Korruption im Gesundheitswesen

Anhörung im Gesundheitsausschuss

Berlin - 18.04.2013, 08:52 Uhr


Mehrere Oppositionsanträge zum Thema „Korruption im Gesundheitswesen“ waren am Mittwochnachmittag Gegenstand einer öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses. Dabei waren sich alle – Fraktionen und Experten – einig, dass ein dringender Regelungsbedarf besteht. Nur die Frage, ob dieser durch die Schaffung neuer Straftatbestände oder eine Neuregelung im Sozialgesetzbuch V umgesetzt werden sollte, wurde teilweise unterschiedlich bewertet.

Gleich zu Beginn sprach sich Rechtsanwalt Sören Kleinke für den Vorschlag der Regierungskoalition – der allerdings nicht Gegenstand der Anhörung war – aus, im SGB V eine „klare Grundnorm“ zu formulieren, die korruptives Verhalten definiere. Die Vorschläge der Opposition konzentrierten sich zu Unrecht zu stark auf die Vertragsärzte. Auch aus Sicht des Juristen Wolfgang Spoerr springt das Strafrecht allein „viel zu kurz“. Dringend nötig sei allerdings die Abgrenzung von erwünschter Kooperation und korruptiven Praktiken. Als „Verhaltenssteuerungsansatz“ sei das Strafrecht ungeeignet – nötig sei eine „behördenorientierte Vollzugsflankierung“.

Auch Stefan Gräf von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) wies auf diese schwierige Abgrenzung hin. So müsse es etwa bei Praxisnetzen und integrierter Versorgung Absprachen über die Aufteilung der Vergütung geben. Andreas Wagener, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft, ergänzte, erwünschte Kooperation müsse weiterhin „angstfrei“ möglich sein. Er betonte aber auch, dass das Strafrecht für alle Bereiche gelten müsse.

Dem folgte Dina Michels, Referatsleiterin der Kaufmännischen Krankenkasse: Sie plädierte klar für einen eindeutigen Straftatbestand, der für alle Leistungserbringer und Akteure im Gesundheitswesen gilt. Freiberufler und Privatärzte sollten dabei nicht ausgenommen sein. Marlis Hübner, Juristin bei der Bundesärztekammer (BÄK), betonte ebenfalls, dass der Adressatenkreis „berufsneutral“ sein sollte. Zudem dürften nur besonders korruptive Verhaltensweisen sanktioniert werden, schließlich sei das Strafrecht „ultima ratio“ und komme nur zur Anwendung, wenn andere Regelungen nicht mehr ausreichten.

Spoerr zufolge würde bereits eine Ausweitung der Vollzugsmöglichkeiten für KBV und BÄK helfen: Davon „verspreche ich mir eine ganz deutliche Verbesserung“, sagte er. Aus Sicht von Jörg Engelhard vom Landeskriminalamt Berlin muss dagegen eine Strafregelung her – das Berufs- und Sozialrecht könne Korruptionsfälle nicht aufklären. Durchsuchungen von Praxen, Konten und E-Mails seien erforderlich: „Das Delikt blüht im Heimlichen.“ Die Leistungserbringer hätten außerdem oftmals selbst eine nur geringe Ahnung von ihren eigenen Rechten und Pflichten. Allerdings warnte er vor einer Regelung, die nur die Korruption bekämpfe, die den Staat selbst treffe – das sei ein „falsches Signal“.

Angesprochen auf das Ausmaß des Problems sagte Christine Fischer, Geschäftsführerin der Initiative unbestechliche Ärzte, es sei eine Minderheit, die korruptiv handle. Das Ausmaß sei aber „beachtlich“. Transparency International spreche von 15 Milliarden Euro pro Jahr.


Juliane Ziegler