Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

15.09.2013, 08:00 Uhr


Man mag es nicht glauben, aber es ist wahr. Da hat sich eine Arbeitsgruppe hingesetzt, im stillen Kämmerlein einen Entwurf fürs Leitbild des Apothekerberufs ausgearbeitet – und jetzt wird dieser Entwurf auf dem Apothekertag im Diskussionsforum erstmalig präsentiert. Mein liebes Tagebuch, ist das noch zeitgemäß? Warum wird der Entwurf (es ist nur ein Entwurf!) nicht vorab der Berufsöffentlichkeit bekannt gemacht? Warum soll man sich vorab nicht schon mal einlesen, um dann informiert diskutieren zu können? Ohne diese Vorbereitung geht wertvolle Zeit von der öffentlichen Diskussion ab. Ach ja, mein liebes Tagebuch, wann kehren bei der ABDA mal effiziente und transparente Strukturen ein? Ob wir das noch erleben dürfen?

9. September 2013

Zehn bis 20 Container-Apotheken möchte die EasyApotheken-Holding AG jedes (!) Jahr errichten. Das sind modulartige Fertigelemente, die zusammengesetzt z. B. eine 160 Quadratmeter große Standard-Apotheke ergeben. Wesentliche Teile für das Easy-Apotheken-Modul seien bereits genehmigt. Die Container-Apotheke kann zum Beispiel auf Parkplätzen großer Verbrauchermärkte aufgebaut werden – wenn die den Raum zur Verfügung stellen. Und falls der Standort nicht läuft, dann heißt es: Container abbauen und woanders wieder aufbauen. So „einfach“ ist das, mein liebes Tagebuch. Wirklich? Wohl kaum. Klingt alles nach modernem Raubrittertum zum Rezepteabgreifen. Vielleicht wird ja tatsächlich der eine oder andere Container zusammengeschraubt, aber jedes Jahr zehn bis zwanzig? Solche Visionen sind typisch easySprech. Bis jetzt steht noch keine. Und wie viel so eine Schachtel-Apo kostet, davon war noch nichts zu hören. Also, mein liebes Tagebuch, keine Aufregung.

Neuer Anlauf für die Pille danach. Der wievielte? Egal. Der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht muss sich auf Anweisung des Bundesgesundheitsministeriums auf seiner nächsten Ausschusssitzung im Januar 2014 mit der Rezeptpflicht der Notfallkontrazeptiva befassen. Was meinst du, mein liebes Tagebuch, wird sich der Sachverständigenausschuss zu einer Entlassung aus der Verschreibungspflicht durchringen können? Vielleicht. Kommt von der ABDA ein positives Votum? Neee.

Dieses Mal wird alles anders. Na ja, zumindest vieles. Auf dem Apothekertag in Düsseldorf. Arbeitskreise (die ohnehin keine mehr waren) gibt es nicht mehr, dafür werden nur noch die Anträge beraten. Einige olle Kamellen sind dabei, die fast jedes Jahr so oder ähnlich aufgelegt werden und genauso oder ähnlich abgebügelt werden oder im Orkus der ABDA verschwinden. Aber einige frischere Anträge könnten in diesem Jahr für lebhafte Diskussionen sorgen. Zum Beispiel die Forderung – die auch von der Apothekerkammer Nordrhein unterstützt wird –, den ABDA-Präsidenten auf dem Apothekertag von den Delegierten wählen zu lassen. Oder die Forderung aus Sachsen, die ABDA möge ein Konzept entwickeln, wie die flächendeckende Versorgung bei abnehmender Apothekenzahl sichergestellt werden kann.

Ja, und dann das große dreistündige Diskussionsforum für alle, live übers Internet gestreamt. Die große Aussprache, die große Basisdiskussion? Nein, so wird‘ s wohl nicht werden. Denn ein Teil der Diskussionszeit geht schon mal für die Präsentation des Leitbild-Entwurfs drauf, das die Leitbild AG (bestehend aus den drei Kammerpräses Benkert, Linz, Overwiening und den Verbandschefs Hubmann und Froese) unter Vorsitz von ABDA-Vize Arnold gebastelt hat. Schade, mein liebes Tagebuch, ja sogar ärgerlich, dass das Leitbild-Papier nicht zuvor der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Man hätte sich damit vertraut machen können und auf dem Apothekertag besser darüber diskutieren können. Oder muss man hier Methode vermuten? Scheut man die Diskussionen mit vorinformierten Kolleginnen und Kollegen? Hat man Sorge, es könnten zu viele unangenehmen Fragen gestellt werden? Auch die Interessengemeinschaft Deutscher Apothekerinnen und Apotheker in Westfalen-Lippe (iDAA-WL) bedauert sehr, dass das Leitbild nicht schon vorher bekannt gemacht wurde. Ebenso, dass die Erarbeitung des Leitbilds in kleinem Kreis unter Ausschluss der Berufsöffentlichkeit stattfand. Ja, mein liebes Tagebuch, Transparenz und Offenheit sehen anders aus. Man hätte Meinungen, Vorschläge und Anregungen zum Leitbild im Vorfeld sammeln und diskutieren können. Eine Arbeitsgruppe hätte dann daraus ein Papier erstellt, das öffentlich hätte diskutiert, verbessert und geformt werden können. Ach, ja, mein Tagebuch, ob wir es noch erleben dürfen, dass die ABDA eine moderne und entstaubte Organisation wird? Oder gibt es sie dann überhaupt noch?

10. September 2013

Fusionieren, ja oder nein? Das fragen sich die Mitglieder der Apothekerkammer Hamburg. Seit vier Jahren taucht in den Gremien der Hamburger Kammer immer wieder die Frage auf, ob sich nicht die norddeutschen Apothekerkammern zu einer Kammer zusammenschließen sollten. Hamburg, Schleswig-Holstein, Bremen – und wie wär’s noch mit Niedersachsen oder Mecklenburg-Vorpommern? Was wären die Vorteile: Synergien, weniger Kosten, effizienteres Arbeiten. Die Nachteile: Wegfall von Arbeitsplätzen und vor allem von Pöstchen. Fragt sich nur, ob das geht. Und ob die norddeutschen Kammern unter einen Hut gebracht werden wollen. Bis zum 15. September läuft die Mitgliederbefragung der Apothekerkammer Hamburg – dann wissen wir, wie dort die Stimmung ist.

11. September 2013

Unsere politisch aktiven Kolleginnen und Kollegen verdienen das Attribut zu Recht. Sie mobilisieren sich gegenseitig und rufen dazu auf, an der Generalaussprache am 19. September von 9 bis 12 Uhr beim Deutschen Apothekertag mitzumachen. Sie haben zahlreiche Kritikpunkte an der ABDA und sie wollen ihre Standesführung in die Pflicht nehmen. Gut so. Schön wär’s, wenn über diese Gruppe hinaus auch bisher weniger aktive Kolleginnen und Kollegen an dieser Veranstaltung teilnehmen würden. Mein liebes Tagebuch, der Saal sollte an diesem Tag bis auf den letzten Platz besetzt sein. Auch wenn nicht jeder zu Wort kommen kann: Aber die ABDA muss spüren, dass hier eine Bewegung durchs Land geht, dass hier ein großes Interesse vorhanden ist an dem, was sie tut und wie sie es tut.

So schnell gibt der „Spiegel“ nicht klein bei, wenn es um die Rezeptdatenaffäre geht – und knickt vor VSA und IMS Health nicht ein. Im Gegenteil. Auf spiegel.de/blog hält Spiegel-Autor Hilmar Schmundt mächtig dagegen. In einem ausführlichen Text „Mistkäfer als Datendealer“ – wirklich lesenswert – dröselt er die Vorgänge um den Verkauf von Rezeptdaten auf. Die Dokumente zu seinen Feststellungen sind hinterlegt. Und er stellt kritische Fragen zum Umgang mit den Daten. Außerdem geht er auf die Kritik an seinem Begriff „Pillendreher“ als Bezeichnung für Apotheker ein. Es sei scherzhaft und umgangssprachlich gemeint gewesen. Außerdem sei Pillendreher die Bezeichnung für einen Mistkäfer, der im alten Ägypten Skarabäus hieß und als heiliges Tier verehrt wurde. Ha, ha, mein liebes Tagebuch, wie lustig, gell?

12. September 2013

Echt cool: Im März 2012 stellt die Apothekerkammer Schleswig-Holstein Fragen an die ABDA zur Funktion des Apothekertags und zu den Pressesprechern der ABDA – und bereits anderthalb Jahre später liegt die Antwort von Berlin auf dem Tisch der Kammerversammlung im Norden. Mensch, das ist ja superschnell und effizient, offen und transparent. Tja, mein liebes Tagebuch, so arbeitet die ABDA. Oh-mann-oh-mann, man glaubt es nicht. Und das im Jahr 2013. Die Schleswig-Holsteiner hatten ihre Fragen zum Teil in eine Resolution gekleidet und nach Berlin geschickt, weshalb die ABDA meinte, darauf nicht reagieren zu müssen. Na ja, so kann man unbequeme Themen eben auch wegdefinieren. Und was ist raus gekommen? Es bleibt alles so wie’s ist: die Funktion der Hauptversammlung will man nicht verändern. Und was die Pressesprecher angeht, so verweist Berlin auf allgemein bekannte Fakten und dass den Einstellungen jeweils eine sorgfältige Auswahl vorausgegangen sei. Mein liebes Tagebuch, was soll die ABDA auch sonst dazu sagen? Wir haben uns nicht die Mühe gemacht, genau hinzuschauen? Wir haben ein bisschen suboptimal gearbeitet? Also nein, mein liebes Tagebuch, immer diese kritischen Nachfragen aus dem Kammervolk. Man könnte so nett vor sich hinarbeiten in Berlin, wenn nicht immer diese Querulanten alles genau wissen wollten. By the way, was man auch in der nordischen Kammerversammlung erfuhr: Es gibt bei der ABDA sogar schon Video-Konferenzen – man glaubt es kaum, wie weit der technische Fortschritt in die Berliner Gemäuer vorgedrungen ist. Und Protokolle von BAK-Sitzungen würden nun innerhalb von vier Wochen erstellt. Wow, das sind ja irrsinnige Geschwindigkeiten – hoffentlich kommen da alle mit dem Lesen mit.

Seit 1985 wird der Arzneiverordnungsreport veröffentlicht, eine Publikation des Wissenschaftlichen Instituts der AOK, in dem zahlreiche Experten aus Pharmakologie, Medizin und Ökonomie das ärztliche Verordnungsverhalten kommentieren mit dem Ziel  einer verbesserten Markt- und Kostentransparenz.    Arzneimittel werden dabei nach den Kriterien der Evidenz-basierten Medizin beurteilt. Jetzt ist die Ausgabe 2013 erschienen. Und alle Jahre wieder: Es gibt angeblich noch viele Einsparpotenziale. Die Industrie hält dagegen: Was da gefordert wird, sei nicht umsetzbar. Zudem würden jedes Jahr die Rechenmethoden der Statistiken verändert, ohne die Werte der Vorjahre zu korrigieren. Das Urteil: „unglaubwürdig“. Auch der Deutsche Apothekerverband warnt in diesem Jahr vor einer übermäßigen Zahlengläubigkeit. Der Bericht definiere Indexwerte, Durchschnittsmengen oder Einsparpotenziale als wichtigste Bewertungskriterien für die Arzneiversorgung. Der einzelne Patient bleibe dabei auf der Strecke. Stimmt. Mein liebes Tagebuch: Der Arzneiverordnungsreport vertritt die Interessen der AOK. Punkt.

Wenn man das hört, was sich Ärzte in Schleswig-Holstein erlauben, dann, mein liebes Tagebuch, dann haben wir noch einen sehr langen Weg hin zum Medikationsmanagement vor uns. Denn hoch im Norden hat die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein ihre Mitgliedschaft in der Interessengemeinschaft der Heilberufe (IdH) mit sofortiger Wirkung gekündigt. Die IdH ist ein bundesweit einmaliger Zusammenschluss aller Heilberufe auf Landesebene – also eine gute Sache. Ja, und jetzt steigen die Ärzte aus. Einer der Hauptgründe: Apotheker wollen Medikationsmanagement (MM) machen. Das passt den Ärzten überhaupt nicht. Warum? Weil das Geld für bestimmte Leistungen nur einmal ausgegeben werden kann. Ja, mein Tagebuch, du liest richtig. Ärzte befürchten wohl, sie müssen die paar Euro, die sie zum Teil schon heute von manchen Kassen für Interaktionschecks und Medikationsüberprüfungen erhalten, an die Apotheker abtreten. Hhmm, das ist bitter. Dabei ist ein MM nicht vergleichbar mit den Checks der Ärzte. Und ein echtes apothekerliches MM hätte wirklich einen unschätzbaren Mehrwert vor allem für multimorbide Patienten mit Polymedikation. Es ist traurig, wie sich hier die schleswig-holsteinische KV benimmt.

13. September 2013

Hersteller, die meinten, die Preise von Fertigarzneimittel fürs Verblistern frei mit den Apotheken aushandeln zu können, wurden jetzt eines Besseren belehrt:  Auch Arzneimittel für die Verblisterung unterliegen der Preisbindung. Freie Preisverhandlungen oder Rabatte, wie sie Ratiopharm gerne gegeben hätte, sind auch hier tabu. Die Wettbewerbszentrale hatte gegen Ratiopharm geklagt und gewonnen. Tja, ein konsequentes Urteil.

Und zum Schluss: eine wirklich bemerkenswerte Aktion aus Thüringen: die Nachwuchskampagne der Thüringer Apothekerkammer. Beim Tag der Pharmazie am 7. Oktober laden Thüringer Apotheker und Pharmaziestudierende des pharmazeutischen Instituts in Jena rund 1300 Schülerinnen und Schüler ein, um sie über das Pharmaziestudium und den Apothekerberuf zu informieren. Rund 160 Apothekerinnen und Apotheker, Studierende und Apothekenmitarbeiter zeigen in Vorträgen und Infoständen die Vielfalt der Pharmazie und des Apothekenalltags. Außerdem gibt es für die Apotheken Starterpakete, um hospitierende Schüler durch die Apotheken zu führen. Klar, Schüler sind noch lange keine Apotheker im Thüringer Wald oder auf dem Land, aber wer weiß, vielleicht werden so Berufswünsche geweckt! Auch die Landtagsabgeordneten erhalten Einladungen für den Tag der Pharmazie. Und da die Thüringer von ihrer Kampagne zur Nachwuchsförderung   überzeugt sind, stellen sie auf dem Apothekertag gleich den Antrag, eine bundesweite Nachwuchskampagne  zu veranstalten. Mein liebes Tagebuch, so ist’s Recht, das muss unterstützt werden!

 


Peter Ditzel