Preis der Männlichkeit

Die Risiken der Testosteron-Substitution bei älteren Männern

14.11.2013, 10:45 Uhr


Von einer Testosteron-Substitution erhoffen sich Männer vor allem eine Steigerung der sexuellen Potenz und mehr Muskelmasse. Weitere positive Wirkungen sind eine Zunahme der Knochendichte, eine Verbesserung von Lipidprofilen und der Insulinresistenz. In den USA wurde Erhebungen zufolge 2011 2,9 Prozent aller Männer über 40 mindestens einmal jährlich Testosteron verschrieben – eine Verdreifachung im Vergleich zu 2001. In einer retrospektiven Kohortenstudie führte eine Testosteron-Substitution bei amerikanischen Männern allerdings zu einer erhöhten Mortalität sowie mehr Herzinfarkten und Schlaganfällen.

Die Auswirkungen einer Testosteron-Behandlung auf die Mortalität und kardiovaskuläre Endpunkte sind derzeit noch unzureichend untersucht. Im Jahre 2010 war allerdings eine Studie mit Männern über 65 vorzeitig abgebrochen worden, weil es nach täglicher Anwendung eines Testosteron-Gels über sechs Monate zu einer deutlich erhöhten Rate kardiovaskulärer Ereignisse (23 vs. 5) im Vergleich zu Placebo gekommen war.

Eine kürzlich veröffentlichte retrospektive Kohortenstudie basiert auf den Daten von 8 709 US-Veteranen mit bekanntem, niedrigem Testosteronspiegel (< 300 ng/dl), die zahlreiche Komorbiditäten wie beispielsweise Diabetes oder einen Herzinfarkt in der Vorgeschichte aufwiesen. 1 223 von ihnen erhielten eine Testosteron-Behandlung, die mittlere Nachbeobachtungszeit lag bei 27,5 Monaten. Der primäre Endpunkt setzte sich aus Tod jeglicher Ursache, Herzinfarkt und ischämischem Schlaganfall zusammen.

Von den Männern, die mit Testosteron substituiert worden waren, verstarben 67, 23 erlitten einen Herzinfarkt und 33 einen Schlaganfall (Ereignisrate für den Zeitraum 3 Jahre nach der Angiographie: 25,7%). In der Gruppe der Nichtanwender (n=7 486) lag die Ereignisrate bei 19,9% (681 Todesfälle, 420 Herzinfarkte, 486 Schlaganfälle). Die absolute Risikodifferenz betrug nach drei Jahren 5,8 Prozent (95% KI -1,4% bis 13,1%). Damit war die Testosteron–Substitution mit einem erhöhten Mortalitäts- und – bezüglich Herzinfarkt und Schlaganfall -auch einem erhöhten Krankheitsrisiko assoziiert (hazard ratio, HR, 1, 29, 95% KI 1,04-1,58, P=0,02).

Die Autoren halten die Aussagekraft der Studie für begrenzt, da sie nicht randomisiert und placebokontrolliert war, sondern auf der retrospektiven Auswertung von Krankendaten beruhte. Um ein eventuelles kardiovaskuläres Risiko einer Testosteron-Substitution einschätzen zu können, wären also weitere Studien notwendig.

Weitere Details zur Studie lesen Sie in der aktuellen DAZ ab Seite 28: Der Preis der Männlichkeit: Erhöhte Morbidität und Mortalität unter Testosteron-Substitution bei älteren Männer. 

Zum Weiterlesen:

Fragen aus der Praxis: Testosteron für jedermann? Warum die Substitution nicht generell erstattet wird; DAZ 2012, Nr. 26, S. 48

Quelle: Vigen R, et al.: Association of testosterone therapy with mortality, myocardial infarction, and stroke in men with low testosterone levels. JAMA (2013) 310(17):1829-1836, doi: 10.1001/jama.2013.280386.


Dr. Claudia Bruhn