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Die letzte Woche
Mein liebes Tagebuch
Frustige Meldungen in dieser Woche: Neue Festbeträge, neue Rabattverträge und die Substitutionsverbotsliste treten in Kraft. Sie bringen den Apotheken den Ärger der Kunden und kosten Zeit und Kraft. Und, mein liebes Tagebuch, sie lassen den Apotheker spüren: Diese Mehrarbeit, durch die die Kassen Millionen sparen, machst du ohne Honorar. Auch ärgerlich: Die Industrie verniedlicht ihre Lieferengpässe. Und wenig Freude in Sachsen und Thüringen: Die Ärzte mögen Armin nicht. Einen Lichtblick gab es allerdings in der letzten Woche: Der Präsident kommt! Mit einem chicen weißen Bus fährt er aufs Land und will Basisnähe zeigen. Dumm gelaufen, es war ein Aprilscherz.
31. März 2014
Es betrifft zwar nur eine kleine Gruppe von Apotheken, nämlich die Zytostatika-herstellenden Apotheken in Hessen, aber es geht hier ums Prinzip: Die AOK Hessen schreibt die Zytostatika-Belieferung aus und schließt Selektivverträge nur mit wenigen Apotheken ab. Diejenigen Apotheken, die keinen Zuschlag bekommen haben und dennoch die Versicherten der AOK Hessen beliefern, zahlen drauf, sie werden retaxiert. Der Vorsitzende des Verbands Zytostatika-herstellender Apothekerinnen und Apotheker (VZA), Peterseim, dazu auf der Jahrestagung seines Verbands: „Die AOK Hessen führt Krieg gegen ihre Versicherten.“ Und damit hat er Recht. Die freie Apothekenwahl der Versicherten wird damit aufgehoben. Unterstützung kommt vom ABDA-Präsidenten Schmidt. Er sieht darin eine „existenzielle Bedrohung der öffentlichen Apotheke“. Die Apotheker, die Zytos herstellen, haben hohe Investitionen ins Labor und Personal – wenn die Zytoherstellung von heute auf morgen wegfällt, rechnen sich die Investitionen nicht mehr. Und wer weiß, ob solche Ausschreibungen nicht eines Tages auf andere Bereiche übertragen werden? Mein liebes Tagebuch, man kann den Bogen überspannen – die AOK Hessen tut dies gerade.
1. April 2014
Der Präsident kommt! Er fährt mit einem chicen weißen ABDA-Bus (inkl. Alfi-Kaffeekanne) über Land, geht auf die Basis zu (ein Präsident zum Anfassen) und fordert vor Ort zur Leitbild-Diskussion auf. April, April! Die angekündigte Leitbild-Roadshow des ABDA-Präsidenten war ein Scherz. Aber, mein liebes Tagebuch, so ganz abwegig ist eine solche Meldung nicht. Wenn eine Diskussion „on the road“ nicht so aufwendig wäre – sie würde mit Sicherheit in Sachen Leitbild viel bringen und könnte das Verhältnis der Basis zur ABDA ungemein verbessern. Und umgekehrt.
Kein Scherz: Die ABDA hat – endlich – wieder einen Pressesprecher und wird so hoffentlich in der Öffentlichkeit wieder besser und häufiger gehört. Am 1. April trat Reiner Kern seine Stelle als Leiter der Stabsstelle Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit an. Und das Schönste: Er hat sich länger als einen Tag auf diesem Posten gehalten. Mein liebes Tagebuch, im Ernst: Hoffen wir, dass er die Apotheker in der Politik, in den Medien schlagkräftig präsentiert und ihnen zu Gehör und Stimme verhilft. Und dafür wünschen wir ihm einen guten Start!
Mit dem 1. April traten – und das ist leider auch kein Scherz – neue Festbeträge, Rabattverträge und die erste Version der Austauschverbotsliste in Kraft. Unglaublich, welche Mehrarbeit damit auf die Apotheken zukommt! Aufzahlungen verlangen, Aufklärungsarbeit bei Patienten, Ärger, Frust. Mehrarbeit, die es früher nicht gab, die man von den Apotheken einfach so erwartet, ohne dass sie dafür einen irgendwie gearteten Honorarausgleich erhalten. Neuland ist das Inkrafttreten der unsäglichen Substitutionsverbotsliste mit bisher zwei Wirkstoffen (Ciclosporin undd Phenytoin). Bei diesen beiden Wirkstoffen darf die Apotheke in Zukunft nicht mehr austauschen. Keine pharmazeutischen Bedenken! Und der G-BA, der nicht vor pharmazeutischem Sachverstand strotzt, arbeitet daran, diese Liste bis zum Herbst zu erweitern. Eine Katastrophe!
2. April 2014
Nichts gelernt aus der Vergangenheit hat die AOK Baden-Württemberg. Die Kasse, die wohl am schärfsten auf Rabattverträge aus ist und im Gegensatz zu anderen Kassen nicht nur Grippe-Impfstoffe ausschreibt, will Rabattverträge bei sieben Schutzimpfungen zustandebringen. Erst im Januar musste sie zwei Verträge über Impfstoffe wegen Lieferschwierigkeiten des Herstellers vorzeitig beenden. Und jetzt erneut die Ausschreibung. Mein liebes Tagebuch, wie kann man so stur sein? Die AOK Hessen hatte im Übrigen vor kurzem ebenfalls versucht, Rabattpartner für HPV-Impfstoffe zu finden. Der Versuch scheiterte, es machte kein Hersteller mit. Vielleicht sagen die Hersteller auch dieses Mal: Wir bewerben uns nicht. Wäre ein Zeichen.
Armin ist am Start. Mit der Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen sollen die Wirkstoffverordnung und das Medikationsmanagement erprobt werden. Die Verbandsvorsitzende Monika Koch will in den nächsten Wochen die Apotheken landesweit informieren und zum Mitmachen bewegen. Mein liebes Tagebuch, an den Apotheken wird das Modellprojekt nicht scheitern. Aber die Hausärzte mauern zurzeit heftig! Gegen Armin wird massiv polemisiert, Patienten werden aufgefordert, Leserbriefe gegen Armin an die Presse zu schicken. Man mag es nicht fassen, welche Bedenken oder Ängste ein solches Projekt bei den Ärzten auslöst. Nur weil sie in Zukunft etwas enger mit dem Apotheker zusammenarbeiten sollen! Und sie sich ein wenig umstellen müssen, indem sie über eine neue Software einen Wirkstoff aufs Rezept drucken, und der Apotheker das Präparat auswählt. Dabei haben Ärzte bereits mit den Rabattverträgen die Hoheit übers Medikament verloren. Schade, mein liebes Tagebuch, wie irrational Ärzte doch sein können.
Er schon wieder, der Professor aus Bremen, Gerd Glaeske. Jetzt kritisiert er die Gentests aus der Apotheke. Weil sie nicht der evidenzbasierten Medizin genügten. Hm? Ist doch irgendwie daneben! Gentest und evidenzbasierte Medizin? Das sollte er mal erklären, wie das zusammengeht. Und überhaupt, was hat Glaeske dagegen, dass man eine Therapie stratifiziert ausrichtet, so man die Möglichkeit dazu hat? Sollen Patienten lieber jahrelang Arzneimittel einnehmen, obwohl sie ihnen nicht helfen können, weil sie das falsche Enzym haben? Oder wäre es nicht besser, vorab festzustellen, dass dieser oder jener Arzneistoff bei ihnen nicht wirken kann? Mal anders gefragt: Herr Glaeske, was haben Sie eigentlich gegen Apotheker?
3. April 2014
Mein liebes Tagebuch, wieder ein Bravourstück eines absurden Landessozialgerichts- und Kassentheaters: Wenn der Arzt bei Impfstoffen produktneutral verordnet mit der Formulierung „Impfstoff gegen ...“ (das hatten die AOK und Kassenärztliche Vereinigung von Baden-Württemberg so vereinbart), kann der Apotheker nicht auswählen, was er für richtig hält, sondern muss anhand von Angaben auf einem Poster rabattierte Impfstoffe auswählen und abgeben. Das hat nun das Landessozialgericht Stuttgart entschieden. Dem Rabattvertragstollhaus sind keine Grenzen gesetzt. Jetzt sind die Hersteller gefordert (siehe oben), keine Rabattverträge mehr für ihre hochsensiblen Impfstoffprodukte abzuschließen und dem Spuk ein Ende zu bereiten.
Mittlerweile ähnlich absurd: Auf der einen Seite bringen Großhandlungen sich fast um, weil sie mit überhöhten Rabatten um sich werfen, auf der anderen Seite holen sie sich die Rabattgeschenke von den Apotheken durch Struktur- und ähnliche Gebühren teilweise zurück. So die Alliance Healthcare Deutschland, die für ihre März-Rechnung eine Strukturgebühr von rund 1000 Euro verlangen will für Lieferkonditionen und so auf die angespannte Ertragslage im Pharmagroßhandel reagiert. Mein liebes Tagebuch, ist doch wirklich ein bisschen krass, oder? Muss die Apotheke bald dafür bezahlen, dass sie beim Großhandel bestellen darf oder dass sie beliefert wird? Wie wär’s denn mit diesem Vorschlag: Apotheken, die die Ware selbst abholen, bezahlen nur 500 Euro als „Strukturkomponente“? Ich bin gespannt, wann die erste Großhandlung mit diesem ganzen Rabatt- und Gebühren-Schnickschnack aufhört.
ABDA-Vize Arnold warb für die Beteiligung an der Leitbild-Diskussion. Auf der Mitgliederversammlung des Apothekerverbands Mecklenburg-Vorpommern machte er klar, worum’s geht: Das Leitbild zielt auf den Erhalt und die Festigung des Apothekensystems. Auch jetzt besteht die Möglichkeit, seine Meinung zum Leitbild abzugeben: „Jeder Brief wird gelesen.“ Fein! Form und Umfang des Leitbildes könnten sich am Weißbuch der niederländischen Apotheker orientieren, meinte Arnold, und verwies auf mein Editorial 2012, in dem ich dieses Weißbuch kurz vorstellte. Mein liebes Tagebuch, ja, ich war und bin beeindruckt, wie gut, klar strukturiert und übersichtlich die niederländischen Kolleginnen und Kollegen ihr Leitbild in diesem Weißbuch zusammengefasst haben. Das müsste doch auch für Deutschland möglich sein: eine Bestandsaufnahme, was wir tun, wer wir sind und wohin wir wollen. Kann doch nicht so schwer sein, dachte ich mir. Kriegen wir doch auch locker hin. Warum das Rad zweimal erfinden? Nehmen wir das niederländische Weißbuch unter den Arm und zum Vorbild, schreiben es ein wenig um und passen es an unsere Verhältnisse und Wünsche an. Statt millionenschwerer Leitbildprozess: Vielleicht hätten ein paar wenige mal einen Entwurf eines Leitbilds aufschreiben sollen. Den hätte man dann öffentlich diskutieren, ändern und ergänzen können – fertig. Egal, Arnold ist auf dem richtigen Weg, er wird den Leitbildprozess hoffentlich gut zu Ende führen. Und er möge mal auf die Umfrageauswertung der Pharmaziestudierenden zum Leitbild schauen und auf die DAZ-Umfrage: ebenfalls gute Gedanken zum Leitbild, die einfließen sollten.
Jetzt verniedlicht die Industrie ihre hausgemachten Lieferengpässe. vfa-Geschäftsführer Throm verkündet: alles nicht so schlimm! Die wenigsten Lieferengpässe führten zu Versorgungsengpässen und überhaupt: Angesichts von 40.000 Arzneimitteln im Sortiment seien Lieferschwierigkeiten sehr selten. Schon klar, Herr Throm, das müssen Sie jetzt so verniedlichen. Aber die Realität bildet das nicht ab. Es gibt sie, die Engpässe, bei denen Patienten ihre Arzneimittel nicht bekommen und lange darauf warten müssen. Fragen Sie Herrn Diefenbach, der die Meldungen bündelt, und schauen Sie sich die Defektmeldungen der Großhandlungen an. Es ist ein schwaches Bild der Industrie. Warum hat die Herstellung und Lieferung früher besser funktioniert? Warum häufen sich die Lieferengpässe, seit es Rabattverträge gibt?
4. April 2014
Der Antrittsbesuch. Schmidt trifft Gröhe. Oder umgekehrt. Nach hundert Tagen im Amt interessiert sich der neue Bundesgesundheitsminister auch für die Apotheker persönlich. Nach Aussage des neuen ABDA-Sprechers Kern soll der Minister gut informiert gewesen sein. Nun, das hatte man auch erwarten dürfen, oder? Andererseits, während des dreiviertelstündigen Gesprächs konnte man ja auch nicht in die Tiefe gehen. Mein liebes Tagebuch, auch wenn in dieser Legislaturperiode keine Apothekenfragen unmittelbar auf der politischen Agenda des Bundesgesundheitsministeriums stehen: Ein guter Draht zum Ministerium ist immer wichtig! Und einen Hinweis darauf, dass Apotheken bei BtM- und Rezeptur drauflegen und eine verlässliche Anpassung des Honorars benötigen – darauf hat Schmidt mit Sicherheit hingewiesen. Bestimmt!
5. April 2014
Großes Event in Meißen: Sächsischer Apothekertag. Rund 250 Apothekerinnen und Apotheker des Freistaats trafen sich in der Stadt, in der Samuel Hahnemann, der Erfinder der Homöopathie, geboren wurde, und Apotheker Johann Friedrich Böttger das europäische Porzellan, das weiße Gold, erfand. Berufspolitik, Fortbildung und Geselligkeit standen im Mittelpunkt. Monika Koch, die sächsische Verbandschefin, und Friedemann Schmidt als Kammerpräsident machten Sachsens Apothekerprobleme deutlich. Die drohende Schließung des pharmazeutischen Instituts in Leipzig ist immer noch nicht vom Tisch. Die Parteien larvieren, das Problem wird zwischen zwei konkurrierenden Ministerien hin- und hergeschoben. Ein trauriges Kapitel sächsischer Sparpolitik. Vielleicht hilft die anstehende Landtagswahl Ende August, um Klarheit zu schaffen. Und das jüngste Problem: das Projekt ARMIN, bei dem der Arzt den Wirkstoff verordnen und der Apotheker das Präparat aussuchen soll (siehe auch den Eintrag vom 2. April). Mein liebes Tagebuch, nochmal: Es wäre schade, nein, mehr als das, es wäre fatal, wenn ARMIN abstürzte. Denn in ARMIN liegt in der Tat eine Chance, die engere Zusammenarbeit von Arzt und Apotheker zu erproben, die Zukunftsstrukturen des Apothekerberufs bis hin zu Medikationsmanagement zu testen.
06.04.2014, 08:00 Uhr