) ist jetzt in Europa zur Behandlung von Typ-1- und Typ-2-Diabetikern zugelassen worden.

Insulin degludec ist mit 42 Stunden länger wirksam als Insulin glargin (Lantus®, 24 Stunden) und Insulin detemir (Levemir®, weniger als 24 Stunden). Das neue Insulin ist zur einmal täglichen Injektion (100 und 200 Einheiten/ml) und als Mischung aus Insulin degludec und Insulin aspart (70:30, Ryzodeg®) zur ein- bis zweimal täglichen Injektion vorgesehen.

Wie bei jeder Therapie mit langwirksamen Insulinen stellt sich auch hier die Frage nach dem Risiko für nächtliche Hypoglykämien. Bei oberflächlicher Betrachtung ist das neue Insulin degludec in diesem Punkt dem Insulin glargin bei gleichwertiger Reduktion des HbA1c überlegen. Sieht man etwas genauer hin, fällt auf, dass diese Überlegenheit nur zutage tritt, wenn die vom Sponsor vorgegebene „nächtliche Zeit“ von 00:01 Uhr bis 5:59 betrachtet wird. Die maximale blutzuckersenkende Wirkung setzt bei Typ-1-Diabetikern in der Regel 12 h nach Applikation ein. Im Rahmen der Studie wurde Insulin degludec zur Abendmahlzeit verabreicht. Hypoglykämische Ereignisse wären also in den frühen Morgenstunden zu erwarten gewesen. Der Hersteller wurde aufgefordert, den Beobachtungszeitraum um zwei Stunden zu verlängern. Wertete man die Ergebnisse mit veränderten Rahmenbedingungen aus, konnte kein Vorteil mehr festgestellt werden. Außerdem wurden Patienten mit mangelnder Hypoglykämiewahrnehmung und besonders Hypoglykämieanfällige von vornherein ausgeschlossen. Inwieweit das neue Insulin sich bezüglich der nächtlichen Hypogklykämien wirklich von den anderen langwirksamen Insulinen unterscheidet und möglicherweise sogar Vorteile hat, wird der klinische Alltag zeigen. Unklar ist nach Meinung der FDA auch die Sicherheit des neuen Insulins: Nach den Ergebnissen einer Metaanalyse aus 16 Studien war das zusammengesetzte Risiko aus kardiovaskulärem Tod, nicht-tödlichem Herzinfarkt oder Schlaganfall und instabiler Angina pectoris unter der Therapie mit dem neuen Insulin um 10% (bei großer Standardabweichung und kleinen Fallzahlen) höher als unter der Therapie mit anderen Insulinen. Die US-amerikanische Zulassungsbehörde verlangt daher eine weitere Überprüfung der kardiovaskulären Sicherheit in Postmarketing-Studien.

Quelle: Stahl, V.: Ultralang wirksames Insulin. Deutsche Apotheker Zeitung 2013/3, S. 32-33.


Julia Borsch