Testkäufe der Europa Apotheek Venlo

Richter halten Testkäufe für rechtsmissbräuchlich

Berlin/München - 02.08.2013, 14:48 Uhr


Nach diversen Testkäufen in bayerischen Apotheken hat die Europa Apotheek Venlo (EAV) bekanntlich eine ganze Reihe einstweiliger Verfügungsverfahren gegen Mitglieder des Bayerischen Apothekerverbands angestrengt. Vor Gericht läuft es bislang allerdings nicht ganz so, wie es sich die niederländische Versandapotheke vorgestellt haben dürfte. Zwei Zivilsenate des Oberlandesgerichts München sind in zweiter Instanz mit den Verfahren befasst – es zeichnet sich ab, dass das Vorgehen der EAV als rechtmissbräuchlich angesehen wird.

Nachdem der Bayerische Apothekerverband (BAV) im Streit um die Rezept-Boni mehrmals Ordnungsgelder gegen die EAV erwirkt hatte, hat die holländische Apotheke den Spieß umgedreht. Sie schickte letzten Herbst Testkäufer in die Apotheken von BAV-Mitgliedern, um zu überprüfen, ob Abgabevorschriften eingehalten werden und ordentlich beraten wird. Tatsächlich erwischten sie Apotheken, die die Antibabypille ohne Rezept abgaben – ein männlicher Testkäufer bat für seine grippekranke Frau hierum. Ein anderes Testkauf-Szenario: Die Kundin wünschte eine 10er-Packung des Migränemittels Formigran, das nur in 2er-Packungen rezeptfrei erhältlich ist. Die EAV monierte, dass manche Apotheke daraufhin mehrere 2er-Packungen abgab – die Gerichte hielten dies allerdings nicht für unzulässig. Ebenfalls im Testkauf-Repertoire: Der Wunsch nach dem Schlafmittel Hoggar Night zusammen mit Protagutt forte – hier hatte man von der Apotheke den Hinweis auf eine Kontraindikation erwartet.

Die zunächst angerufenen Landgerichte werteten die von der EAV bemängelten Verstöße unterschiedlich. Nur mit wenigen Punkten kam die Versandapotheke durch. So untersagte das Landgericht München (Az.: 4 HK O 5086/12) etwa die Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel ohne Rezept – insbesondere Belara –, sofern im Einzelfall kein Notstand zu beklagen ist und/oder der behandelnde Arzt zuvor nicht unterrichtet wurde. Auch die Abgabe von Arzneimittelproben – vorliegend eine kleine Tube Bepanthen-Salbe – wurde bei Androhung eines Ordnungsgeldes untersagt. Das Landgericht Augsburg (Az.: 1 HK O 4131/12) untersagte erstere Variante ebenfalls. Zudem gab sie der EAV in einem weiteren der fünf beantragten Punkte Recht: Auch die Abgabe nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel – hier: Imodium akut Lingual 12 Stück – dürfe nicht ohne Rezept abgegeben werden, wenn die abgegebene Menge verschreibungspflichtig sei.

Im Frühjahr hatte das Oberlandesgericht erste Entscheidungen in ähnlichen Fällen gefällt. Während der 29. Zivilsenat Rechtsmissbräuchlichkeit annahm und alle Unterlassungsansprüche verneinte, war der 6. Zivilsenat hiervon noch nicht überzeugt. Doch am 25. Juli befasste sich der 6. Senat mit weiteren drei Fällen, unter anderem den beiden oben mit Aktenzeichen genannten. In keinem kam die EAV mit ihrer Berufung durch. Die nächste Schlappe folgte gestern, als der 29. Senat zwei weitere Fälle zur Entscheidung vorliegen hatte: Einmal wies er die Berufung zurück (schon in der ersten Instanz war der Antrag auf einstweilige Verfügung zurückgewiesen worden), in einem weiteren zog die EAV die Berufung sodann selbst zurück. In letzterem Fall war die beklagte Apothekerin in einem Punkt zur Unterlassung verurteilt wurden – dieser wurde nun rechtskräftig.

Bis die Entscheidungsgründe vorliegen, wird noch einige Zeit vergehen – in Bayern beginnt auch für viele Richterinnen und Richter nun die Ferienzeit. Der Pressesprecher des Gerichts bestätigte jedoch, dass sich mittlerweile eine gemeinsame Linie am OLG München abzeichne: Die EAV ging in rechtsmissbräuchlicher Weise vor und kann ihre Ansprüche daher nicht durchsetzen.

Noch sind nicht alle Verfahren, die die EAV eingeleitet hat, abgeschlossen. Zudem: Es handelt sich bislang nur um Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes. Ob und wie viele Hauptsacheverfahren die EAV nun anstrengen wird, bleibt abzuwarten. In der gestrigen Verhandlung vor dem 29. Zivilsenat machten die EAV-Anwälte dem Vernehmen nach schon deutlich, dass der Weg für sie noch nicht zu Ende ist. Die Versandapotheke selbst schweigt bislang auf eine entsprechende Anfrage von DAZ.online. Auch der BAV will sich nach wie vor nicht zu den Verfahren äußern.


Kirsten Sucker-Sket