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TK legt Innovationsreport vor
"Wer nicht forscht wird abgehängt"
Auch die Techniker Krankenkasse (TK) schätzt die 2011 mit dem Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz ins Leben gerufene frühe Nutzenbewertung. Mit ihr könnten echte therapeutische Innovationen gefördert werden, sagt Kassenchef Jens Baas. Und dass dies nötig ist, sieht er durch den Innovationsreport 2013 belegt, den die TK heute vorgelegt hat. Danach hatte von 23 im Jahr 2010 und Anfang 2011 auf den Markt gebrachten neuen Präparaten nur eines einen klaren Zusatznutzen.
Wissenschaftler der Universität Bremen um Prof. Dr. Gerd Glaeske haben die neue Studie im Auftrag der TK erstellt. Beleuchtet wurden die 21 Wirkstoffe, die 2010 neu eingeführt wurden sowie Ticagrelor und Pitavastatin, die sich auch schon einer AMNOG-Bewertung unterzogen haben. Untersucht wurde, ob bereits alternative Therapien zur Verfügung stehen, ob die Arzneimittel einen (Zusatz-)Nutzen für die Patienten haben, und wie hoch die Kosten im Vergleich zu den verfügbaren Arzneimitteln ausfallen. Die Erkenntnis: Nicht alles was neu ist, bedeutet einen medizinischen Fortschritt – zumeist aber deutlich höhere Kosten. Lediglich für Ticagrelor (Brilique®) konnten Glaeske und seine Mitstreiter einen klaren Zusatznutzen ausmachen – jedenfalls für eine bestimmte Patientengruppe. So sahen es zuvor auch schon das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen und der Gemeinsame Bundesausschuss.
Die TK ihrerseits steuert Verordnungsdaten bei, um analysieren zu können, ob die Präparate auch in der richtigen Indikation eingesetzt werden. Insoweit gehen TK und die Uni Bremen in die Versorgungsforschung: Sie wollen die neuen Arzneimittel länger unter Beobachtung halten und sehen, wo und wie sie eingesetzt werden – und mit welchen Folgen. Schon das Beispiel Ticagrelor ist ernüchternd: Der Gerinnungshemmer hat zwar einen Zusatznutzen für bestimmte Patienten – doch bei 30 Prozent werde er falsch verordnet, so Baas. Zudem zeigt sich eine regionale höchst unterschiedliche Verordnungspraxis. So werden in den östlichen Bundesländern deutlich mehr neue Präparate verschrieben als im Westen – mit Ausnahme des Saarlands.
Daher will die TK mit ihrem Report gerade die Ärzte erreichen. Die Kasse macht ihnen keinen Vorwurf, dass sie noch allzu oft „neu“ mit „besser“ gleichsetzen – aber sie will ihnen unabhängige Informationen an die Hand geben. Auch Versicherten soll eine bessere Orientierung gegeben werden, wenn es um den Einsatz von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen geht. So gibt es für jeden der untersuchten Wirkstoffe eine einseitige Zusammenfassung der Nutzenbewertung, die die wichtigsten Fakten zusammenstellt – einmal für Ärzte, einmal für Patienten.
Der Innovationsreport, der auch weiterhin neue Arzneimittel unter Beobachtung halten will, versteht sich somit als Ergänzung zur frühen Nutzenbewertung. Er will Ärzte aufklären und dafür sorgen, dass echte Innovationen auch bei den Patienten ankommen, die von ihnen profitieren. Es gehe nicht um Kostendämpfung, betonten sowohl Baas als auch Glaeske. Ziel des AMNOG sei es, den patientenrelevanten Zusatznutzen auszumachen – und dieses dürfe nicht verfehlt werden. Die pharmazeutische Industrie, so Glaeske, stecke nicht in einer Produktivitätskrise – wohl aber mitten in einer Innovationskrise. Und er ist überzeugt, dass das AMNOG hier Abhilfe schaffen kann. Denn: „Wer nicht forscht wird abgehängt“, so Glaeske. Bezahlen werden die Kassen künftig die patientenrelevanten Innovationen.
TK-Chef Baas ist jedenfalls daran gelegen, dass seine Versicherten auch künftig Innovationen erhalten. Dabei verliert er nicht aus dem Blick, dass auch Hersteller ihre berechtigten Interessen haben. So gehört die TK nicht zu den Kassen die gegen eine Vertraulichkeit der Erstattungsbeträge wettern. Baas hat vielmehr Verständnis für diesen Herstellerwunsch. Man habe ein funktionierendes System – drücke man nun die Preise, auf die andere Länder Bezug nehmen, nach unten, so sieht er es in Gefahr. So könnte es für Großhändler interessant werden, Arzneimittel, die hierzulande plötzlich so günstig sind, um die Welt schicken. Und so unterstützt Baas auch nicht das Anliegen des GKV-Spitzenverbandes, die ausgehandelten Erstattungsbeträge auf seine Homepage zu veröffentlichen. Bislang sind diese Rabatte nur in der Apothekensoftware, nicht aber für jedermann einsehbar.
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Berlin - 31.05.2013, 13:14 Uhr